Automobil Elektroautos bringen neue Risiken für Retter

Dübendorf · Bei der Mobilität der Zukunft soll dem Elektroauto eine wichtige Rolle zufallen. Doch bei Unfällen gehen von diesen Fahrzeugen besondere Gefahren aus. Das hat die Axa-Versicherung jetzt bei drei Crashtests demonstriert.

 Ein Unfall mit einem Elektroauto ist besonders gefährlich. Das Leichtmetall Lithium in der Batterie ist extrem brennbar. Es kann sich noch Stunden später entzünden. Daher gibt es spezielle Container zum Abtransport solcher Unfallwagen.

Ein Unfall mit einem Elektroauto ist besonders gefährlich. Das Leichtmetall Lithium in der Batterie ist extrem brennbar. Es kann sich noch Stunden später entzünden. Daher gibt es spezielle Container zum Abtransport solcher Unfallwagen.

Foto: Axa/Keystone/Melanie Duchene

Auf dem kleinen schweizerischen Flughafen Dübendorf gibt es eine ungewöhnliche Vorführung: Zweimal knallt es, einmal ist der Aufprall nahezu unhörbar. Hier werden bei Crashtests drei Unfälle mit Elektroautos durchgespielt. Die Folgen sind drastisch, denn es ist mit Toten zu rechnen, mindestens aber mit Schwerverletzten.

Die Veranstaltung haben die Unfallforscher der Axa-Versicherung organisiert. Sie leisten damit ihren Beitrag zur aktuellen Diskussion über die Sicherheit von Elektroautos. „Es ist faszinierend, dass Elektroautos sehr schnell und immer gleich stark beschleunigen, unabhängig von der Drehzahl. Diese Tatsache birgt jedoch auch zahlreiche Probleme“, erläutert Bettina Zahnd, Leiterin Unfallforschung & Prävention bei Axa.

Starker Sprint: Welche Folgen die starke Beschleunigung haben kann, stellen die Schweizer Fachleute im ersten Crashversuch dar. Der Fahrer eines Renault Zoe, eines Elektro-Kleinwagens, unterschätzt nach dem Einbiegen auf eine Landstraße seine rasch erlangte Geschwindigkeit und kommt in einer Rechtskurve leicht von seiner Fahrbahnseite ab. Er prallt mit Tempo 68 in einen entgegenkommenden Volvo V70.

Die Frontpartien der Wagen überdecken sich zu 20 Prozent. Der Knall ist ohrenbetäubend, viele Trümmerteile fliegen durch die Luft und bleiben weit verstreut liegen. Über die Überlebenschancen der Fahrers im Zoe kann man nur mutmaßen.

Bis zu diesem Punkt unterscheidet sich die Vorführung nicht von einem Crashtest mit herkömmlich angetriebenen Autos. Doch die Batterie des Elektroautos ist das große Problem. Die Hochvoltanlage schaltet sich bei einem Unfall zwar automatisch aus. Wird der Akku jedoch beschädigt, kann er zu brennen beginnen – und das auch noch bis zu 48 Stunden später. Fatalerweise lässt er sich kaum löschen. Das enthaltene Lithium reagiert extrem auf Sauerstoff und brennt lichterloh. Aus diesem Grund hatte das Axa-Team vorsorglich die Batterie des Renaults ausgebaut und ein Ersatzgewicht eingesetzt, um die Bedingungen beim Crash trotzdem so originalgetreu wie möglich zu halten.

Spektakulär ist auf dem abgesperrten Testgelände das Erscheinen der Berufsfeuerwehr. Nachdem die Insassen-Dummys geborgen worden sind, wird das Elektroauto in einen luftdichten Spezialcontainer geladen und abtransportiert. Die Schweiz hat sechs solche Container. Sollte das darin abgestellte Unfallauto in Brand geraten, kann durch spezielle Löscheinrichtungen und Abzugssysteme Schaden für die Umgebung abgewendet werden.

Feuerwehr-Ausbilder Jan Bauke erklärte, Elektroautos seien zwar nicht prinzipiell gefährlicher als konventionelle Pkw, „aber es kann nun eben mal nicht ausgeschlossen werden, dass das Batteriepaket mit weitreichenden Folgen beschädigt wird“. Die Feuerwehrleute dürfen auch nur mit Spezialhandschuhen am Unfallort arbeiten. Selbst harmlos wirkende, herumliegende Teile des Elektro-Gefährts könnten noch Strom führen.

Geräuschloses Fahren: Der zweite Crashtest veranschaulicht, wie sich der lautlose Motor eines Elektroautos auswirken kann. Der Wagen fährt rückwärts aus einer Parklücke heraus. Eine ältere Frau mit Rollator läuft in diesem Moment hinter dem Auto entlang. Es handelt sich natürlich auch hier um einen Dummy.

Der Anprall erscheint vergleichsweise harmlos, aber die Wucht, mit der die Frau zu Boden fällt, hat es in sich. Vor allem der unkontrollierte Aufschlag des Kopfes aufs Pflaster könnte tödlich enden. Das ist auch bei einem weniger zerbrechlich wirkenden Menschen ein ernsthaftes Problem.

Damit solche Situationen möglichst vermieden werden, müssen seit Juli alle neuen Hybrid- und Elektroautos mit einem akustischen Warnsignal ausgestattet sein, das bei niedrigen Geschwindigkeiten ertönt. Für ältere Modelle gibt es jedoch keine Nachrüstpflicht. „Deshalb empfehlen wir allen E-Auto-Besitzern, ein Geräuschsystem freiwillig einbauen zu lassen“, sagt Bettina Zahnd.

Unzuverlässiger Assistent: Beim dritten Crashversuch steht der vergleichsweise neue Autobahnpilot im Mittelpunkt. Das ist ein Assistenzsystem, das auf der Autobahn die Längs- und Querführung übernehmen kann. Dieser Helfer ist allerdings auch in herkömmlichen Autos zu finden und wird in Zukunft weite Verbreitung finden.

„Ein Autopilot kann den Fahrer unterstützen, man darf sich jedoch in keinem Fall zu sehr auf ihn verlassen. Das kann die eigene Sicherheit und die der anderen gefährden“, erläutert Zahnd.

Auf dem Dübendorfer Testgelände wird der Bereich einer Autobahnverzweigung simuliert. Die Versuchsanordnung sieht vor, dass der Fahrer eines Mitsubishi i-Miev den Autobahnpiloten eingeschaltet hat. Allerdings ist der derzeit im Handel erhältlich i-Miev noch nicht mit einem solchen System ausgestattet. Noch ist es größeren Elektro-Fahrzeugen vorbehalten. Die Unfallforscher wollten bei ihrem Crashtest offenbar kein weitaus teureres Auto zerstören.

Der Fahrer vertraut jedenfalls seinem Autobahnpiloten blind. Das System kommt jedoch an seine Grenzen, es kann offensichtlich nicht einwandfrei entscheiden, ob es den linken oder rechten Spuren folgen muss. Sofort müsste der Fahrer das Steuer übernehmen. Er ist jedoch abgelenkt, reagiert zu spät, und der Wagen prallt frontal mit Tempo 94 auf den Autobahnteiler. Da dieser mit anpralldämpfenden Leitplanken geschützt ist, hätte der Fahrer in diesem Fall schwer verletzt überleben können.

Wäre der Kleinwagen nicht im idealen Winkel auf das Hindernis geknallt, hätte man mit einem seitlichen Schleudern rechnen müssen – mit entsprechend verheerenden Folgen für die anderen Verkehrsteilnehmer.

 Prallt ein herkömmlicher Wagen wie in diesem Crashtest ein Volvo V70 (links) gegen ein Elektroauto wie den Renault Zoe, kann die beschädigte Batterie des E-Autos unkontrollierbar und kaum noch löschbar in Flammen aufgehen.

Prallt ein herkömmlicher Wagen wie in diesem Crashtest ein Volvo V70 (links) gegen ein Elektroauto wie den Renault Zoe, kann die beschädigte Batterie des E-Autos unkontrollierbar und kaum noch löschbar in Flammen aufgehen.

Foto: Axa/Keystone/Malanie Duchene
 Elektroautos fahren bei geringem Tempo geräuschlos. Parken sie gerade aus, sind Fußgänger hinter dem Fahrzeug stark gefährdet, weil nichts zu hören ist. Es drohen trotz der niedrigen Geschwindigkeit ernste Verletzungen.

Elektroautos fahren bei geringem Tempo geräuschlos. Parken sie gerade aus, sind Fußgänger hinter dem Fahrzeug stark gefährdet, weil nichts zu hören ist. Es drohen trotz der niedrigen Geschwindigkeit ernste Verletzungen.

Foto: Axa/Keystone/Melanie Duchene
 Kein Fahrer sollte sich blind auf seine Assistenzsysteme verlassen. Sie arbeiten nicht hundertprozentig fehlerfrei. Es drohen schwere Unfälle.

Kein Fahrer sollte sich blind auf seine Assistenzsysteme verlassen. Sie arbeiten nicht hundertprozentig fehlerfrei. Es drohen schwere Unfälle.

Foto: Axa/Keystone/Melanie Duchene

Bettina Zahnd zieht ein Fazit „Die steigende Anzahl an Elektroautos wird in Zukunft zu mehr Unfällen mit solchen Fahrzeug führen. Wie unsere Crashtests gezeigt haben, unterscheiden sie sich in mehreren Punkten von herkömmlichen Autos. Das wird sich auf das Unfallgeschehen auswirken.“

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