Gestochen scharfe Fernsehbilder

Berlin · Flachbildfernseher mit HD-Auflösung gelten fast schon wieder als Auslaufmodell. Die Werbung preist Ultra-HD-Geräte mit gekrümmten Bildschirmen an. Doch noch gibt es kaum passende Filme.

80 Jahre nach der Geburtsstunde des Fernsehens stehen wieder einmal die TV-Geräte im Fokus der Elektronikmesse IFA (4. bis 9. September in Berlin ). Sogenannte Ultra-HD- und Curved-Fernseher mit gekrümmtem Display und ultrahoher Auflösung sollen neue Seherlebnisse ermöglichen. Nach Angaben der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung wurden im vierten Quartal des vergangenen Jahres bereits 17 Prozent des Umsatzes im TV-Markt mit Ultra-HD-Geräten erzielt - Tendenz steigend.

Für Verbraucher stellt sich die Frage: Schon jetzt in Ultra HD (UHD) investieren, oder reicht noch die Full-HD-Auflösung? "Wer ein großes TV-Gerät in ein kleines Zimmer stellen will, sollte UHD nehmen", rät Peter Knaak von der Stiftung Warentest . "Auf kurze Distanz kann man die Pixelstruktur des HD-Displays sehen, die feinere Struktur eines UHD-TVs aber nicht." Denn der bietet mit 3840 mal 2160 Pixeln ein Vielfaches der Bildpunkte eines Full-HD-TVs (1920 mal 1080 Pixel). Das feinere UHD-Raster sehe bei größeren TVs in kleinen Zimmern einfach besser aus. "Abgesehen von diesem Effekt ist UHD unsinnig, wird sich auf Dauer aber nicht vermeiden lassen", meint Knaak. "Salopp gesagt bauen die Anbieter die Fernseher, damit der Absatz großer Modelle steigt."

Die UHD-Auflösung sei nur bei einem ungewohnt kurzen Sehabstand sichtbar. Wer dicht vor dem Bildschirm sitze müsse jedoch ständig den Kopf drehen, wenn außerhalb der Bildmitte etwas passiert - ähnlich wie in der ersten Reihe mancher Kinos. Bei einem 65-Zöller mit einer Diagonalen von 165 Zentimetern sei die volle Auflösung nur bis zu einem Sehabstand von 1,25 Meter sichtbar. Alles im Blick habe der Zuschauer jedoch nur, wenn er mindestens zwei Meter vom Gerät entfernt sitze, erläutert Peter Knaak. Aus dieser Distanz sei UHD dann nicht mehr erkennbar.

Florian Friedrich vom Heimkino-Magazin "audiovision" plädiert dagegen für den Kauf eines Fernsehers mit der neuen Technik. "Wir befinden uns mittlerweile schon in der zweiten bis dritten Generation der UHD-Fernseher. Die Hersteller richten inzwischen viele Neuentwicklungen auf UHD aus." Bei Full-HD-Fernsehern bekomme man deshalb immer seltener das beste Preis-Leistungsverhältnis. Oft handele es sich bei UHD-Einstiegsmodellen schon um wirklich gute Geräte. Die Stärken dieser Displays könne man mit Bildern der Digitalkamera testen, die fast alle die zwei Megapixel eines Full-HD-Fernsehers um ein Vielfaches überbieten. "Die Wiedergabe von Digitalfotos mit acht Megapixeln auf dem UHD-Fernseher ist ein Vorteil, den jeder sofort erkennen kann." Gute 55-Zoll-Geräte von Markenherstellern gebe es bereits für weniger als 1000 Euro. Die noch größeren UHD-Topmodelle kosteten aber auch schnell 5000 Euro. Man solle darauf achten, dass der UHD-Fernseher über die Multimedia-Schnittstelle HDMI 2.0 und den Kompressionsstandard HEVC (H.265) verfüge, rät Knaak. "Erste UHD-TVs waren in dieser Hinsicht eine Mogelpackung, was den Käufern aber nicht auffiel, weil noch entsprechende Sender, Filme und Abspielgeräte fehlten." Letzteres gilt allerdings noch immer.

Curved-TVs hält Florian Friedrich bis zu einem gewissen Grad für reine Geschmacksache. "Bei Curved-Modellen müssen Radius der Krümmung und Betrachtungsabstand in einem sinnvollen Verhältnis stehen." Die gekrümmten Displays sollten mindestens eine Diagonale von 65 Zoll aufweisen, "damit die geometrischen Verzerrungen nicht komisch wirken und das erhoffte Seherlebnis auch wirklich gegeben ist".

Störende Spiegelungen

Als großes Problem gekrümmter TVs stuft Peter Knaak die Spiegelungen von Lampen und Fenstern ein, die hier deutlich auffälliger seien als auf flachen Displays . "Reflexionen von Lichtquellen scheinen auf der Mattscheibe mitzuwandern, wenn sich der Zuschauer bewegt", erklärt der Warentester. Das sei bei flachen TVs kein Problem, weil sich hier der Reflex genauso schnell und so weit bewegt wie der Kopf des Zuschauers. Das Gehirn erkenne die "Bewegung" des Reflexes als selbstverursacht und könne diese ausblenden. Anders bei Curved-TVs: "Auf der gebogenen Mattscheibe läuft der Reflex schneller als die eigene Kopfbewegung", sagt der Experte, "das löst einen Alarm im Gehirn aus und lenkt die Aufmerksamkeit auf den Reflex." Als Ausweg empfiehlt er, das Licht zu dimmen oder Lichtquellen ganz auszuschließen.

Mit den ersten Ultra-HD-Blu-rays und Abspielgeräten rechnet Florian Friedrich zum Weihnachtsgeschäft. Als nächste Entwicklungen prognostiziert er Fernseher mit bisher ungesehen hohen Spitzenhelligkeiten, die auch in hellen Räumen ein enormes Kontrastverhältnis erlauben, sowie erweiterte Farbräume und High Dynamic Range (HDR), also ein Bild mit extrem hohem Dynamikumfang.

Zum Thema:

HintergrundGebogene Fernsehbildschirme bieten keine Vorteile gegenüber flachen Modellen. Das hat die Stiftung Warentest im vergangenen Dezember ermittelt. Nach Angaben vieler Hersteller soll ein gebogener Curved-Bildschirm durch immer gleichen Abstand zum Zuschauer ein intensiveres Fernseherlebnis ermöglichen. Die Experten konnten im Test aber keinen Einfluss der Displaykrümmung auf die Bildqualität feststellen. Teilweise lieferten Modelle mit flachem Bildschirm sogar bessere Bilder. red

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