21 Meter lange Busse tanzen um die Gummihütchen

Arvidsjaur · Nicht nur neue Pkw-Modelle werden bei extremer winterlicher Witterung erprobt. Auch Busse müssen sich allerlei Testläufen bei eisigen Temperaturen unterziehen. Die ideale Schnee- und Eissicherheit haben Daimler-Ingenieure in der Nähe des Polarkreises.

 Die Omnibus-Abteilung von Daimler absolviert jedes Jahr auf zugefrorenen Seen am Polarkreis Fahrtests mit neuen Bussen. Im Bild ist der Mercedes Citaro G zu sehen, ein Gelenkbus. Foto: Daimler

Die Omnibus-Abteilung von Daimler absolviert jedes Jahr auf zugefrorenen Seen am Polarkreis Fahrtests mit neuen Bussen. Im Bild ist der Mercedes Citaro G zu sehen, ein Gelenkbus. Foto: Daimler

Foto: Daimler

Jedes neue Jahr beginnt für die Omnibus-Entwickler der Marken Mercedes-Benz und Setra mit einer mehrwöchigen Expedition in den hohen Norden. Die Ziele heißen Arvidsjaur und Arjeplog in Schweden sowie Rovaniemi in Finnland, alle in der Nähe des Polarkreises gelegen. Im Winterhalbjahr gibt es sogar eine regelmäßige Flugverbindung ab Stuttgart, die nicht nur der Tross der Bus-Versuchsabteilung nutzt, sondern auch die Lkw- und Pkw-Kollegen, dazu Ingenieure und Techniker von Porsche und Bosch. Die Versuchsobjekte selbst nehmen die rund 3000 Kilometer Anfahrt unter die eigenen Räder, wobei die viertägige Reise schon Teil der Versuchsreihen ist.

Vor Ort herrschen ideale Bedingungen für die Erprobungen unter winterlichen Bedingungen: Dauerfrost und damit Eis und Schnee , so weit das Auge reicht. Es gibt keinen besseren Untergrund für die Teststrecken als zugefrorene Seen, die mit ihrer dicken Eisschicht für Fahrzeuge bis zu 40 Tonnen zugelassen sind. Der eisige Untergrund kann aufgeraut, aber auch mit einem feinen Wassernebel in Glatteis verwandelt werden, um allen Versuchsanordnungen gerecht zu werden.

Bis zu Minustemperaturen von 25 Grad Celsius muss alles funktionieren, vom Anlassen des Motors über die Heizung im Innenraum bis zu den feinfühligen elektronischen Sicherheitssystemen und der hochentwickelten Abgasreinigung. Am anderen Ende der Skala stehen 40 Grad Hitze, wozu es im Hochsommer in die spanische Sierra Nevada geht.

Anfang der 1980er Jahre führten sowohl Mercedes-Benz als auch der damals noch selbstständige Setra-Hersteller Kässbohrer das Antiblockiersystem (ABS) ein, nachdem man es am Polarkreis getestet hatte. Die Antriebsschlupfregelung (ASR) und das Antischleudersystem (ESP) folgten. Die Regelsysteme funktionieren relativ einfach im Vergleich zur jüngst eingeführten Knickwinkelsteuerung bei Gelenkbussen wie dem Citaro G und dem Capacity L, einem straßenbahngroßen, 21,5 Meter langen Vierachser. Die alltagsnahe Testanordnung sieht so aus: Der Bus steht auf schneebedeckter Straße mit der lenkbaren Vorderachse und der angetriebenen Hinterachse leicht eingeknickt in einer Haltebucht mit vereistem Untergrund. Ohne die Knickwinkelsteuerung, die Daimler ATC (Articulated Turntable Controller) abkürzt, würde sich der Bus beim Anfahren wie ein Taschenmesser zusammenklappen, da die Räder in der Wagenmitte rutschen, aber nicht in der Spur rollen. Weil die elektronischen Fühler das Problem der Griffigkeit erkannt haben, hindern sie das Gelenk, einzuknicken, so dass der Bus problemlos aus der Haltestelle fährt.

Natürlich steht auch der als Elchtest bekannt gewordene schnelle Spurwechsel auf dem Programm. Für Busfahrer ist das eine deutlich größere Herausforderung als für Pkw-Fahrer. Weil kein Bus dem anderen gleicht, bewegt sich alle Jahre wieder eine kleine Testflotte Richtung Polarkreis. Schon der Laie erkennt, dass der Schwerpunkt eines 3,88 Meter hohen Luxus-Reisebusses der Baureihe Setra TopClass S 500 höher liegt als der eines Niederflur-Stadtbusses Citaro G. Beide sollen im Alltag kippsicher über den Winter kommen.

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