Erbrecht Wann ein Testament anfechtbar ist

Berlin · Ein Streit ums Erbe schlägt mitunter hohe Wellen. Mancher will sogar das Testament anfechten. Dafür muss er gute Gründe haben.

 Erben, die mit dem Inhalt eines Testaments nicht einverstanden sind, können es vor Gericht anfechten. Das Argument, es sei ungerecht, reicht allerdings nicht aus. Sie brauchen dafür wirklich gute Gründe.

Erben, die mit dem Inhalt eines Testaments nicht einverstanden sind, können es vor Gericht anfechten. Das Argument, es sei ungerecht, reicht allerdings nicht aus. Sie brauchen dafür wirklich gute Gründe.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

Ein naher Angehöriger ist gestorben, jetzt wird sein Testament eröffnet. Mitunter fallen die Hinterbliebenen in solchen Situationen aus allen Wolken. Zum Beispiel dann, wenn einer oder mehrere wider Erwarten enterbt wurden, also leer ausgehen. Oft erwägen Benachteiligte dann, das Testament anzufechten. Sie wollen erreichen, dass die letztwillige Verfügung unwirksam wird und der Nachlass neu aufgeteilt werden muss. Eine solche Testamentsanfechtung ist aber nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

„Der Erblasser muss verstorben, der konkrete Erbfall muss eingetreten sein“, erläutert Dietmar Kurze, Fachanwalt für Erbrecht in Berlin. Zudem sind nur bestimmte Erben berechtigt, ein Testament anzufechten. Es sind diejenigen, die aus der Anfechtung einen Vorteil ziehen. Setzt ein Witwer beispielsweise seine Pflegerin als Alleinerbin ein und lässt seine leiblichen Kinder leer ausgehen, dann könnten die Kinder das Testament anfechten. Denn sie wären es, die profitieren würden, sollte der letzte Wille ihres Vaters für unwirksam erklärt werden.

Diejenigen, die ein Testament anfechten, müssen zwingend einen guten Grund dafür vorbringen können. „Es reicht zum Beispiel nicht zu sagen, der Erblasser war zu dem Zeitpunkt, als er sein Testament abfasste, dement“, sagt Anton Steiner, Präsident des Deutschen Forums für Erbrecht. Die Diagnose Demenz ist juristisch gesehen kein Grund zur Anfechtung. Vielmehr muss die Demenz so stark ausgeprägt sein, dass der Erblasser testierunfähig war.

„Testierunfähig ist eine Person, wenn sie wegen einer krankhaften Störung ihrer Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen einer Bewusstseinsstörung nicht mehr in der Lage ist, die Bedeutung eines Testaments zu erkennen“, erklärt Michael Sittig von der Stiftung Warentest. Das Testament einer testierunfähigen Person sei unwirksam. „Das gilt auch dann, wenn der letzte Wille von einem Notar beurkundet wurde“, erklärt Sittig.

Allerdings gelinge in der Praxis der Nachweis, dass jemand testierunfähig war, nur selten, sagt Dietmar Kurze. Auch wenn jemand dement war, kann er durchaus in einem lichten Moment ein rechtswirksames Testament abgefasst haben. Aussagen in Krankenakten oder in Pflegeakten oder auch Schilderungen von Zeugen wie zum Beispiel Pflegern müssten plausibel belegen, dass jemand nicht mehr testierfähig war.

Hat der Erblasser einen Pflichtteilsberechtigten übergangen, von dessen Existenz er nichts wusste, ist das ein triftiger Grund, das Testament anzufechten. Es kann sich zum Beispiel um ein uneheliches Kind oder ein Kind handeln, das erst nach dem Abfassen des Testaments geboren wurde. Zu den Pflichtteilsberechtigten zählen enge Angehörige. Das sind Kinder, Ehepartner und bei kinderlosen Erblassern deren Eltern. Sie haben grundsätzlich einen Anspruch auf den Pflichtteil eines Nachlasses, auch wenn sie ansonsten enterbt sind. Nicht zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören Geschwister.

„Ein Testament anzufechten, ist auch möglich, wenn es irrtümliche Behauptungen enthält oder der Erblasser beim Verfassen getäuscht oder bedroht worden ist“, erläutert Dietmar Kurze. Ein Irrtum liegt zum Beispiel vor, wenn es im Testament heißt: „Weil mein Sohn ein Geigenvirtuose ist, bekommt er meine Stradivari“, der Sohn in Wahrheit aber vom Geigenspielen keine Ahnung hat. „Der Irrtum muss die Ursache für den letzten Willen gewesen sein, das heißt, ohne diesen Irrtum hätte der Erblasser anders testiert“, erklärt Anton Steiner. Auch wenn sich der Erblasser verschrieben oder Namen verwechselt hat, kann das Testament angefochten werden. Es liegt dann ein sogenannter Inhalts- oder Erklärungsirrtum vor.

Ebenfalls angefochten werden kann ein Testament bei einer Täuschung oder einer Drohung. In einem solchen Fall hat der Erblasser seinen letzten Willen geschrieben, während ihm zum Beispiel eine Pistole an den Kopf gehalten oder ihm eingeredet wurde, ohne ein Testament zugunsten einer bestimmten Person werde er nicht länger gepflegt.

Wer ein Testament anfechten will, muss dies innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Anfechtungsgrundes tun. „Dafür muss man eine Erklärung beim Nachlassgericht abgeben“, sagt Kurze. Das Gericht prüft die Erklärung einschließlich der vorgelegten Beweise. Die Anfechtung wird öffentlich, sobald jemand einen Erbschein beantragt. Wurde vor Abgabe der Erklärung bereits ein Erbschein erteilt, prüft das Gericht, ob der Schein zu Unrecht erteilt wurde und wieder eingezogen werden muss, weil das Testament aufgrund der vorgelegten Beweise ungültig geworden ist. Wie lange das Verfahren dauert, ist unterschiedlich. „Das kann sich über ein bis zwei Jahre hinziehen, aber auch darüber hinaus“, sagt Fachanwalt Anton Steiner.

Wer ein möglichst unangreifbares Testament verfassen möchte, sollte es nicht eigenhändig aufsetzen, sondern zum Notar gehen. „Das senkt das Risiko von Einflussnahme und Fälschungen“, erklärt Warentester Michael Sittig.

Leidet jemand an Demenz im Anfangsstadium, ist es oft sinnvoll, sich von einem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie auf Testierfähigkeit hin begutachten zu lassen und dieses Gutachten dem Notar zu präsentieren. „Hilfreich können auch Handyvideos vom Erblasser sein, die dessen geistige Fitness zeigen“, sagt Sittig.

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