Ford „Wir bleiben beim Diesel zuversichtlich“

Der Geschäftsführer Marketing und Verkauf gibt Auskunft über die weitere Entwicklung der Ford-Werke.

 Ford-Geschäftsführer Hans-Jörg Klein erklärte im Gespräch mit unserer Zeitung auch die Elektro-Strategie des Konzerns. Bis 2022 sollen 16 reine Elektroautos und 24 Hybride-Modelle verfügbar sein.

Ford-Geschäftsführer Hans-Jörg Klein erklärte im Gespräch mit unserer Zeitung auch die Elektro-Strategie des Konzerns. Bis 2022 sollen 16 reine Elektroautos und 24 Hybride-Modelle verfügbar sein.

Foto: Gundel Jacobi

Vor ein paar Jahren gab es die Devise: 99 Prozent der Menschen kennen Ford, aber die Beliebtheit muss noch wachsen. Wie sieht es mittlerweile damit aus?

Hans-Jörg Klein: Hier sind wir gut vorangekommen, was vor allem daran liegt, dass wir konsequent ein neues Kundenprofil entwickelt haben. Unsere Marke ist nun jünger, weiblicher und digital-affin geworden.

Wie viel Gewinn hat Ford Europa in jüngster Vergangenheit gemacht?

Klein: Bezüglich des Gewinns ging es für Ford in den vergangenen Jahren in Europa immer mal hoch oder mal runter. Bezogen auf das Jahr 2018 ist die Situation schwierig. Große Herausforderungen waren unter anderem ein nicht völlig reibungsloser Anlauf der neuen Ford-Focus-Generation, aktuell macht uns auch der Brexit Sorgen, zumal Großbritannien der wichtigste Ford-Markt in Europa ist, und die aktuelle Schwäche der türkischen Lira.

Wie sieht es mit Sparmaßnahmen aus, wie sie bereits für Amerika angekündigt wurden?

Klein: Wenn man keinen oder kaum Gewinn macht, gibt es zwei konstruktive Möglichkeiten: zum einen die Einnahmen mit dem Verkauf von hochwertigen Fahrzeugen zu erhöhen und zum anderen das Dienstleistungsangebot auszubauen. An beidem wird mit Hochdruck gearbeitet. Basis ist allerdings ein tragfähiges Geschäftsmodell, das eine solide Kostenstruktur ermöglicht. Unser europäischer Transformations-Plan bezieht sich daher auf sämtliche Elemente des Europa-Geschäfts mit besonderem Augenmerk auf eine Verbesserung des Deckungsbeitrags und einer Senkung der strukturellen Kosten. Ebenso beinhaltet er die Neuausrichtung des Modellprogramms und des Geschäftsmodells.

Welche Position hat Ford Deutschland innerhalb der europäischen Länder?

Klein: Deutschland ist der einzige Markt im europäischen Verbund, der im sechsten Jahr in Folge ein Wachstum des Marktanteils und des Volumens verzeichnet: Mit insgesamt 252 323 neu zugelassenen Pkw haben wir im abgelaufenen Jahr in Deutschland ein Zulassungsplus von 2,3 Prozent gegenüber 2017 erzielt. Die Zulassungen aller Hersteller in Deutschland hingegen waren in 2018 um 0,2 Prozent rückläufig. Wir sind somit im zurückliegenden Jahr gegen den Trend in der Automobilindustrie gewachsen. Bezogen auf das Gesamtjahr 2018 beträgt unser Pkw-Marktanteil 7,3 Prozent. Das sind 0,2 Prozentpunkte über dem von 2017.

Trotzdem gibt es keinesfalls nur gute Nachrichten aus den Werken hierzulande.

Klein: Das stimmt leider. Wir haben im Dezember unsere Belegschaft in Saarlouis und Köln darüber informiert, dass die Geschäftsführung der Ford-Werke GmbH offiziell mit der Arbeitnehmervertretung Gespräche mit dem Ziel aufnehmen wird, das Auslaufen und damit das Produktionsende der Modellfamilie C-Max/Grand C-Max im Werk Saarlouis vorzubereiten. In Deutschland und Europa schrumpft das Segment der Kompakt-Vans seit Jahren kontinuierlich, und damit auch die Kundennachfrage nach einer Baureihe wie dem Ford C-Max. Der bereits erwähnte europäische Transformations-Plan sieht vor, nur noch in solche Segmente und Produkte zu investieren, die einen langfristig positiven Ertrag versprechen.

Es ist bekannt geworden, dass in Saarlouis mit einem Stellenabbau von 1600 Mitarbeitern zu rechnen ist, was bereits jetzt vor Ort große Schatten vorauswirft. Wie soll denn so etwas für diese Region sozialverträglich ablaufen können?

Klein: Wir passen unsere Produktion grundsätzlich der Kundennachfrage an. Deshalb geht es bei den Konsultationen mit dem Betriebsrat auch um eine nötige Anpassung der Größe der Belegschaft nach einem Ende der C-Max- und Grand- C-Max-Produktion. Mehr kann ich dazu derzeit nicht sagen.

Wie geht’s denn bei Ford weiter mit dem Verbrennungsmotor?

Klein: Da schauen wir sowohl beim Benzinmotor als auch beim Diesel zuversichtlich in die Zukunft. Traditionell gibt es bei uns einen hohen Benzineranteil. Neuerdings hat unser wiederholt prämierter Ein-Liter-Ecoboost-Benzin-Direkteinspritzer sogar eine Zylinderabschaltung. Auch die Dieselfraktion steht bei uns sauber da und wird vor allem in Baureihen wie Mondeo, S-Max und Galaxy geschätzt. Nur ein Beispiel: Der Dieselanteil beim Mondeo, einer typischen Baureihe für Vielfahrer und Gewerbekunden, beträgt rund drei Viertel.

Man hat den Eindruck, dass es hierzulande in Ihrer Modellpalette noch etwas schleppend läuft in puncto Elektromobilität.

Klein: Ganz und gar nicht! Die Ford Motor Company hat Anfang 2018 angekündigt, bis zum Jahre 2022 über elf Milliarden US-Dollar in die Entwicklung von Elektro- und Hybrid-Fahrzeugen zu investieren. Ziel ist es, bis zum Jahr 2022 vierzig Modelle auf die Märkte weltweit zu bringen: 16 vollelektrische, der Rest sind Hybride. Schon dieses Frühjahr wird der Ford Mondeo Hybrid nicht nur wie bislang als Limousine, sondern auch in der hierzulande sehr beliebten Turnier-Version erhältlich sein. 2020 kommt ein reiner Stromer auf einer dafür eigens entwickelten Plattform auf den Markt. Er wird ein vom Mustang inspiriertes Design haben und mit Sicherheit Emotionen wecken. Obendrein macht ihn eine Reichweite von rund 500 Kilometern für den Alltag nutzbar. Ich verspreche Ihnen: Sein Preis wird durchaus attraktiv sein.

Bei aller Begeisterung für reine Elektrofahrzeuge, ohne entsprechende Ladeinfrastruktur ist ein Stromer nur bedingt attraktiv.

Klein: Das stimmt, aber Ford engagiert sich zum Beispiel im Joint Venture Ionity – zusammen mit BMW, Daimler, VW sowie Audi und Porsche. Dabei geht es um den Aufbau eines sogenannten High-Power-Charging-Netzwerks für Elektrofahrzeuge in Europa. Durch die Kooperation werden bereits mehr als 50 Prozent der bis 2020 geplanten 400 Standorte an den Hauptverkehrsachsen abgedeckt. Mit einer Ladeleistung von bis zu 350 kW kann die Ladezeit stark vermindert werden.

Was gibt es Neues von der Brennstoffzelle?

Klein: Ford hat sich vom Brennstoffzellenauto nicht verabschiedet. Aber einen konkreten Markteinführungstermin kann ich Ihnen nicht nennen.

Näherliegend wären ja noch gasbetriebene Fahrzeuge als Alternative zum klassischen Verbrennungsmotor mit Benzin und Diesel.

Klein: Tatsächlich haben wir gasfähige Motoren und könnten jederzeit solche Erdgas- oder Flüssiggasmodelle anbieten. Dazu müsste es aber eine nennenswerte Nachfrage geben, was im Moment zumindest in Deutschland nicht der Fall ist.

Traditionell ist Ford nicht nur ein Anbieter von Pkw, sondern auch ein starker Nutzfahrzeughersteller.

Klein: Wir sind weiterhin in Europa Marktführer bei den leichten Nutzfahrzeugen. Dabei hilft natürlich eine komplett erneuerte Produktpalette. Ab Mitte des Jahres werden wir den Lieferwagen Transit Custom mit Plug-in-Hybrid-Technologie in Großserie produzieren. Der innovative Lieferwagen ermöglicht im Strombetrieb einen abgasfreien Aktionsradius von bis zu 50 Kilometern, wie geschaffen für den Lieferverkehr in innerstädtischen Umweltzonen. Auf längeren Touren springt der Ford-Ecoboost-Turbobenziner mit 1,0 Liter Hubraum ein. Als sogenannter Range Extender lädt der Dreizylinder die Batterien während der Fahrt wieder auf und vergrößert so die Reichweite des Fahrzeugs auf mehr als 500 Kilometer. In seinem Segment ist der neue Transit Custom PHEV der erste Transporter eines Großserienherstellers mit Plug-in-Hybrid-Antrieb.

Und was ist mit dem Work XL?

Klein: Der Work XL steht dafür, dass Ford als Volumenhersteller auch Kleinserie kann. Ford produziert den elektrisch betriebenen Work XL auf einem Transit-Fahrgestell in Kooperation mit der Streetscooter GmbH, einer Tochter der Deutsche Post DHL Group, im Ford-Werk in Köln. Die jährliche Produktionskapazität beträgt derzeit rund 3500 Fahrzeuge.

Experten sprechen davon, dass möglicherweise im Jahr 2040 mit einer nennenswerten Menge von automatisiert fahrenden Automobilen gerechnet werden kann.

Klein: Einen konkreten Zeitpunkt zu benennen, wäre wie der Blick in die Kristallkugel. Die Automobilindustrie befindet sich auf der fünfstufigen Skala des automatisierten Fahrens momentan auf Stufe zwei. Mehr gibt die Gesetzeslage derzeit auch nicht her. Wir richten unsere Mobilitätsstrategie aber darauf aus, schon lange vorher eine breite Palette von Produkten und Dienstleistungen anzubieten, die alle Ebenen des Verkehrssystems verbessern sollen, angefangen bei Fahrzeugen und der Infrastruktur bis hin zu Konnektivität und digitalen Diensten. Ziel ist es, die Verkehrsbelastung in den Städten zu verringern und den Menschen zu helfen, sich in der Stadt von morgen freier und möglichst emissionsarm zu bewegen.

Haben Sie zur näheren Zukunft ein konkretes Beispiel?

Klein: Wir werden bereits in absehbarer Zeit in der Lage sein, mithilfe von Bewegungsprofilen miteinander vernetzter Fahrzeuge beispielsweise den Personentransport viel flexibler zu organisieren. Wenn man weiß, dass sich ein Fahrzeug mit freier Kapazität in der Nähe eines Menschen befindet, der eine bestimmte Fahrt benötigt, ist das, technisch gesehen, letztlich ein Kinderspiel.

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