Neue Regeln für Erbfälle in der EU

Saarbrücken · Der Tod eines Familienmitglieds ist eine schlimme Belastung für die Familie. Falls der Angehörige im Ausland lebte, können dazu aber noch jede Menge bürokratischer Probleme mit dem Erbe kommen. Das soll in der EU ab dem 17. August mit der neuen Erbrechtsverordnung anders werden. Doch auch hier liegt die Tücke im Detail, erläutert der St. Ingberter Fachanwalt Andreas Abel in diesem Gastbeitrag.

Am 17. August tritt die EU-Erbrechtsverordnung in Kraft. Die Verordnung ergänzt in den meisten Mitgliedstaaten - Ausnahmen sind das Vereinigte Königreich, Irland und Dänemark - das bisher geltende Erbrecht. Betroffen sind zum Beispiel Deutsche, die in Frankreich leben, oder in Frankreich Vermögen, beispielsweise Immobilien, besitzen. Die neuen Regelungen haben eine wesentliche Änderung zur Folge: Bei Erbfällen, die einen Bezug zu einem anderen oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU haben, wird die örtliche Zuständigkeit für das Nachlassverfahren, also beispielsweise für die Erteilung eines Erbscheins, bei nur noch einem Gericht gebündelt. Bislang war bei einem Erbfall mit Auslandsbezug meist in jedem Mitgliedstaat ein Nachlassgericht befasst worden.

Europäisches Nachlasszeugnis

Durch die Verordnung wird ein europaweit einheitliches und anerkanntes Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt, welches die Wirkung eines Erbscheins hat. Mit diesem Nachlasszeugnis können der oder die Erben sich gegenüber Dritten wie Banken oder Grundbuchämtern auch im Ausland legitimieren, sodass die Abwicklung des Erbfalls mit Bezug zu mehreren Staaten der EU deutlich verbessert werden soll. Geregelt durch die EU-Erbrechtsverordnung werden alle nach dem 16. August 2015 eintretenden Erbfälle, die einen Auslandsbezug haben. Sei es, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort nicht in dem Land hatte, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, sei es, dass in den Nachlass ausländische Immobilien oder sonstige Vermögenswerte fallen.

Stirbt ein Deutscher in der Zeit vor dem 17. August 2015 beispielsweise in Frankreich und hat keine letztwillige Verfügung aufgesetzt, richtet sich bisher nach den Vorschriften des deutschen Erbrechts, wer Bargeld, Bankguthaben, Schmuck oder Ähnliches erbt, während sich nach französischem Erbrecht richtet, wer die in Frankreich liegende Immobilie erbt.

Die erbrechtlichen Regelungen in den einzelnen EU-Mitgliedsländern unterscheiden sich zum Teil erheblich. Es herrschte bislang in vielen grenzüberschreitenden Erbfällen Uneinigkeit, nach welchem nationalen Recht sich die Erbfolge richtet. Es konnte somit vorkommen, dass derselbe Erbfall im Hinblick auf Erbquoten, Pflichtteilsansprüche oder Ähnliches in einem Mitgliedstaat der EU anders als in einem anderen beurteilt wurde und Erbnachweise aus einem Mitgliedstaat in einem anderen Mitgliedstaat nicht anerkannt wurden. Zu solchen Nachlassspaltungen kommt es zukünftig nicht mehr.

Wer davon ausgegangen ist, dass die Erbrechtverordnung die unterschiedlichen erbrechtlichen Regelungen in den Mitgliedstaaten der EU vereinheitlicht, wird enttäuscht. Künftig gilt stattdessen, dass das Erbrecht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers Anwendung findet. Im Ergebnis kann dies bedeuten, dass sich die Erben eines verstorbenen Deutschen, der in Frankreich zum Zeitpunkt seines Todes lebte, sich ausschließlich mit den Regelungen des französischen Erbrechts auseinander zu setzen haben werden. Die unliebsame Folge ist, dass ein Deutscher, der seinen Lebensmittelpunkt in Frankreich hat, weil er seit Jahren dort wohnt, zwingend nach den Regelungen des französischen Erbrechts beerbt wird.

Erbrecht künftig wählbar

Die neuen Brüsseler Direktiven bieten künftig aber andererseits auch die Möglichkeit, das anwendbare Erbrecht frei zu wählen. Voraussetzung ist, dass ein Testament oder eine sonstige letztwillige Verfügung errichtet wird, in der ausdrücklich geregelt ist, dass im Erbfall die Bestimmungen des deutschen Erbrechts gelten sollen ("Rechtswahl"). Auf den Erbfall findet dann zwingend deutsches Erbrecht Anwendung. Lässt man diese neue Regelung unbeachtet, könnte es passieren, dass der Nachlass aufgrund der Unkenntnis der ausländischen Gesetze in die Hände einer Person fällt, der sie der Erblasser gar nicht zukommen lassen wollte.

Das ausländische Nachlassgericht, beispielsweise das französische Nachlassgericht in dem Fall, dass der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort in Frankreich hatte, ist unabhängig von dieser Wahl für das Nachlassverfahren zuständig, wenn der letzte gewöhnliche Aufenthaltsort des Verstorbenen in Frankreich war. Die Besteuerung kann auch zukünftig in den einzelnen Mitgliedstaaten durchgeführt werden.

Ohne die Hilfe eines Fachmanns wird die Abgabe der Steuererklärungen im jeweiligen Mitgliedsland auch weiterhin nicht zu bewerkstelligen sein. Um Überraschungen zu vermeiden, ist es deshalb wichtig, sich vor der Verlagerung des Lebensmittelpunkts in einen Mitgliedstaat der EU beraten zu lassen. Das gilt auch für Personen, die über Auslandsvermögen, beispielsweise Immobilien, verfügen.

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