Unwiderstehlich für Sterngucker

Stuttgart · Das Stuttgarter Museum, das derzeit zehnjähriges Bestehen feiert, ist nur ein Teil der Traditionspflege von Mercedes-Benz. Die klassischen Automobile werden auch auf die Straße geschickt, und das Firmenarchiv ist per Internet zugänglich.

 Mercedes-Benz zeigt im Stuttgarter Museum 161 Fahrzeuge aus allen Generationen. Fotos: Daimler

Mercedes-Benz zeigt im Stuttgarter Museum 161 Fahrzeuge aus allen Generationen. Fotos: Daimler

Tradition kann man nicht kaufen, man muss sie besitzen und pflegen. Denn wer einen Wagen mit Mercedes-Stern kauft, um die traditionsreichste Marke zu nennen, erwirbt immer ein Stück Geschichte und lässt sich das gern etwas kosten. Namentlich die fernöstlichen Hersteller, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg die automobile Bühne betraten, schauten nicht ohne Neid nach Europa.

Angeblich versuchte gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts der japanische Hersteller Toyota , dem Fiat-Konzern die Marke Lancia abzukaufen. Die Italiener winkten ab, und die Japaner stampften mit Lexus ein eigenes Luxus-Label aus dem Boden. Es ist bis heute glanzlos, weil ihm der historische Mythos fehlt.

Den Wert einer großen Vergangenheit haben sie in Untertürkheim schon früh erkannt und in den 1920er Jahren mit einer Fahrzeugsammlung begonnen, die 1936 erstmals in einer ehemaligen Werkhalle der Öffentlichkeit zugänglich gemacht haben. An Selbstbewusstsein fehlte es den Daimler-Leuten nicht, als sie die Einweihung eines Neubaus im Jahre 1961 mit ihrem Firmenjubiläum verknüpften - unter dem Motto "75 Jahre Motorisierung des Verkehrs".

Zu den Schaustücken zählen mittlerweile nicht nur Fahrzeuge aus der Pionierzeit des Automobils und traumhafte Karosserien aus den 1930er Jahren. Mit den Erfolgen der Silberpfeile in den Fünfzigern wurden auch Renner mit und ohne Flügeltüren zu Schauobjekten und zogen begeisterte Sternfahrer aus aller Herren Länder an.

Die Ausstellung, die zum Jubiläum "100 Jahre Auto " grundlegend überarbeitet wurde, hatte einen Nachteil. Sie wurde in einem Bau mitten auf dem Werksgelände in Untertürkheim präsentiert, was die Zugänglichkeit generell und die Sicherheit im Besonderen erschwerte. So kam es denn zum 150 Millionen Euro teuren Neubau, der seit nunmehr zehn Jahren das Zentrum der Traditionspflege bildet.

Aber ein Automobil ist, wie schon der Name sagt, kein Stehzeug, sondern ein Fahrzeug. Die musealen Schätze werden fahrbereit gehalten und bei passenden Gelegenheiten auf die Straße geschickt. Eine Sonderstellung nimmt dabei der Nachbau des Benz-Patent-Motorwagens ein. Das erste Automobil der Welt ist nicht nur eines von 161 gezeigten Fahrzeugen der ständigen Ausstellung, es darf auch zu bestimmten Anlässen unter allgemeiner Anteilnahme des Publikums Runden ums Museum drehen.

Die berühmteste Oldtimer-Rallye ist zweifellos die Mille Miglia Storico alljährlich im Mai. Auf dieser Runde von Brescia nach Rom und zurück hatte Mercedes bei dem einstigen Straßenrennen die Siegesserien der italienischen Marken Alfa Romeo und Ferrari zweimal durchbrechen können: 1931 mit Rudolf Carraciola auf dem SSKL und 1955 mit Stirling Moss mit dem 300 SLR. Die Italiener haben ein gutes Autogedächtnis. Immer, wenn einer der verbliebenen SLR an der Mille teilnimmt, kennt die Begeisterung am Straßenrand keine Grenzen. Aber auch den weniger seltenen 300er-Flügeltürern wird zugejubelt. Weitere Gelegenheiten zu Ausfahrten sind die Silvretta Classic in den Alpen im Juli, die Sachsen-Klassik und die Hamburg-Berlin-Klassik im August sowie die Rallye Creme 21 im September.

Fachmännisch vorbereitet werden die rollenden Recken in Fellbach. Das frühere Classic Center heißt jetzt Mercedes-Benz Classic Service und Teile. Hier werkelt ein halbes Hundert hochspezialisierter Fachleute nicht nur an den hauseigenen Wagen. Sie erledigen zudem Auftragsarbeiten, liefern Ersatzteile und haben im vergangenen Jahr einen Umsatz von 118 Millionen Euro erwirtschaftet.

Das wahre Gedächtnis eines Unternehmens ist sein Archiv. Obwohl in Deutschland während des Zweiten Weltkriegs durch die anglo-amerikanischen Bombenangriffe vieles vernichtet wurde, sind die Schätze des Unternehmensarchivs in Stuttgart-Untertürkheim reichlich. Es gibt nicht nur schriftliche Zeugnisse über die Firmengründer Gottfried Daimler und Carl Benz , sondern auch fortlaufende Protokolle über Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen.

Ebenso werden Pressemappen über Automobile und technische Neuerungen aufbewahrt, dazu Anzeigen und Plakate - und das alles seit 1885. Dazu kommen drei Millionen Fotos sowie Filme und Tonaufnahmen. Eine Fachbibliothek, die laufend ergänzt wird, umfasst 10 000 Bände. Wer darin stöbern will, muss persönlich vorsprechen. Vieles andere kann vom heimischen Computer aus in Augenschein genommen werden. Daimler entschloss sich, das um die Jahrtausendwende angelegte elektronische Archiv für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Seit Februar vergangenen Jahres ist das Portal weltweit für alle Interessierten einzusehen.

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 Das Mercedes-Museum auf dem Gelände des Werkes Untertürkheim hat 17 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

Das Mercedes-Museum auf dem Gelände des Werkes Untertürkheim hat 17 000 Quadratmeter Ausstellungsfläche.

publicarchive.com

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