Nässe verdoppelt den Bremsweg

Saarbrücken · Die meisten Fahrer unterschätzen die Gefahr auf nassen Straßen. Diese verlängern den Bremsweg erheblich, aber kaum einer reduziert sein Tempo. Winterreifen mit ihren tiefen und breiten Rillen bieten große Sicherheit gegen Aquaplaning.

 Nässe halbiert die Haftung, doch zunächst spürt man keine Unterschiede im Fahrverhalten. Foto: Tüv Süd

Nässe halbiert die Haftung, doch zunächst spürt man keine Unterschiede im Fahrverhalten. Foto: Tüv Süd

Foto: Tüv Süd

Schnee signalisiert Rutschgefahr schon von Weitem. Jeder weiß, dass er glatt ist und bewegt sich entsprechend vorsichtig. Schnee aber ist die Ausnahme, der Winter ist bei uns vor allem eine Regenzeit. Nässe stimmt den Fahrer jedoch sorglos. Sie kommt immer wieder vor, sie bedeutet offenbar keine Gefahr. Bis es plötzlich doch eng wird. Nasse Straßen sind rutschig, manchmal sogar regelrecht glitschig.

Man braucht nicht einmal an das berüchtigte Herbstlaub zu denken oder an Kopfsteinpflaster, das für modern-nostalgische Stadtbilder zunehmend wieder entdeckt wird, oder an ganz frischen Asphalt und an Straßenbahnschienen. Bei Nässe wird dies alles so glatt wie Eis. Aber das hat ein routinierter Fahrer sozusagen im Blut. Er ist vorsichtig auch ohne Warnschild.

Allerdings hat selbst die ganz normale Straße bei Regen und durchaus mäßigem Tempo, wenn das berüchtigte Aquaplaning noch keine Rolle spielt, ihre Tücken. Nässe senkt den sogenannten Reibbeiwert. Von ihm hängen die Kräfte ab, die von den Reifen übertragen werden können. Rund gerechnet halbieren sie sich. Die Reifen können bei Regen nur halb so hohe Kräfte übertragen wie bei Trockenheit. Schon als Fußgänger rutscht man auf Nässe leichter aus.

Das Tückische dabei ist, dass der Fahrer von diesem herabgesetzten Reibwert zunächst nichts merkt. Denn die trockene Straße bietet ein so hohes Kräfte-Potenzial, dass keiner dies mit kreischenden Reifen ausnutzt. Selbst auf nasser Fahrbahn werden die Möglichkeiten in aller Regel nicht ausgenutzt. Der Wagen lässt bei Nässe zunächst keine Unterschiede im Fahrverhalten spüren. Da Nässe die Haftung halbiert, sind die Reserven aber viel kleiner. Die Gefahr, über die physikalischen Grenzen hinaus zu kommen, ist entsprechend größer. Wenn eine Vollbremsung auf trockener Straße noch geradeso glückt, reicht es auf Nässe nicht mehr.

Da bei Nässe die Reifen nicht kreischen, ahnt der Fahrer gar nicht, wie nahe er dem Grenzbereich ist. Und erschrickt, wenn der Bremsweg plötzlich viel länger wird als gewohnt. ABS sorgt dafür, dass die Räder nicht blockieren, dass der Wagen weiter der Lenkung folgt. Die Bremswege aber bleiben länger. Gegen Schleudern gibt es das elektronische Stabilitätsprogramm ESP. Es ist durchaus in der Lage, einen Wagen, der zu schleudern beginnt, auf den rechten Weg zurückzuführen, freilich nur im Rahmen der physikalischen Möglichkeiten - solange es der Fahrer nicht zu toll treibt.

Und so bleibt wie früher nur ein wirklicher Schutz: Vorsicht. Respekt vor Regen ist vor allem in unübersichtlichen Situationen angebracht, vor Kurven, denen man nicht ansieht, wie eng sie sind, an Gefahrenpunkten, die einen rasch zum Bremsen zwingen können. Das sind insbesondere Schulen, Altersheime, Fußgänger-Überwege, natürlich auch haltende Straßenbahnen und Omnibusse. Zur Vorsicht bei Nässe gehört auch ein betont großer Sicherheitsabstand.

Je höher die Geschwindigkeit bei Regen , desto schlechter wird die Haftung der Reifen. Bei Aquaplaning sinkt sie auf null. Das Wasser steht so hoch, dass es unter den Reifen nicht mehr abgeleitet werden kann. Die Räder heben ab, man kann nicht mehr bremsen und nicht mehr lenken.

Solche Wasserglätte setzt um so früher ein, je tiefer die Pfütze ist und je schlechter die Reifen das Wasser unter sich ableiten können, also je breiter sie sind und je weniger Profil sie haben. Bei abgefahrenen Breitreifen können schon 60 km/h zum Aufschwimmen genügen.

M+S-Reifen (Winterreifen ) mit ihren breiten und tiefen Profilrillen bieten große Sicherheit gegen Aquaplaning. Die heutigen Silica-Gummimischungen zeichnen sich dazu durch besonders guten Griff gerade auf kalter Nässe aus. Wobei freilich wieder zwei Einschränkungen gelten: Das Profil muss genügend Tiefe haben, mehr als vier Millimeter werden empfohlen. Das gesetzlich vorgeschriebene Mindestprofil liegt bei Sommer- und Winterreifen in Deutschland bei nur 1,6 Millimeter. Und die Reifen sollten zumindest nicht älter als zehn Jahre sein. Denn Gummi wird im Lauf der Zeit hart. Je härter das Gummi, desto schlechter haftet der Reifen auf Nässe, selbst wenn die Profiltiefe noch ausreicht.

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