Altersvorsorge Wie viel Rücklagen fürs Alter nötig sind

Bremen · Die meisten Bundesbürger müssen während des Berufslebens finanziell privat vorsorgen, damit sie im Ruhestand keine Geldsorgen haben. Wer dies auf die leichte Schulter nimmt, riskiert eine schmerzhafte Rentenlücke.

 Viele Berufstätige müssen fürs Alter frühzeitig Geld beseitelegen, um den gewohnten Lebensstandard halten zu können. Faustformeln können eine Orientierung geben, wie viel monatlich gespart werden muss.

Viele Berufstätige müssen fürs Alter frühzeitig Geld beseitelegen, um den gewohnten Lebensstandard halten zu können. Faustformeln können eine Orientierung geben, wie viel monatlich gespart werden muss.

Foto: dpa-tmn/Christin Klose

(dpa) Private Altersvorsorge wird immer wichtiger, denn künftigen Rentnergenerationen steht weniger Geld aus der gesetzlichen Rente zur Verfügung als vielen Rentnern heute. „Je früher Sie mit dem Sparen anfangen, desto besser ist es“, sagt Thomas Mai, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen.

Aber wie viel Geld sollte man beiseite legen, um später genug zu haben? Bei der Suche nach einer Antwort, werden oft Faustregeln und Musterrechnungen herangezogen. „Das kann durchaus sinnvoll sein, um sich überhaupt erstmal ein Ziel zu setzen“, sagt Mai.

Um den im Berufsleben gewohnten Lebensstandard auch im Ruhestand halten zu können, sollten etwa 80 Prozent des letzten Nettoeinkommens zur Verfügung stehen, lautet eine häufig genannte Faustregel. Da dieser Wert mit der gesetzliche Rente bei den allermeisten kaum zu erreichen ist, ergibt sich eine Rentenlücke.

Um diese Lücke zu schließen, müssen Arbeitnehmer nach Berechnungen der Fondsgesellschaft Fidelity International bis zum Renteneintritt pro Jahr etwa 21 Prozent des Einkommens in die private Altersvorsorge investieren. Dazu ein Beispiel: Ein 44-jähriger Arbeitnehmer verdient rund 38 000 Euro brutto im Jahr. Um ausreichend vorgesorgt zu haben, müsste er laut Fidelity bis jetzt schon 150 000 Euro beiseite gelegt haben. Das entspricht etwa dem Vierfachen des Jahreseinkommens.

Ein 60-Jähriger müsste etwa das Achtfache auf der hohen Kante haben, also etwa 300 000 Euro. Zum Renteneintritt mit 67 Jahren sollte das Finanzpolster dann am besten auf das Zehnfache des Einkommens angewachsen sein. Denn dann gibt es keine Rentenlücke mehr.

„Auf den ersten Blick scheinen die Zahlen hoch zu sein“, erklärt Christof Quiring von Fidelity. Doch die Werte reduzierten sich für alle, die bereits sparten, zum Beispiel mit einer betrieblichen Altersvorsorge. Und es handele sich um Faustformeln. „Sie sollen ein Bewusstsein dafür schaffen, dass niemand die eigene Altersvorsorge auf die lange Bank schieben darf.“

Grundsätzlich sieht das auch Niels Nauhauser so, Leiter des Bereichs Altersvorsorge der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Ich bin aber kein Freund von Faustformeln, denn beispielhafte Berechnungen passen nicht für jeden.“

Wer etwa ein schuldenfreies Eigenheim habe und dazu noch eine kleinere Betriebsrente, komme damit im Alter wahrscheinlich gut über die Runden, sagt Nauhauser. Wer aber in Teilzeit arbeite, habe vielleicht nicht genug Geld übrig, um überhaupt zu sparen. „Für den wäre so ein Rat vielleicht sogar ein Witz.“

„Ein weiteres Problem ist, dass wir Nullzinsen haben“, sagt Nauhauser. Die Suche nach einem passenden Produkt, das sowohl sicher ist als auch Rendite bringt, ist daher schwierig. Viele greifen am Ende zu teuren Produkten, zum Beispiel Mischfonds oder auch Indexpolicen. „Statt auf langfristige Verträge zu setzen, sollte man lieber flexible Produkte wählen, die man im Laufe der Zeit anpassen kann“, rät der Experte.

„Die Entscheidung zwischen Sicherheit und Risiko ist für den Erfolg einer Anlage von großer Bedeutung“, erklärt Nauhauser. Um das zu verdeutlichen, hat die Verbraucherzentrale in Stuttgart eine Sparplan-Drehscheibe entwickelt. Gegenübergestellt werden hier die Renditen, die Sparer in der Vergangenheit mit unterschiedlichen Mischverhältnissen von Festgeld und weltweiter Aktienanlage in den MSCI World Index – einen internationalen Aktienindex, der die Entwicklung von über 1600 Aktien aus 23 Industrieländern widerspiegelt – erreichen konnten. „Man bekommt dadurch ein Gefühl dafür, ob es sich in der Vergangenheit gelohnt hat, ein Risiko einzugehen.“

Wer beispielsweise irgendwann in den Jahren zwischen 1970 und 2018 über einen Zeitraum von 35 Jahren Monat für Monat 100 Euro angelegt hatte, stets zur Hälfte in Festgeld und die andere Hälfte in Aktienfonds, hat im Mittel 60 520 Euro erreicht, somit 3,8 Prozent Rendite pro Jahr.

Im ungünstigsten Fall wären aus 100 Euro monatlich nach 35 Jahren 46 550 Euro geworden. Das entspricht einer Rendite von 2,9 Prozent. Im günstigsten Fall wären es dagegen 69 420 Euro, was 4,9 Prozent Rendite bedeutet. Inflation sowie Kosten des Aktienfonds sind bereits herausgerechnet, Steuern noch nicht.

Deutlich anders sieht das Ergebnis bei einem Anlagezeitraum von 10 Jahren aus. Bei der gleichen Aufteilung zwischen Aktien und Festgeld kommen im Schnitt 13 330 Euro zusammen (4,1 Prozent Rendite). Im besten Fall waren es 19 830 Euro (11,9 Prozent Rendite), im schlechtesten Fall waren es aber nur 8640 (minus 3,7 Prozent Rendite).

Damit ist klar, dass ein wichtiger Faktor bei der Altersvorsorge die Zeit bleibt. „Sie können über einen Zeitraum von 30 Jahren mit kleineren Raten mehr erreichen als über einen Zeitraum von 10 Jahren mit größeren Raten“, erklärt Thomas Mai. Größere Lücken ließen sich immer schwerer schließen, je näher die Rente rücke. „Da zählt am Ende jedes Jahr.“

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