Ein Mythos feiert Triumphe

Hinckley · Der britische Motorradhersteller Triumph pflegt mit technisch hochmodernen Klassik-Modellen seinen Marken-Mythos. Die Reihe der prominenten Kunden reicht von Steve McQueen bis David Beckham.

 Unser Autor Ralf Schütze (im Bild) hat die neue Triumph Street Twin bereits getestet. Foto: Triumph

Unser Autor Ralf Schütze (im Bild) hat die neue Triumph Street Twin bereits getestet. Foto: Triumph

Foto: Triumph

Rund 50 Kilometer östlich von Birmingham ist die englische Motorradwelt noch in Ordnung. Hier entstehen die Motorräder von Triumph Motorcycles, gegründet 1902. Die große britische Motorradmarke hat es bis heute geschafft, gegen drückende Konkurrenz aus Asien, USA und Festland-Europa zu bestehen, wenn auch mit einem Dornröschenschlaf zwischen dem Konkurs 1983 und der Wiederbelebung 1990.

Heute behauptet sich Triumph tapfer und erfolgreich mit einem Mix aus Technologie und Nostalgie. "Modern Classics" heißt der jüngste Streich mit fünf neuen Modellen. Erste auf dem Markt ist die Street Twin. Mit ihr konnten wir bereits dem Mythos Triumph auf den Grund gehen.

Steve McQueen , der "King of Cool", sprang nicht nur im Kriegsdrama "Gesprengte Ketten" waghalsig mit einer Triumph TR6 über Stacheldrahtzäune, sondern stillte privat seine Zweirad-Leidenschaft am liebsten mit Bikes der britischen Marke. Heute reitet Ex-Fußballstar David Beckham auf dem Rücken einer Triumph Bonneville durch Brasilien oder feiert auf dem gleichen Modell seinen ersten Auftritt in einem Hollywood-Kurzfilm.

Die Bonneville symbolisiert wie kein anderes Modell den Mythos Triumph. Benannt ist sie nach einem Salzsee im US-Bundesstaat Utah, der durch unzähliche Rekorde berühmt wurde. 1956 stellte Johnny Allen mit atemberaubenden 345 km/h einen inoffiziellen Weltrekord auf. Sein Fahrzeug hieß "Streamliner" und war befeuert von einem 649-ccm-Zweizylinder von Triumph.

Drei Jahre später erfolgte 1959 der Serienstart der Triumph Bonneville mit eben jenem Motor, einem urbritischen Parallel-Twin. Nach der Wiederbelebung der gesamten Marke feierten die liebevoll "Bonnie" genannten Mittelklasse-Bikes 2001 ihre Wiederauferstehung. 2016 ist nun, exakt 60 Jahre nach dem Weltrekord in Utah, das Geburtsjahr einer neuen Bonneville-Baureihe, auch "Modern Classics". Den Start macht im Januar das neue Basismodell Street Twin: 900 ccm, 55 PS/40,5 kW, 172 km/h Spitze, 8900 Euro. Da die beiden Zylinder um 270 Grad versetzt ihre Kraft auf die Kurbelwelle drücken, klingt die kleine Bonnie wie ein V2-Motor. Ihr unregelmäßiges Bollern wirkt noch kerniger, als das gleichmäßige Brabbeln eines klassischen Parallel-Twins.

Mit 18 Prozent mehr Drehmoment als ihre Vorgängerin drückt die neue Street Twin satte 80 Nm Schubkraft aufs Hinterrad. Das sind auch exakt 18 Prozent mehr Druck, als der direkte Konkurrent Ducati Scrambler bietet. Und das bei 36 Prozent weniger Verbrauch, der offiziell nur 3,72 Liter pro 100 Kilometer betragen soll. Unsere Testfahrten in und um Valencia haben dies bestätigt. Trotz meist forscher Drehungen am Gasgriff flossen im Schnitt nur 3,9 Liter auf 100 Kilometer durch die Leitungen. Hochmoderne Technik macht dies ebenso möglich wie die Einhaltung der ab 2016 für Neuzulassungen geltenden Euro-4-Abgasgrenzwerte.

Obwohl die Street Twin wie alle Klassik-Modelle von Triumph in Thailand produziert wird - und nicht im englischen Stammwerk Hinckley - sind Materialauswahl und Verarbeitung vorbildlich. Auch glänzt das Basismodell zum Beispiel mit verstellbarem Kupplungs- und Bremshebel, was in der Mittelklasse nicht selbstverständlich ist.

Die Einstiegs-Bonnie eignet sich deshalb unter anderem für unterschiedlich große Piloten. Kleingewachsene kommen mit 785 Millimetern Sitzhöhe bei schmaler Silhouette gut zurecht. Dennoch genießen auch Riesen eine bequeme und bei Bedarf dynamische Ergonomie. Das wird die neue Triumph Street Twin vermutlich zu einem heißen Kandidaten für Fahrschulen machen. Eine auf die Führerscheinklasse A2 angepasste 48-PS-Version könnte im Laufe von 2016 auf den Markt kommen.

ABS und Traktionskontrolle sind serienmäßig an Bord und abschaltbar. Die Bremsanlage funktioniert hervorragend und bringt die Street Twin aus 100 km/h nach vorbildlichen 36 Metern zum Stehen. Beim Losfahren muss man ein kurzes Kraft-Tal überwinden, ehe sich der Zweizylinder mächtig ins Zeug legt. Schon ab 2000 U/min gibt er sanft und dennoch jederzeit spontan seine Power ab und hängt vorzüglich am elektronischen Ride-by-wire-Gas ohne mechanische Verbindung zwischen Griff und Drosselklappen. Elektronische Wegfahrsperre oder USB-Anschluss sind ebenfalls ab Werk an Bord.

Derart gut funktionierende Hightech in Verbindung mit traditionell britischem Motorrad-Design macht die Triumph Street Twin zu einem attraktiven Modell für junge und junggebliebene Fans klassischer Modelle. Zum individuellen Veredeln halten die Händler über 150 Zubehörteile sowie drei "Inspiration-Kits" bereit, die die Street Twin etwa in einen Scrambler verwandeln. Die Scrambler sind sozusagen die Ahnen der Geländemotorräder.

Zum Thema:

Auf einen BlickTriumph Street TwinPreis: 8900 Euro, Sitzhöhe: 785 mm, Leergewicht: 217 Kilogramm fahrfertig, Tankinhalt: 12 Liter, Motor: Zweizylinder-Viertakt, Hubraum: 900 ccm, Leistung: 55 PS/ 40,5 kW, Drehmoment: 80 Nm bei 3230 U/min, Spitze: 172 km/h, 0 auf 100 km/h: nicht angegeben, Testverbrauch: 3,9 Liter Super.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort