Wuchtbrumme nicht nur für Weltreisende

Hochgurgl · Die BMW R 1200 GS Adventure ist nichts für kleine oder zart besaitete Motorradfahrer. Sie wiegt 269 Kilogramm und bietet 91 Zentimeter Sitzhöhe. Doch was macht den speziellen Reiz dieser Wuchtbrumme aus?

 Mit der Adventure-Version der BMW R 1200 ist man für Fernreisen bestens gerüstet. Foto: BMW

Mit der Adventure-Version der BMW R 1200 ist man für Fernreisen bestens gerüstet. Foto: BMW

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Regelrecht gigantisch steht eines der beliebtesten Abenteuer-Motorräder überhaupt auf dem Hauptständer, die BMW R 1200 GS Adventure. Wer das 269 Kilogramm schwere Ungetüm in diese Position hochgewuchtet hat, kann stolz drauf sein. Mit bis zu 91 Zentimeter Sitzhöhe ist sie nichts für Kleingewachsene, und mit ihrem Gewicht sowie der Eignung zum großen Motorradabenteuer wahrlich nichts für Zärtlinge. Außerdem kostet sie stolze 16 500 Euro und ist somit schon gar nichts für Sparfüchse. Trotzdem gilt sie als wahrer Bestseller.

Der Faszination GS Adventure gingen wir im österreichischen Ötztal und am berühmten Alpenpass Timmelsjoch auf den Grund. Das Basismodell BMW R 1200 GS - das Kürzel steht seit 1980 für "Gelände und Straße" - ist in Deutschland und vielen Ländern weltweit seit Jahren das beliebteste Motorrad überhaupt. Noch etwas härter im Nehmen als dieses vielseitige SUV auf zwei Rädern ist die GS Adventure. Wie der Namenszusatz erahnen lässt, bietet das Extrem-Bike etwas mehr Federweg, einen riesigen Benzintank, der 30 Liter fasst, zehn Liter mehr als bei der GS, und umfangreiches Zubehör.

All das erhöht nochmals die Eignung für Fernreiseabenteuer gen Horizont. Schier unglaubliche 545 Kilometer weit kommt man mit einer Tankfüllung. Bei unseren Testfahrten erhöhte sich dieser Fabelwert kurzzeitig sogar auf 578 Kilometer beim gemütlichen Dahingleiten. Auf Dauer betrug der Praxisverbrauch 5,7 Liter auf 100 Kilometer.

Herzstück der Abenteurerin ist der luft- und wassergekühlte Boxermotor mit 125 PS/92 kW Leistung. Das maximale Drehmoment von 125 Nm liegt zwar erst bei 6500 U/min an, aber knapp über 2000 U/min sind es bereits enorme 100 Nm. Seinen mächtigen Durchzug hat der bullige Zweizylinder trotz Euro-4-Eignung behalten, ebenso wie den knackigen Sound des Boxermotors. Der zieht kultiviert und kräftig aus dem tiefsten Drehzahlkeller bis hinauf an den roten Bereich knapp über 9000 U/min. Das macht besonders in den 25 Kehren am Timmelsjoch zwischen dem österreichischen Ötztal und dem italienischen Passaiertal enorm Spaß. Mit mächtigem Gebrüll und enormer Schubkraft drückt das 1,2-Liter-Kraftpaket die Adventure aus jeder noch so engen und steilen Serpentine heraus in Richtung Gipfel in 2509 Metern Höhe.

Damit selbst auf langen Abenteuer-Trips wenig passiert, haben die GS-Modelle von BMW inzwischen optional Kurven-ABS - wie auch die direkte österreichische Rivalin KTM 1290 Super Adventure. Ab Werk und ohne Aufpreis sind hilfreiche Systeme an Bord: ABS, automatische Stabilitätskontrolle (ASC) und zwei Fahrmodi (Road und Rain), mit deren Hilfe man die schwere Adventure-Fuhre etwa auf rutschigen Untergrund einstellen kann. Wer in die Vollen gehen will, kann das dynamische Fahrwerk ESA dazuordern, einen Schaltassistenten oder auch Keyless Ride. Der Schlüssel muss dann nur in der Jackentasche stecken, um Lenkschloss und Tankdeckel ent- oder verriegeln zu können.

Die serienmäßigen Fahrmodi der BMW R 1200 GS Adventure lassen sich mit "Dynamic" sowie "Enduro " und "Enduro Pro" erweitern. Dadurch kann man die Abstimmung von ASC, ABS und dem semiaktiven Fahrwerk "Dynamic ESA" besonders gut auf Offroad-Einsätze einstellen. Hier wirkt allerdings die Wucht und vor allem das Gewicht des GS-Giganten limitierend. Mit einer immerhin 22 Kilogramm leichteren Honda Africa Twin CRF 1000L samt größerem 21-Zoll-Vorderrad sind Offroad-Fans unter den Weltenbummlern wohl noch besser bedient.

Schierer Wahnsinn ist die Sitzhöhe der BMW . Die serienmäßigen 89 oder 91 Zentimeter sind über einen raffinierten Mechanismus im Handumdrehen verstellbar. Trotzdem müssen sich sogar Zwei-Meter-Männer ganz schön strecken, um das rechte Bein beim Aufsteigen über die extrem hohe Sitzbank zu schwingen, vom Wuchten der samt Gepäck bis zu 480 Kilogramm schweren Adventure auf den Hauptständer mal ganz zu schweigen.

Normal große Menschen unter 1,90 Meter rollen selbst mit extra niedriger Sitzbank noch in 84 Zentimeter Höhe dahin. Allerdings sind's bei der Konkurrenz von KTM sogar 86 Zentimeter Minimum, bei der Honda 85 Zentimeter.

Kritik üben muss man an den insgesamt sehr praktischen Alukoffern, deren Öffnungen aber scharfkantig sind. Und das laut hörbare "Klack" beim Einlegen des ersten Gangs bekommen die BMW-Entwickler einfach nicht weg. Dennoch bereitet die durchzugsstarke und erstaunlich wendige GS Adventure gerade in einem Kurvenmekka wie am Timmelsjoch derart viel Fahrspaß, dass man die 16 500 Euro Grundpreis sowie die stolzen Aufpreise fürs meist sehr sinnvolle Zubehör gerne in Kauf nimmt - falls man kann. Und welche Wuchtbrumme beschleunigt schon in nur 3,75 Sekunden auf 100 km/h?

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Auf einen Blick BMW R 1200 GS Adventure: Preis: 16 500 Euro, Sitzhöhe: 890/910 mm (mit Zubehör 840 mm), Leergewicht: 269 kg fahrfertig, Tankinhalt: 30 Liter, Motor: Zweizylinder-Viertakt-Boxer, Hubraum: 1170 ccm, Leistung: 125 PS/92 kW bei 7750 U/min, Drehmoment: 125 Nm bei 6500 U/min, Spitze: über 200 km/h, 0 auf 100 km/h: 3,75 Sekunden, Testverbrauch: 5,7 Liter Super. rs

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