AfD-Politiker als „Halunke“ und „Gauner“ tituliert – Darf man das?

Karlsruhe · Wie weit reicht die Meinungsfreiheit? Diese Frage stellt sich nicht nur im politischen Diskurs zu Religionskritik oder „Pegida“. Sie stellt sich auch im alltäglichen, politischen Umgang miteinander.

 Symbolfoto.  Location: Regensburg

Symbolfoto. Location: Regensburg

Foto: Armin Weigel (dpa)

Während europaweit über die Grenzen der Meinungsfreiheit diskutiert wird, hat das Oberlandesgericht Karlsruhe klar Flagge für die streitbare Demokratie gezeigt. Es hat den Antrag des baden-württembergischen Landesvorsitzenden der AfD, Bernd Kölmel, gegen ein früheres Parteimitglied auf Unterlassung kritischer Äußerungen per E-mail abgelehnt.

Dabei stellten die Oberrichter klar: "Im Rahmen des politischen Meinungskampfes kann auch die Bezeichnung des Gegners als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke oder Gauner zulässig sein." Allerdings nur, "sofern es sich bei diesen Äußerungen ihrem Sinn und systematischen Kontext nach um eine bewertende Stellungnahme zu einer die Öffentlichkeit beziehungsweise eine politische Partei interessierende Frage handelt."

Damit zu den Einzelheiten des Falles: Der nun unterlegene Kläger ist Europaabgeordneter, Landesvorsitzender und Gründungsmitglied der Partei Alternative für Deutschland (AfD). Er hatte sich in dem einstweiligen Verfügungsverfahren dagegen gewehrt, dass der Beklagte ihn in einem an Parteimitglieder der AfD adressierten E-Mailschreiben als Betrüger, Rechtsbrecher, Halunke, Lügner und Gauner bezeichnet hat. Der Schreiber war früher selbst AfD-Mitglied. Nachdem es 2013 zu einem Parteiausschlussverfahren kam, war er freiwillig aus der Partei ausgetreten.

In der ersten Instanz hatte das Landgericht Baden-Baden ihm die beanstandeten Äußerungen untersagt (Az.: 4 O 128/14). Es stufte die Äußerungen in dem Brief als verbotene Schmähkritik ein. Dagegen wehrte sich der Briefschreiber mit seiner nun erfolgreichen Berufung. Der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe folgte nicht der Auffassung des Landgerichts, wonach es sich im konkreten Fall um Schmähkritik handele, die ohne weitere Abwägung der betroffenen Interessen unzulässig sei. Denn eine solche Schmähung liege bei einer die Öffentlichkeit interessierenden Frage nur ausnahmsweise vor und sei eher auf die Privatfehde beschränkt, so die Oberrichter. Wesentliches Merkmal der Schmähung sei dabei eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung.

Davon könne im konkreten Fall keine Rede sein, so das Oberlandesgericht. Die angegriffenen Äußerungen dürften nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr müssten - entgegen der Auffassung des Landgerichts - auch die in der E-Mail gesetzten Links berücksichtigt werden. Dort beanstande der Beklagte den Ablauf der Wahl des Klägers auf den 3. Listenplatz der AfD bei der Europawahl sowie die Durchführung des Gründungsparteitags als fehlerhaft. Bei den Äußerungen des Beklagten handele es sich daher ihrem Sinn und systematischen Zusammenhang nach um die kritisierten parteiinternen Vorgänge zusammenfassende, bewertende Stellungnahmen. Bei der gebotenen Abwägung spreche eine Vermutung für die Zulässigkeit der beanstandeten Äußerungen, da sonst die Meinungsfreiheit, die Voraussetzung für einen freien und offenen politischen Prozess sei, in ihrem Kern betroffen wäre, so die Karlsruher Richter (Az.: 6 U 156/14). red/wi

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