Elektromobilität Völlig lautlos bis zu 400 Kilometer weit

Oslo · Mercedes-Benz hat den Elektroantrieb in der B-Klasse und im Transporter Vito schon getestet. Jetzt wurde das in Serie produzierte Elektroauto EQC 400 erstmals vorgestellt.

 Der EQC ist das erste eigens entwickelte Elektroauto, das Mercedes-Benz ab Oktober in Serie verkaufen wird.

Der EQC ist das erste eigens entwickelte Elektroauto, das Mercedes-Benz ab Oktober in Serie verkaufen wird.

Foto: Daimler

Norwegen gilt derzeit als das Mekka der Elektromobilität. Von den fünf Millionen Einwohnern lebt etwa ein Drittel in der Hauptstadt Oslo oder rundum. Mit Strom betriebene Autos finden hier mehr Zustimmung als in jedem anderen europäischen Land. Im vergangenen Jahr betrug ihr Anteil an den Neuzulassungen 30 Prozent.

Die norwegische Elektrizität wird zu fast 100 Prozent aus Wasserkraft gewonnen, ist also sauber und zudem billig. Wenn hier mit null Ausstoß an giftigen Abgasen geworben wird, so ist das keine Mogelpackung wie in Deutschland. Denn bei uns wird die Luftverschmutzung vom Auspuff der Verbrennungsmotoren an die Standorte der Kraftwerke verlagert, die Kohle, Öl oder Gas verbrennen, um Strom für Elektroautos zu erzeugen.

Um diese ideale Ausgangslage für Elektroautos in Norwegen zu demonstrieren, hat sich nach Nissan und Hyundai nun auch Mercedes-Benz das Land der Fjorde ausgesucht, um sein neues Elektroauto vorzustellen. Es heißt EQC 400. EQ ist die neue Daimler-Untermarke für Elektroautos, C kennzeichnet die Zugehörigkeit zur C-Klasse, und 400 steht für die angepeilte Reichweite in Kilometern.

Womit wir bei einem entscheidenden Punkt der Elektromobilität sind. Zu Beginn unserer Testfahrt wurden 256 Kilometer Reichweite der nicht vollen Batterie angezeigt. Als wir 50 Kilometer gefahren waren, hatte sich dieser Wert um 52 Kilometer vermindert. Allerdings entsprach die vorgeschlagene Teststrecke nicht den deutschen Verkehrsregelungen, da auf Landstraßen über weite Strecken Tempo 60 vorgegeben war. Auf Autobahnen liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 100 km/h.

Ein etwas flotter angegangener Anstieg ließ die Reichweite denn auch wie erwartet sichtbar schrumpfen, wobei auf der anderen Seite des Hügels bergab etwas Energie wiedergewonnen werden konnte. Als Ladezeit an einer Wallbox gibt Mercedes 11 Stunden an, an einer Schnellladestation ist die Batterie in 40 Minuten zu 80 Prozent nachgeladen.

Wir fuhren mit der sogenannten Komforteinstellung, die sich so ähnlich wie bei einem Verbrennungsmotor anfühlt, wenn man den Fuß vom Strompedal nimmt. Es gibt aber auch die Möglichkeit, mehr Energie im Schub zurückzugewinnen: Wenn man dann das Fahrpedal zurücknimmt, wirkt das wie eine Motorbremse. Umgekehrt kann man zum Zwecke der Energieeinsparung den Freilauf betonen und das Auto so oft wie möglich rollen lassen. Die Techniker verwenden für diesen Fahrzustand den Begriff Segeln.

Wir waren an einem kühlen Tag mit etwas über 10 Grad Celsius unterwegs. Bekanntlich wirkt sich die Außentemperatur auf den Energiegehalt eines Akkus aus: In der kalten Jahreszeit kommt man mit einer Ladung nicht ganz so weit wie im Sommer. Im Großen und Ganzen kann man sagen, dass die Vorhersage der noch zu bewältigenden Strecke korrekt war.

Der angegebene Normverbrauch von rund 20 Kilowattstunden auf 100 Kilometer traf jedoch weniger zu. Hier meldete die Anzeige an der Armaturentafel durchgehend fünf Kilowattstunden mehr. Das ist so erstaunlich nicht angesichts der Tatsache, dass man in einem Fahrzeug mit einem Leergewicht von 2,5 Tonnen und je nach Ausstattung auch mehr unterwegs ist.

Davon gehen 652 Kilogramm auf das Konto der Batterie, die sich im gesamten Wagenboden erstreckt und in allen Richtungen mit großem Aufwand aufprallsicher geschützt ist. Denn nichts fürchten die Ingenieure, die mit der Konstruktion von Elektroautos befasst sind, mehr als einen Brand. Löschversuche von Stromsystemen im Hochvoltbereich sind lebensgefährlich. Am besten beschränkt sich die Feuerwehr in einem solchen Fall darauf, Menschen und brennbare Gegenstände auf Abstand zu halten.

Der neue Mercedes EQC führt stolz den Schriftzug „4Matic“ am Heck. In der Tat sind gleich zwei Elektromotoren dazu in der Lage, ihn bei Bedarf in einen Allrader zu verwandeln. Das tun sie automatisch und für den Menschen am Steuer unmerklich.

Überhaupt läuft vieles leise ab. Der Geräuschpegel im Inneren des Wagens ist nervenschonend niedrig. Es kann ja nichts wie in einem Auto mit Verbrennungsmotor vibrieren, aber es surrt und brummt auch nichts – mit dem Ergebnis, dass man instinktiv meist schneller unterwegs ist als erlaubt. Bei Verbrennungsmotoren ist die größere Lärmentwicklung ein Hinweis auf höhere Geschwindigkeit. Diese Wahrnehmung entfällt im EQC.

Weil das gewaltige Drehmoment von 780 Newtonmetern von der ersten Umdrehung an abgegeben wird, kann man dieses Auto bei vollem Druck aufs Fahrpedal in 5,1 Sekunden auf Tempo 100 katapultieren. Um Strom zu sparen, ist die Höchstgeschwindigkeit auf 180 km/h begrenzt. Das ist nicht ganz zufällig der Wert, auf den Volvo ab 2020 alle seine Pkw herunterregeln will.

Es ist zu bezweifeln, dass Mercedes mit dem Einstiegspreis von 71 281 Euro viel Gewinn macht. Denn er ist so gewählt, dass er nach Abzug der Umsatzsteuer unter 60 000 Euro liegt und damit die Förderprämie von 4000 Euro möglich wird. Diese Grenze wurde einst festgelegt, damit der Kauf der teuren Tesla-Modelle nicht mit Steuergeldern unterstützt wird.

Mercedes-Benz baut den EQC in Bremen. Dort werden auch die C-Klasse (Limousine, T-Modell, Coupé, Cabriolet), die E-Klasse (Coupé und Cabriolet) sowie die Modelle GLC, GLC Coupé, GLC F-Cell, SL und SLC produziert. Das Elektroauto soll im Oktober zu den Händlern kommen.

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