Die sichersten Autos sind nicht sicher genug

Wildhaus · Schon zum 30. Mal hat die Prüforganisation Dekra zum alljährlichen Crahtest nach Wildhaus in der Schweiz eingeladen. Es zeigte sich, dass moderne Fahrzeuge deutlich sicherer sind als Autos aus den 80er Jahren. Doch die bestmögliche Sicherheit ist noch nicht erreicht.

 Eine Panne beim Dekra-Crashtest zeigte, was eine aktive Motorhaube bewirkt, deren hinterer Teil hochschnellt, wenn ein Fußgänger aufschlägt. Bei einem Vortest (links) funktionierte die Haube und bewahrte den Dummy vor einem zu harten Aufschlag. Beim eigentlichen Test (rechts) sprang die Haube nicht hoch. Der Dummy schlug voll auf.

Eine Panne beim Dekra-Crashtest zeigte, was eine aktive Motorhaube bewirkt, deren hinterer Teil hochschnellt, wenn ein Fußgänger aufschlägt. Bei einem Vortest (links) funktionierte die Haube und bewahrte den Dummy vor einem zu harten Aufschlag. Beim eigentlichen Test (rechts) sprang die Haube nicht hoch. Der Dummy schlug voll auf.

 Prallt ein Motorrad gegen ein Auto, drohen dem Motorradfahrer immer schwerste Verletzungen. Denn nichts mindert den Aufprall.

Prallt ein Motorrad gegen ein Auto, drohen dem Motorradfahrer immer schwerste Verletzungen. Denn nichts mindert den Aufprall.

 Bei diesem Crashtest mit zwei Autos aus den 80er-Jahren wurde klar, dass die Insassen des linken Wagens kaum überlebt hätten.

Bei diesem Crashtest mit zwei Autos aus den 80er-Jahren wurde klar, dass die Insassen des linken Wagens kaum überlebt hätten.

 Der gleiche Test mit zwei modernen Pkws : Dank moderner Sicherheitssysteme überleben die Insassen. Fotos: Friedhelm Schwicker/Dekra

Der gleiche Test mit zwei modernen Pkws : Dank moderner Sicherheitssysteme überleben die Insassen. Fotos: Friedhelm Schwicker/Dekra

Jedes Jahr ähnliche Szenen: ein Knall, verbeultes Blech, zersplittertes Glas und durch die Luft fliegende Dummys, die Menschen bei einem Verkehrsunfall darstellen. Zum 30. Mal machten die Dekra-Experten sowie ihr Kooperationspartner Axa-Versicherung mit spektakulären Unfalltests auf Risiken im Straßenverkehr aufmerksam.

Beim ersten Unfallversuch fährt ein Kleinwagen mit 46 km/h in die linke Seite einer Kompaktlimousine. Beide stammen aus den 1980er-Jahren und haben jeweils einen Fahrer-Dummy an Bord. In der Limousine sitzt zudem ein Kind auf dem Rücksitz, angeschnallt, aber ohne Kindersitz. Parallel dazu fährt ein aktueller Kleinwagen in die Seite eines Autos neueren Datums. Neben den beiden Fahrern befindet sich auch hier ein Kind, richtig angeschnallt in seinem Spezialsitz.

Auf den ersten Blick wirken die Schäden am ineinander verkeilten neuen Pkw-Paar viel schlimmer als bei den beiden älteren Fahrzeugen, zwischen denen nach dem Aufprall durch den Rückstoß eine ordentliche Lücke entstanden ist. Entsprechende Messungen zeigen jedoch, dass bei Letzteren durch eine weichere Fahrzeugstruktur, fehlende Seitenairbags, schlechtere oder keine Spezialsitze und die weniger Energie aufnehmende Karosserie vor allem im angestoßenen Auto für dessen Insassen lebensgefährliche Folgen entstanden wären. Auch in den neueren Modellen wäre es für die Insassen zu schweren, wohl aber nicht lebensbedrohlichen Verletzungen gekommen. Bettina Zahnd, die Leiterin der Axa-Unfallforschung, erklärt zum nächsten Test: "Ein fußgängerfreundliches Fahrzeug werden wir nie erleben." Zur Verdeutlichung trifft beim zweiten Crashtest ein Auto mit einer sogenannten aktiven Motorhaube bei Tempo 40 auf einen Dummy-Fußgänger, der die Straße überquert. Er wird im Bereich des Beckens erfasst und mit Oberkörper und Kopf auf die Motorhaube geschleudert. Damit das Blech den Fußgänger möglichst sanft auffängt, sollte sich die Motorhaube im hinteren Teil vor der Windschutzscheibe eigentlich leicht anheben. Dadurch würde der Mensch nicht mit voller Wucht auf die harten Strukturen des meist vollgestopften Motorraums treffen. Doch bei diesem Test hebt sich die Motorhaube überhaupt nicht. Eine mögliche Erklärung: Das Auto wurde schon in einem Vorversuch eingesetzt, bei dem die Haube wie erwartet ein wenig hochschnellte. Offenbar wurde bei der Reparatur der Aktivierungsmechanismus nicht wieder hergestellt. Das jedoch hat zur Folge, dass der Dummy bereits beim Aufschlagen auf die Haube schwere Kopfverletzungen erleidet, weil der Puffer zum Motorblock fehlt.

Im dritten Test fährt ein Motorrad mit Tempo 70 im Kreuzungsbereich in einen Pkw, der ihm die Vorfahrt nimmt. Obwohl der Pkw langsam fährt, wird das Motorrad bei der Kollision abrupt abgebremst. Der Fahrer fliegt vom Motorrad und schlägt auf die Motorhaube des Pkws auf. Es gibt keine schützenden Elemente, die den Aufprall des Motorradfahrers auf den Personenwagen dämpfen könnten, was zu schwersten Verletzungen führt.

Die Crashtests zeigen, dass eine ausgetüftelte Fahrzeugstruktur mit modernen passiven Sicherheitssystemen erheblich dazu beiträgt, die Folgen eines Unfalls zu mildern. Allerdings sind die technischen Möglichkeiten inzwischen nahezu ausgereizt. Künftig muss mehr getan dafür werden, es erst gar nicht zum Crash kommen zu lassen. Dazu tragen Systeme wie Abstands-, Spurwechsel-, Toter-Winkel-, Nachtsicht-, Müdigkeitswarner- oder Notbremsassistenten bei.

Autos, die selbstständig ohne Fahrer fahren können, werden bereits erprobt. Allerdings ist zu erwarten, dass selbst dann die Vision vom unfallfreien Fahren aufgrund von Systemfehlern oder durch menschliche Eingriffe nicht vollständig verwirklicht werden kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort