Plötzlich plegebedürftig Wie man Pflege zu Hause organisiert

Köln · Wenn ein naher Angehöriger pflegebedürftig wird und auf keinen Fall in ein Heim möchte, dann muss auf die Schnelle viel geregelt werden. Experten und Organisationen geben Tipps für die optimale Betreuung daheim.

 Pflegebedürftige Ehepartner oder Angehörige wollen in der Regel unbedingt zu Hause bleiben. Da dann meist eine regelmäßige Betreuung erforderlich ist, brauchen die Familienmitglieder Hilfe von Experten.

Pflegebedürftige Ehepartner oder Angehörige wollen in der Regel unbedingt zu Hause bleiben. Da dann meist eine regelmäßige Betreuung erforderlich ist, brauchen die Familienmitglieder Hilfe von Experten.

Foto: dpa-tmn/Mascha Brichta

(dpa) Es kann von jetzt auf gleich passieren: Ein Sturz oder ein Unfall mit kompliziertem Bruch, ein langer Krankenhausaufenthalt, und danach ist für den Betroffenen nichts mehr wie es war. Er ist pflegebedürftig. Obwohl er den Alltag nicht mehr alleine bewältigen kann, will er unter keinen Umständen ins Heim. Schließlich ist es zu Hause in der vertrauten Umgebung am schönsten. Jetzt sind die Angehörigen gefragt, die die Pflege daheim organisieren müssen.

Pflegestufe beantragen

„Als Erstes sollte mit der zuständigen Pflegekasse Kontakt aufgenommen und Pflege beantragt werden“, rät Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe in Köln. Um einzuschätzen, ob und in welchem Maß Pflegebedürftigkeit vorliegt, kommt ein Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen beim Patienten zu Hause vorbei. Wird dann einer der fünf Pflegegrade bewilligt, beginnt ab dem Tag, an dem der Antrag eingereicht wurde, die Zahlung des Pflegegeldes. Existiert eine private Pflegeversicherung, sollte man diese ebenfalls sofort anschreiben.

Sich beraten lassen

Als Nächstes muss der Hausarzt über die neue Lebenssituation des Patienten informiert werden. „Der Hausarzt kennt die Situation vor Ort gut und kann Tipps geben“, sagt Sowinski. Daneben gibt es weitere Anlaufstellen, bei denen sich Pflegebedürftige und Angehörige beraten lassen können. „Das sind zum Beispiel Pflegestützpunkte oder Beratungsstellen von Wohlfahrtsverbänden und Kirchen“, erklärt Bettina Sauer von der Stiftung Warentest. Interessenten könnten auf der Internetseite des „Zentrums für Qualität in der Pflege“ per Postleitzahl nach Ansprechpartnern suchen.

„Wichtig ist, dass ein ambulanter Pflegedienst den Patienten in seiner Wohnung berät“, betont Thomas Meißner vom Deutschen Pflegerat. Der Experte kann nur vor Ort feststellen, wie welcher Pflegebedarf realisiert werden kann. Auch gibt er Tipps, ob Änderungen in der Wohnung vorgenommen werden müssen, damit es der Pflegebedürftige im Alltag einfacher hat. In manchen Wohnungen ist das Pflegebett im Wohnzimmer besser aufgehoben, beispielsweise, wenn sich das Bad auf demselben Stockwerk befindet.

Hilfsmittel beantragen

Hilfsmittel wie ein Pflegebett genehmigen Kassen je nach Bedarf. Sogenannte Pflegehilfsmittel können Angehörige gleich mit beantragen. „Darauf hat jeder Patient mit Pflegegrad einen Anspruch“, erläutert Christine Sowinski. Das sind zum Beispiel Bettschutzeinlagen, Einmalhandschuhe oder Desinfektionsmittel. Zu den Hilfsmitteln gehören neben dem Pflegebett ein Badewannenlifter, ein Rollator, ein Rollstuhl, eine Toilettensitz-Erhöhung oder Inkontinenzeinlagen.

Personal zusammenstellen

„Ein ambulanter Pflegedienst, der rund um die Uhr da ist, verschlingt Monat für Monat fünfstellige Summen“, sagt Bettina Sauer. Für die meisten ist das unbezahlbar. Eine Alternative kann unter Umständen eine Betreuungskraft aus Osteuropa sein, die wochenweise mit im Haushalt lebt. Eine 24-Stunden-Betreuung ist oft aber gar nicht nötig. In vielen Fällen reicht es, wenn der Pflegedienst stundenweise vorbeikommt. Helfen können häufig auch Partner, Kinder oder Enkel. „Bei einer Familienkonferenz kann festgelegt werden, wer in der Familie in der Lage ist, was zu machen“, erklärt Sowinski.

Essen und Trinken organisieren

Wer nicht mehr kochen kann oder will, kann Dienste wie Essen auf Rädern in Anspruch nehmen. Mitarbeiter von Wohlfahrtsverbänden, privaten Trägern, Senioreneinrichtungen oder auch von Metzgereien liefern ein Menü nach Hause. „Häufig sind Hauptmahlzeiten ab ungefähr fünf Euro zu haben“, sagt Sauer. Für die Kosten müssen die Pflegebedürftigen selbst aufkommen.

Hausnotruf installieren lassen

Wer pflegebedürftig ist und alleine lebt, sollte einen Hausnotruf haben, um in einem Notfall Hilfe rufen zu können. Per Fingerdruck auf einer Art Armband hat der Pflegebedürftige die Möglichkeit, Kontakt mit einer Notrufstelle aufzunehmen. Einen Hausnotruf bieten zum Beispiel die Malteser oder das Deutsche Rote Kreuz an. Die Kosten liegen bei etwa 20 Euro im Monat plus Anschlussgebühr. „Pflegekassen übernehmen auf Antrag 18,36 Euro, wenn man meist allein zu Hause ist und mindestens Pflegegrad eins hat“, erklärt Bettina Sauer.

An sich denken

Wer die Pflege für einen Bedürftigen organisiert, sollte nicht den Mut verlieren. Am Anfang kämen die Probleme mit Wucht auf einen zu, erläutert Christine Sowinski vom Kuratorium Deutsche Altershilfe. Meist pendelt sich alles nach etwa acht Wochen ein. Stellt sich heraus, dass Angehörige überfordert sind, sollten sie nicht zögern, erneut eine Beratungsstelle aufzusuchen. Eine Lösung kann dann vielleicht ein Mittelweg sein: Der Bedürftige besucht einmal oder mehrmals pro Woche eine Tagespflege-Einrichtung. So haben die Angehörigen mehr Zeit für eigene Bedürfnisse.

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