Die Chance, im Alter selbstständig zu bleiben

Berlin · Möglichst ohne fremde Hilfe auszukommen, am besten in der eigenen Wohnung, wünschen sich die meisten Senioren. Erkrankt ein älterer Mensch jedoch, droht das den Plan, selbstständig und mobil zu bleiben, zu durchkreuzen. Eine geriatrische Reha kann helfen, wieder auf die Beine zu kommen.

 Im Rahmen einer geriatrischen Reha trainiert eine Therapeutin mit ihrer Patientin auf einem speziellen Kissen den Gleichgewichtssinn. Dadurch wird auch die Muskulatur gekräftigt. Fotos: Markus Scholz

Im Rahmen einer geriatrischen Reha trainiert eine Therapeutin mit ihrer Patientin auf einem speziellen Kissen den Gleichgewichtssinn. Dadurch wird auch die Muskulatur gekräftigt. Fotos: Markus Scholz

Meist beginnt es mit einem Sturz, vielleicht beim Einsortieren der frischen Wäsche oder auf dem Weg in den Keller. Bei älteren Menschen passiert es dann leicht, dass dabei zum Beispiel der Oberschenkelhals kompliziert bricht. Nach der Operation fällt jede Bewegung schwer, an eine Rückkehr in die eigene Wohnung ist nicht zu denken. Statt einer normalen Reha können ältere Patienten dann eine geriatrische Reha beantragen. Sie hat viele Vorteile. Doch die meisten wissen gar nicht, dass es so etwas gibt.

Die Geriatrie , auch Altersmedizin genannt, ist erst seit 30 Jahren in Deutschland etabliert. Sie befasst sich mit den speziellen Erkrankungen oder Unfallfolgen bei älteren Menschen. "In einer geriatrischen Klinik richtet ein Team von Experten den Blick nicht nur auf die Erkrankung des Patienten . Auch der Mensch und sein Umfeld werden mit einbezogen", erklärt Dirk van den Heuvel, Geschäftsführer des Bundesverbands Geriatrie . So könnten sich beispielsweise hinter dem Sturz eines Patienten viele gesundheitliche Probleme verbergen: Manch einer sieht nicht mehr gut, andere haben Gehprobleme.

Was genau zum Beispiel zu einem Sturz geführt hat, wird im Rahmen einer geriatrischen Reha von verschiedenen Fachleuten ausgelotet. Dazu muss der Patient Fragebögen ausfüllen und an Tests teilnehmen. Anhand der Ergebnisse wird entschieden, wie es mit der Behandlung weitergeht.

Unter dem Dach einer geriatrischen Klinik arbeiten viele Experten zusammen, angefangen von Ärzten und Pflegern über Physiotherapeuten und Ergotherapeuten bis hin zu Psychologen, Sozialarbeitern und Logopäden. Stellt sich beispielsweise heraus, dass die Einnahme von mehreren Medikamenten gleichzeitig unerwünschte Nebenwirkungen hat, die Stürze begünstigen, dann passen Ärzte den Medikamentenplan des Patienten an.

"Ziel einer Behandlung in einer geriatrischen Klinik ist es, die Selbstständigkeit eines Patienten zu erhalten beziehungsweise wieder herzustellen", sagt der Mediziner Michael Musolf. Er ist Chefarzt in der Klinik für Geriatrie und Physikalische Medizin am Evangelischen Amalie-Sieveking-Krankenhaus in Hamburg.

Es geht also nicht nur um das akute Problem. Die Fachleute schauen auch, wie der Patient noch gefördert werden muss, um so selbstständig wie möglich in den Alltag zurückkehren zu können. "Ist der Patient etwa infolge eines Sturzes behindert, dann werden ihm Wege aufgezeigt, wie er damit umgehen kann", erklärt Musolf. Psychologen helfen den alten Menschen, mit der neuen Situation zurecht zu kommen.

"Patienten mit altersbedingten Krankheiten und Beeinträchtigungen haben einen Rechtsanspruch auf eine geriatrische Reha", sagt Bettina Sauer von der Stiftung Warentest . Allerdings wüssten die wenigsten, dass es eine solche spezielle Reha überhaupt gibt.

Eine geriatrische Reha kann ambulant, stationär oder mobil erfolgen. Im letzten Fall kommen die Therapeuten zum Patienten nach Hause. Beantragen kann eine geriatrische Reha jeder um die 70, der zum Beispiel unter Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Atemwegserkrankungen leidet. Auch schmerzende Gelenke oder Parkinson sind Gründe, genauso wie Probleme bei der Körperpflege oder im Haushalt. "Meist kommt aber ein akuter Anlass hinzu, ein Herzinfarkt, Schlaganfall, Bruch oder Gelenkersatz", sagt Bettina Sauer.

Wer nicht genau weiß, ob eine solche Reha für ihn infrage kommt, kann das mit dem Hausarzt besprechen. Ohnehin muss ein Arzt die Reha verordnen. "Im Antrag sollte ausdrücklich geriatrische Reha stehen", rät Sauer. Die unterscheidet sich nämlich durch ihren ganzheitlichen Ansatz von einer normalen Reha. Außerdem muss genau drinstehen, welche Krankheiten und Einschränkungen der Patient hat.

Weil die geriatrische Reha vergleichsweise teuer ist, wird sie manchmal von den Krankenkassen abgelehnt. "Dann hilft ein Anruf beim Sachbearbeiter", sagt Sauer. Der Patient kann auch formal Widerspruch einlegen - mit Unterstützung des Arztes, der den Antrag gestellt hat, des Sozialdienstes der Klinik oder der gewählten Reha-Einrichtung.

"Bei der Wahl einer Wunsch-Klinik sollten Patienten darauf achten, dass der ärztliche Leiter ein Geriater ist, mit Altersmedizin also bestens vertraut ist", rät Dirk van den Heuvel. Die Einrichtung sollte zudem möglichst wohnortnah sein, denn so lasse sich mit ambulanten Dienstleistern die Zeit nach der Reha am besten organisieren.

Im Internet steht ein Überblick über Kliniken zur Verfügung, die Mitglied im Bundesverband Geriatrie sind und vom Verband ein Qualitätssiegel bekommen haben.

Zudem gibt es im Internet bei der Stiftung Warentest eine Liste mit Einrichtungen für die geriatrische Reha und Behandlung.

bv-geriatrie.de/verband/

mitgliedseinrichtungen

test.de/Geriatrische-Reha-

Reha-im-Rentenalter-

 Da Treppensteigen zum Alltag gehört, wird es in geriatrischen Kliniken gezielt geübt.

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