Kein Urlaub in Krisenzeiten Corona: Der Norden macht dicht, nachdem er die Bewohner von Zweit-Wohnungen weggeschickt hat

Schleswig · Der Traum vom Zweitwohnsitz an der Nordsee bekommt in Zeiten von Corona tiefe Risse. Landkreise in Schleswig Holstein schickten die „auswärtigen Personen“ per Eil-Verfügung nach Hause. Anderen verboten sie die Anreise. Zu Recht?

 Die ersten Strandkörbe am Strand von St. Peter-Ording. Das war Anfang März.

Die ersten Strandkörbe am Strand von St. Peter-Ording. Das war Anfang März.

Foto: dpa/Carsten Rehder

Nachdem das Bundesland Schleswig-Holstein den Urlaubstourismus auf Null gefahren hat, trifft es jetzt offenbar auch die Menschen mit offiziellem Zweitwohnsitz an der Nordseeküste. Sie erhielten in den vergangenen Tagen eine Art Ausweisung aus ihren Wohnungen oder Häusern. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat am Sonntag (22.03.) in mehreren Eilverfahren entschieden, dass die Untersagung der Nutzung von Nebenwohnungen der Kreise Ostholstein und Nordfriesland sofort vollziehbar ist. Das gelte auch für die sich daraus ergebende unverzügliche Rückreiseverpflichtung für die vor Ort präsenten „auswärtigen Personen“. Zum Kreis Nordfriesland gehören beispielweise die deutschen Nordseeinseln oder St. Peter Ording. Außerdem wurde in weiteren Fällen ein Anreiseverbot verhängt, welches vom Verwaltungsgericht und nun auch dem Oberverwaltungsgericht am Donnerstag (02.04.) bestätigt worden sind.

Damit zunächst zu den Ausreise-Anordnungen: Die Antragsteller in den fünf erstsinstanzlichen Verfahren, die mit ihrem Erstwohnsitz außerhalb Schleswig-Holsteins gemeldet sind, halten sich laut Verwaltungsgericht derzeit in ihren Nebenwohnungen in den Kreisen Ostholstein beziehungsweise Nordfriesland auf. Mit sofort vollziehbaren Allgemeinverfügungen vom 20.03.2020 (Freitag) untersagten diese Kreise diese Art der Nutzung Bewohnern wie den Antragstellern, und zwar als Schutzmaßnahme im Zusammenhang mit der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus nach dem Infektionsschutzgesetz. Außerdem wurden die Betroffenen aufgefordert, ihre (gekauften oder gemieteten) Häuser oder Wohnungen zu verlassen. Dazu hatten sie offenbar drei Tage Zeit bis zum Ablauf des Sonntags.

Aus Sicht des Verwaltungsgerichts war dies nicht zu beanstanden. Begründung: Soweit die Antragsteller durch die ergangenen Allgemeinverfügungen aufgefordert werden, den Ort der Nebenwohnung zu verlassen, habe das Verwaltungsgericht in den Entscheidungsgründen weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die offensichtliche Rechtswidrigkeit der Verfügungen festgestellt. Wegen der Eilbedürftigkeit habe das Verwaltungsgericht Schleswig die Entscheidung auf eine weitergehende Interessenabwägung gestützt.

Dabei hat das Verwaltungsgericht der im öffentlichen Interesse stehenden Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der medizinischen, insbesondere krankenhausärztlicher (Intensiv)Versorgung für die Bevölkerung ein überragendes Gewicht beigemessen. Das private Interesse der Antragsteller, in der Nebenwohnung zu verbleiben, überwiege das überragende öffentliche Interesse nicht. Insbesondere seien von den Antragstellern keine individuellen Umstände vorgetragen worden, die eine Nutzung ihrer Hauptwohnung im Einzelfall als unzumutbar erscheinen ließe (Az.:1 B 10/20, 1 B 11/20, 1 B 12/20, 1 B 13/20, 1 B 14/20). So weit die Entscheidungen vom 22. März (Sonntag).

Vier von ihnen betreffen offenbar den Kreis Nordfriesland. Das ergibt sich aus einer Presserklärung des Kreises vom Sonntag (22.3.) mit der Überschrift: „Untersagte Nutzung von Zweitwohnungen: Ab Montag wird kontrolliert“. Darin ist zu lesen, dass die Polizei verstärkt Autos mit einem anderen Kennzeichen als NF für Nordfriesland kontrolliere. Und weiter: Das vom Kreis Nordfriesland erlassene Verbot der Nutzung von Zweitwohnungen werde nach den Rückmeldungen aus der Fläche größtenteils eingehalten. Es gebe jedoch auch Hinweise auf Ausnahme. Aber: „Am Sonntag um Mitternacht müssen die letzten abgereist sein.“ Und ab Montag werde kontrolliert. Dazu heißt es in einer Presseerklärung vom Montag (23.3.) unter dem Titel „Neue Regelung für Zweitwohnungsbesitzer in Nordfriesland“. Entsprechende Kontrollen der Ordnungsämter am Montag hätten ergeben, dass „zahlreiche Zweitwohnungsbesitzer in den letzten Tagen bereits abgereist sind. Mittlerweile dürften nur noch wenige hier sein“. Ab dem Folgetag (24. März, Dienstag) gelte nun eine neue Regelung. Danach seien diejenigen, die sich an diesem Tag noch in ihren Wohnungen aufhalten, „nicht mehr zur baldigen Rückkehr an ihren Erstwohnsitz verpflichtet.“ Diese neue Regelung sei ein „vertretbarer Kompromiss zwischen den Interessen der Betroffenen und denen der Wohnbevölkerung“. Im Übrigen bleibe die Anreise zur Nutzung einer Zweitwohnung in Schleswig-Holstein zur touristischen Nutzung untersagt.

Dieses Anreise-Verbot wurde von Betroffenen, die ihre Zweitwohnung in St. Peter-Ording aufsuchen wollten, in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht angefochten. Aber ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat am Donnerstag (26.3.) im vorläufigen Rechtsschutzverfahren bestätigt, dass (auch) die Untersagung der Anreise in den Kreis Nordfriesland zur Nutzung einer dort gelegenen Nebenwohnung sofort vollziehbar ist. Begründung: Im Hinblick auf die seitens der Antragsteller gerügten verfassungsmäßigen Bedenken hat die zuständige Kammer eine „Anwendbarkeit der Rechtsgrundlage vor dem Hintergrund der Eindämmung der Corona-Pandemie für zumutbar und hinnehmbar erachtet. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei dies jedenfalls dann der Fall, wenn anderenfalls ein Zustand zu befürchten sei, der von der verfassungsrechtlichen Ordnung noch weiter entfernt sei, als die bisherige Lage. Es gelte, die staatliche Daseinsvorsorge speziell in ländlichen Bereichen Schleswig-Holsteins wie Nordfriesland zu sichern. ..... Dabei haben die Richter der im öffentlichen Interesse stehenden Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der Bevölkerung und der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der medizinischen, insbesondere krankenhausärztlicher (Intensiv-) Versorgung für die ansässige Bevölkerung, ein überragendes Gewicht beigemessen.“ Das Interesse der Antragsteller, das sich darauf beschränke, die Nebenwohnung uneingeschränkt nutzen zu dürfen, müsse dahinter zurückstehen (Az.: 1 B 30/20).

Das Oberverwaltungsgericht von Schleswig-Holstein hat nun (Donnerstag, 02.03.) in zwei Fällen das „Anreiseverbot auswärtiger Zweitwohnungsbesitzer bestätigt“. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen: „Nach dem Infektionsschutzgesetz des Bundes sei der Kreis gehalten, der Verbreitung des Virus entgegenzuwirken und die jeweils erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Beanstandungsfrei berufe sich der Kreis darauf, dass das Virus vermutlich gerade durch auswärtige Personen verbreitet werde, die erst im Skiurlaub gewesen seien und danach in ihre Ferienwohnung reisten. Auf diese Weise kämen Personen miteinander in Kontakt, die sonst keinen Kontakt hätten. Allein im Kreis Nordfriesland gebe es mehrere Tausend Ferienwohnungen. Der Senat habe deshalb keinen Zweifel, dass die untersagte Anreise ein verhältnismäßiges Mittel darstelle, um die Ausbreitung des neuartigen Virus einzudämmen und die medizinischen Versorgungskapazitäten im Kreisgebiet vor Überlastung zu schützen.“ (Az.: 3 MB 8 /29).

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