Gepäck wird zum tödlichen Geschoss

Nürburg · Viele Autofahrer haben nur ein müdes Lächeln für das Thema Ladungssicherung übrig. Schludrig verstautes Transportgut kann aber bei einer Vollbremsung oder einem Unfall verheerende Folgen haben.

 Bei einem Crash-Test des ADAC löste sich diese Dachbox vom Testaufbau. In der Realität wäre sie mit großer Wucht vom Autodach geflogen.

Bei einem Crash-Test des ADAC löste sich diese Dachbox vom Testaufbau. In der Realität wäre sie mit großer Wucht vom Autodach geflogen.

Der Nachwuchs wird flügge und zieht in die erste eigene Wohnung. Gute Freunde haben eine Polstergarnitur günstig erworben und wollen das mehrteilige Schnäppchen ins neue Zuhause transportieren. Oder der Urlaub steht vor der Tür, und der halbe Hausstand soll mit. In vielen Fällen wird entweder das eigene Fahrzeug oder ein gemieteter Kleintransporter bis unters Dach beladen.

"Grundsätzlich herrscht die gleiche Fahrphysik bei Pkws und leichten Nutzfahrzeugen", erklärt Ernst Gaugenrieder. Der Fachmann fügt beim Ladungssicherungskurs, zu dem Nissan in die Eifel eingeladen hat, hinzu: "Mehr Masse, ein höherer Schwerpunkt und schlecht gesicherte Ladung führen in Extremsituationen zu stärkeren Wankbewegungen und einem längeren Bremsweg. Womöglich kommt man sogar schneller von der Straße ab."

Jegliche Ladung müsse man so verstauen und sichern, dass sie selbst bei Vollbremsung oder plötzlicher Ausweichbewegung nicht verrutschen, umfallen, hin- und herrollen oder herabfallen könne, erklärt Gaugenrieder.

Die Kursteilnehmer nicken verständig, auf ihren Gesichtern zeichnet sich jedoch eine gewisse Ratlosigkeit ab, als Gaugenrieder von Antirutsch-Matten, Ratschengurten und Zurrnetzen spricht. Anfänglich wird noch gewitzelt, während Fotos mit ausgelaufenen Farbeimern oder völlig durcheinandergewirbelter Last im Laderaum eines Transporters gezeigt werden. Dies weicht aber blankem Entsetzen, sobald Fahrerhäuser zu sehen sind, die vom nach vorn fliegenden Ladegut durchbohrt oder zerschlagen worden sind. Ein Film, in dem ein Crashversuch mit einer ungesicherten Sprudelkiste zu sehen ist, macht die Gefahr deutlich. Bei einem Frontalaufprall mit Tempo 50 auf ein festes Hindernis fliegt die Kiste nach dem Massenträgheitsgesetz mit unvermindertem Tempo weiter und prallt dem Fahrer mit der Wucht von über einer Tonne Gewicht in den Rücken. In diesem Fall ist sogar das Trenngitter zum Gepäckraum überfordert. Damit die Getränkekiste in einer solchen Situation nicht die Wucht einer unkontrollierbaren Rakete entwickelt, muss sie zusätzlich befestigt sein.

Die Insassen sollten sich stets angurten. Bei einem Crash mit Tempo 50 prallen ungesicherte Hinterbänkler mit dem 30-Fachen ihres Gewichts gegen die Vordersitze. Eine 60 Kilogramm schwere Person erreicht durch die ungeheuere Beschleunigung ein Gewicht von 1,8 Tonnen, ein 100 Kilogramm schwerer Passagier sogar von drei Tonnen.

Eine Kursteilnehmerin berichtete vom Transport des hölzernen Geschirrschranks ihrer Großmutter. Um zu verhindern, dass die Schubladen herauskommen, waren sie mit ein paar Spanngurten gesichert. Zudem war das Möbelstück in mehrere Decken eingewickelt, um den Fahrzeugboden des Lieferwagens zu schützen. Bei einem Unfall wäre der Schrank mit großer Wucht durchs Fahrzeug geflogen. Daher diskutierten die Teilnehmer darüber, dass verschiedene Fahrzeug-Vermieter gar keine entsprechenden Transport-Hilfsmittel anbieten.

 Skier bohren sich in Rückenlehnen, Skistiefel fliegen bis an die Frontscheibe, Sitze sind zerstört und Insassen schwer verletzt. Wenn Wintergepäck nicht richtig gesichert ist, können das die Folgen sein. Fotos: ADAC

Skier bohren sich in Rückenlehnen, Skistiefel fliegen bis an die Frontscheibe, Sitze sind zerstört und Insassen schwer verletzt. Wenn Wintergepäck nicht richtig gesichert ist, können das die Folgen sein. Fotos: ADAC

Ernst Gaugenrieder meinte dazu: "Haben Sie im Mietvertrag das Kleingedruckte genau gelesen? Dort ist zum Beispiel vermerkt, dass Sie für die Ladungssicherung verantwortlich sind, sobald Sie losfahren." Das gelte für den gemieteten Transporter genauso wie für den eigenen Pkw.

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