Fettreiches Essen verstellt unsere innere Uhr

Zweibrücken · Künstliches Licht am Abend bringt unsere innere Uhr durcheinander. Die Folgen können Schlafprobleme und ein entgleister Stoffwechsel sein. Jetzt hat sich gezeigt, dass auch die Art unserer Mahlzeiten die innere Uhr verstellt.

 Rund 20 Millionen berufstätige Menschen in Deutschland leiden unter Schlafproblemen. Foto: Fotolia

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Fettreiches Essen bringt unseren Bio-Rhythmus durcheinander. Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung in Potsdam konnten zeigen, dass bei Menschen, die gerne fettreich essen, die innere Uhr aus dem Takt gerät.

Jede unserer Körperzellen besitzt eine eigene Uhr. Es handelt sich um sogenannte Uhren-Gene oder Zeitgeber-Gene, die unter anderem unseren Stoffwechsel steuern. Alle Uhren stimmen sich untereinander ab. Koordiniert werden die Zelluhren vom Gehirn . Dadurch folgt unser ganzer Organismus einem bestimmten Rhythmus. Der Hamburger Neurobiologe Dr. Peter Spork erläutert: "Jede Zelle, jedes Organ, jedes innere Signal folgt den Rhythmen der Außenwelt, vor allem dem Wechsel von Tag und Nacht." Dieses System hat sich im Laufe einer langen Evolution entwickelt. "Die innere Uhr ist ein biologisches System, das wir geerbt haben", sagt Spork. "Taktgeber war Jahrtausende lang das Sonnenlicht. Unsere innere Uhr folgt noch heute dem Sonnenauf- und -untergang."

Unsere innere Uhr steuert die Ausschüttung von Hormonen sowie Stoffwechselvorgänge und Körperfunktionen in einem 24-Stunden-Rhythmus. Die dafür zuständigen Uhren-Gene werden zu unterschiedlichen Zeiten ein- und abgeschaltet. Es ist schon länger bekannt, dass das Kunstlicht, dem wir uns abends aussetzen, die innere Uhr durcheinanderbringen kann. Die Lichtsensoren in der Netzhaut des Auges werden durch künstliches Licht auch am Abend stark erregt. Sie signalisieren dem Gehirn weiterhin Helligkeit, was den natürlichen Rhythmus der inneren Uhr stört. Das wirkt sich negativ auf die Körpertemperatur aus, das Auf und Ab der Schläfrigkeit, die Schmerzempfindlichkeit, Gemütsstimmung und Lernfähigkeit, aber auch den Stoffwechsel , den Blutdruck, die Hormonproduktion und das Hungergefühl.

Auch die Zusammensetzung unserer Mahlzeiten beeinflusst die Funktion der Uhren-Gene.

Welche Zeit die inneren Uhren gerade anzeigen, können Wissenschaftler anhand der Gene erkennen, die in den Zellen aktiv sind. Die Experten konnten zeigen, dass fettreiche Mahlzeiten eine andere Wirkung auf die innere Uhr des Menschen haben als kohlenhydratreiche Kost.

Die Forscher verordneten 24 eineiigen Zwillingen, zwei zweieiigen Zwillingen und einer Einzelperson, die alle normalgewichtig waren, zunächst für die Dauer von sechs Wochen eine kohlenhydratreiche Kost: 55 Prozent Kohlenhydrate , 15 Prozent Eiweiß, 30 Prozent Fett. Danach mussten sich die Studienteilnehmer sechs Wochen lang fettreich ernähren: 40 Prozent Kohlenhydrate , 15 Prozent Eiweiß, 45 Prozent Fett. Beide Ernährungsweisen enthielten die gleiche Anzahl an Kalorien.

Nach der Umstellung auf die fettreiche Ernährung stellten die Wissenschaftler schon nach sieben Tagen fest, dass sich die Aktivitätsmuster von vier zentralen Zeitgeber-Genen nach hinten verschoben. Sie wurden verspätet aktiv. Besonders bei den eineiigen Zwillingen zeigte sich, dass die Aktivitätsmuster ihrer Uhren-Gene sich ähnlich veränderten. "Wir gehen daher davon aus, dass die Art und Weise, wie das System der Zeitgeber-Gene auf die unterschiedliche Ernährung reagiert, erblich vorherbestimmt ist", sagt Dr. Olga Pivovarova, die Leiterin der Studie.

Die Potsdamer Forscher haben sich nicht dazu geäußert, welche Auswirkungen es langfristig auf unseren Organismus und unsere Gesundheit haben könnte, wenn die innere Uhr dauerhaft verstellt wird. Da die Signale der inneren Uhren alle Körperfunktionen steuern, könnte eine gestörter Rhythmus durchaus die Abläufe beeinträchtigen.

Die Potsdamer Studie kommt auch zu dem Ergebnis, dass sich nach einer Woche fettreicher Ernährung der tägliche Rhythmus der Cortisol-Ausschüttung verschoben hatte. Das Hormon Cortisol wird im Gehirn von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttet. Der Cortisol-Spiegel steigt am frühen Morgen an, wodurch der Stoffwechsel angekurbelt wird. Es wird Energie aus den Fett- und Zuckerdepots freigesetzt, sodass dem erwachenden Organismus genug Treibstoff zur Verfügung steht. Die Wissenschaftler konnten zeigen, dass bei einer fettreichen Ernährung der Cortisol-Spiegel am Morgen bis zu anderthalb Stunden später ansteigt als üblich. Das könnte bedeuten, dass dem Körper in der Frühe der nötige Kick fehlt, man nur schwer aus den Federn kommt und tagsüber weniger leistungsfähig ist.

Zudem haben die Forscher entdeckt, dass fettes Essen die Aktivitätsmuster bestimmter Gene ändert, die bei Entzündungsreaktionen im Körper eine Rolle spielen. Auch diese Erkenntnis haben die Wissenschaftler noch nicht eingeordnet.

Forscher der Northwestern-Universität in Illinois, USA, haben in Versuchen mit Mäusen nachgewiesen, dass Veränderungen in den Uhren-Genen mit Fettleibigkeit, hohem Blutdruck, hohem Zuckerspiegel im Blut, starker Verfettung im Bauchraum (Eingeweidefett), erhöhtem Cholesterinspiegel und hohen Blutfettwerten einhergehen.

Das lässt vermuten, dass auch beim Menschen ein durch fettreiche Ernährung gestörter Tagesrhythmus auf Dauer zu Übergewicht und gesundheitlichen Problemen führt. Professor Dr. Andreas Pfeiffer, Leiter der Abteilung Klinische Ernährung am Potsdamer Institut, sagt dazu: "In Zukunft könnte es auf die Einzelperson zugeschnittene, konkretere Ernährungsempfehlungen geben, die auf ihre innere Uhr abgestimmt ist." Möglicherweise ergibt sich daraus eine neue Therapie bei der Behandlung von Übergewicht und der dadurch bedingten Folgeerkrankungen.

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