Verfolgungsjagd im Weltraum

Es ist ein riskantes Unternehmen, das vor zehn Jahren mit dem Start einer Ariane-5-Rakete begann und im November mit der Landung auf dem Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko seinen Höhepunkt finden soll. Wenn die Mission der Raumsonde Rosetta jedoch gelingt, wird sie dabei einzigartige wissenschaftliche Daten gewinnen.

 Nach einer 600 Millionen Kilometer langen Reise durchs All soll die Raumsonde Rosetta in diesem Herbst das Landegerät Philea auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko absetzen. Grafik: Esa/pm

Nach einer 600 Millionen Kilometer langen Reise durchs All soll die Raumsonde Rosetta in diesem Herbst das Landegerät Philea auf dem Kometen Churyumov-Gerasimenko absetzen. Grafik: Esa/pm

Paris. Seit der Mitte des vergangenen Jahrhunderts vermuten Astronomen in Kometen kosmisches Urmaterial, das bei der Entstehung des Sonnensystems nicht zu Planeten verbacken ist. Kometen , die gelegentlich als Schweifsterne am irdischen Himmel erscheinen, könnten so außer Wasser auch organische Moleküle auf die Erde gebracht haben, die dann Keimzellen des Lebens wurden.

Hinweise darauf lieferte bereits von 31 Jahren die europäische Raumsonde Giotto, die damals am Kometen Halley vorbeiflog. Auch weitere Sonden, die sechs andere Kometen besuchten - Borrelly, Grigg-Skjellerup, Giacobini-Zinner, Hartley 2, Tempel 1 und Wild 2 - registrierten mikroskopische Eis- und Staubpartikel. Kompliziertere organische Moleküle waren allerdings nicht darunter. Als Beweis, dass es sie nicht gibt, taugen diese Messwerte aber nicht. Denn beim frontalen Anflug auf einen Kometen treffen die Teilchen mit der Geschwindigkeit einer Gewehrkugel auf die Detektoren und es ist möglich, dass viele Substanzen zerstört wurden, bevor sie analysiert werden konnten.

Diesen Messfehler wollen europäische Forscher bei der Kometenmission Rosetta ausschließen. Die Sonde fliegt ihrem Zielkometen nicht entgegen, sondern auf einem langgestreckten Annäherungskurs 600 Millionen Kilometer hinterher. Da Solarzellen in so großer Sonnendistanz zu wenig Energie liefern, wurde Rosetta nach dem Start für zweieinhalb Jahre in Winterschlaf versetzt und erst vor Kurzem reaktiviert. Bis Anfang April soll die Stromversorgung für alle 21 Instrumente wieder eingeschaltet werden. Die ersten Kometenbilder erwarten die Forscher Anfang Mai. Danach wird die Annäherung an den Kometen mit mehreren Bremsmanövern auf zehn Kilometer pro Stunde reduziert. Am 22. August soll Rosetta in einen Orbit um den Kometen einschwenken. Schließlich wird die Umlaufbahn der Sonde auf 2,5 Kilometer um den unregelmäßig geformten Kometenkern reduziert. Aus diesem Orbit können die Kameras Details von Apfelsinengröße sichtbar machen. Die Auflösung wäre damit 200-mal höher als die bisher besten Kometenaufnahmen vom Kometen Wild 2, die Details von 20 Metern Größe zeigen.

Einen Monat wollen die Forscher nach einem Landeplatz für das Landegerät Philea suchen, das die Sonde absetzen soll. Statt einer Kometenlandung spricht DLR-Projektleiter Stephan Ulamec allerdings lieber von einem Andockvorgang wie zwischen zwei Raumschiffen. Denn die Schwerkraft auf der Oberfläche des Kometen ist so gering, dass schon ein mit dem Finger hochgeschnipptes Geldstück davonfliegen würde. Auf Bremstriebwerke wie bei Mond- oder Marssonden haben die Ingenieure von Philae verzichtet. Dämpfer in den spinnenförmigen Beinen des Landers und Widerhaken sollen verhindern, dass Philea nach dem Aufsetzen wie ein Tennisball abprallt. Wenn das Andockmanöver gelingt, sollen Panoramabilder von der Oberfläche über die Rosetta-Sonde zur Erde übertragen werden. Dann nimmt die Landeeinheit Bodenproben aus bis zu 20 Zentimetern Tiefe und untersucht sie auf Wasser- und organische Moleküle im eigenen Labor, so der Leiter dieses Experiments, Martin Hilchenbach vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.

So lange wie möglich wollen die Forscher die mit größerer Sonnennähe zunehmende Aktivität des Kometen verfolgen. Die geringste Distanz zur Sonne wird er am 12. August 2015 erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird 67P/Churyumov-Gerasimenko außerhalb der Erdbahn in 185 Millionen Kilometern Entfernung an der Sonne vorbeiziehen. Die Wissenschaftler hoffen, dass der Rosetta-Orbiter und der Philae-Lander den Vorbeiflug überstehen und weiter Messdaten sammeln werden. Spätestens im Dezember 2015 droht dann jedoch unweigerlich das Ende der Mission, weil die Solarzellen mit zunehmender Entfernung immer weniger Energie liefern.

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Hintergrund Der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko, der nach seinen Entdeckern aus der Ukraine benannt ist, hat Kartoffelform und einen Durchmesser von drei bis vier Kilometern. Auf seinem aktuellen Orbit, der ihn bis auf 185 Millionen Kilometer an die Sonne heran- und am fernsten Punkt 850 Millionen Kilometer von der Sonne wegführt, kreist der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko erst seit Februar 1959. Zuvor umrundete er außerhalb der Jupiterbahn die Sonne. Die Wissenschaftler hoffen, dass sie auf dem Kometen Überbleibsel aus der Entstehungsphase des Sonnensystems finden werden.

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