Verbraucherschutz „Ohne Zusatzstoffe“ – Oft trügt der Schein

Düsseldorf · Welche Farbstoffe oder Geschmacksverstärker Lebensmitteln zugefügt sind, ist oft nur schwer zu durchschauen.

(epd) Kaum ein industriell hergestelltes Lebensmittel kommt ohne Zusatzstoffe aus. Sie machen Pudding cremig, Feinkostsalat haltbar, Fruchtgummi bunt oder Fertigsuppen schmackhaft. Doch vielen Verbrauchern vergeht der Appetit, wenn sie im Zutatenverzeichnis auf Stoffe wie E 420 (Süßungsmittel Sorbit), E 316 (Antioxidationsmittel Natriumisoascorbat) oder E 220 (Konservierungsmittel Schwefeldioxid) stoßen. Diese Substanzen gehören zu den rund 330 Zusatzstoffen, die in der Europäischen Union zugelassen und mit sogenannten E-Nummern gekennzeichnet sind. Trotz strenger Kontrolle durch die EU-Lebensmittelbehörde EFSA gibt es immer wieder Diskussionen um mögliche Nebenwirkungen der Stoffe.

Hersteller kennzeichnen ihre Produkte deshalb gerne mit sogenannten Clean Labels (sauberen Etiketten). Werbeaufschriften versprechen, dass die Fertigsuppe oder der Himbeerjoghurt beispielsweise „frei von künstlichen Farbstoffen“ oder „ohne Geschmacksverstärker“ ist. Doch das kann in die Irre führen. Verbraucherzentralen stellen immer wieder fest, dass zum Beispiel Produkte, die mit dem Versprechen „ohne Geschmacksverstärker“ werben, stattdessen andere Hilfsstoffe zur Verstärkung des Geschmacks enthielten. Das berichtet Nora Dittrich von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

„Die Hersteller haben Ersatzstoffe eingesetzt, die rechtlich gesehen kein Zusatzstoff sind, aber trotzdem eine ähnliche Wirkung haben“, erklärt Dittrich. „Da wurden zum Beispiel Hefe- oder Gewürzextrakte, Molkeneiweiß oder Maisproteinhydrolysate zugesetzt, die ebenso geschmacksverstärkend wirken.“

Wenn der Kunde also glaubt, ein Lebensmittel zu kaufen, das nur aufgrund seiner natürlichen Rezept-Zutaten gut schmeckt, wird er in diesem Fall getäuscht. Dennoch sei die Werbung mit Clean Labels in der Regel legal, sagt Nora Dittrich. Denn die Werbeaussagen bezögen sich auf die in der EU als Zusatzstoff zugelassenen Geschmacksverstärker. Und die seien ja tatsächlich nicht im Produkt enthalten.

Verbrauchern, die jegliche Hilfsstoffe meiden wollen, rät Dittrich: „Schauen Sie immer in das Zutatenverzeichnis.“ Dort müssen alle Zutaten aufgeführt sein, darunter auch Zusatzstoffe oder andere Hilfsstoffe. Für die Kunden ist es allerdings oft kaum zu erkennen, wenn Zusatzstoffe ersetzt werden.

Zu den Ersatzstoffen gehört zum Beispiel Tomatenpulver. Tomaten enthalten von Natur aus den geschmacksverstärkenden Stoff Glutamat. Im Labor sei es möglich, Glutamat aus der Frucht zu isolieren, erklärt Christian Niemeyer, Leiter des Zusatzstoffmuseums in Hamburg. „Dadurch hat das Pulver dann eine geschmacksverstärkende Wirkung, ohne dabei nach Tomaten zu schmecken.“ Der Verbraucher werde dadurch getäuscht. „Er denkt, er kauft ein besseres, natürlicheres Produkt, aber letztendlich wird nur eine neue Technologie oder ein anderer Stoff eingesetzt.“

Ein weiteres Beispiel: Wenn auf einer Packung steht „ohne künstliche Aromen“, können diese Lebensmittel stattdessen sogenannte natürliche Aromen enthalten. Diese werden jedoch meist nicht aus Früchten oder Gewürzen wie etwa Erdbeeren oder Vanille gewonnen, sondern entstehen in der Regel im Labor. Zum Beispiel mit Hilfe von Mikroorganismen wie Schimmelpilzen oder Bakterien sowie auch aus Zuckerrüben- oder Holzspänen.

Produkte, die damit werben, „frei von künstlichen Farbstoffen“ zu sein, verdanken ihr appetitliches Kirschrot oder Pfirsichgelb oft dennoch nicht einem hohen Fruchtanteil. Zwar enthalten diese Lebensmittel tatsächlich keine synthetischen Farbstoffe. Doch für die schöne Farbe sorgen oft im Labor hergestellte Extrakte aus Karotten, Roter Bete, Kurkuma, Paprika oder Karamellzuckersirup.

„Man sollte sich nicht von der Werbung auf der Vorderseite des Produkts blenden lassen“, sagt Dittrich. Der Blick aufs Zutatenverzeichnis zeigt, wie hoch der Anteil hochwertiger Bestandteile – wie etwa Früchte, Gemüse oder Fleisch – tatsächlich ist. Produkte, die viele natürliche Zutaten enthalten, sind beispielsweise weniger auf geschmacksverstärkende Hilfsstoffe angewiesen.

Wer sichergehen und sich ganz ohne Hilfsstoffe ernähren möchte, dem bleibe jedoch nur eines, sagt Niemeyer: „Selber kochen mit natürlichen Zutaten.“ Denn industriell gefertigte Lebensmittel kämen nun einmal in der Regel nicht ganz ohne Zusatz- oder Hilfsstoffe aus.

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