ANZEIGE Leben mit Krebs Die Betroffenen ganzheitlich behandeln!

Saarbrücken · Dr. med. Steffen Wagner, Vorsitzender der Saarländischen Krebsgesellschaft e.V., im Interview.

Onkologisches Zentrum
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Herr Dr. Wagner, warum engagieren Sie sich für die Saarländische Krebsgesellschaft e.V.?
Dr. Steffen Wagner: Ich behandle seit 20 Jahren Frauen mit Krebserkrankungen und bin darüber hinaus im Vorstand verschiedener nationaler onkologischer Fachgesellschaften aktiv. In den letzten Jahren haben sich bei unseren Patientinnen mit Brustkrebs die Heilungsraten dramatisch verbessert. So leben 5 Jahre nach der Diagnosestellung von 100 Frauen noch 88, nach 10 Jahren noch 82 (Robert Koch-Institut, Stand 2016). Neben der verbesserten Früherkennung (z.B. durch die Vorsorge-Mammographie) sind vor allem effektivere und zielgerichtete Medikamente dafür verantwortlich. Welchen Einfluss eine Krebserkankung und die -therapie auf den einzelnen Menschen und sein gesamtes Lebensumfeld haben, ist jedoch schwer in Zahlen zu fassen. Zum einen sind da der Schock und die Verunsicherung, die häufig zu einem extremen Stresszustand führen. Dann kommen häufig noch die Sorgen um die Familie oder die Kinder dazu. Nichts mehr ist plötzlich, wie es war. Um die Betroffenen „ganzheitlich“ wirklich zu behandeln, müssen wir uns auch um die verletzte Seele und die familiäre rechtliche und finanzielle Situation kümmern. Ich denke hier auch an Anträge zur Schwerbehinderung, Rehamaßnahmen, Wiedereingliederungen, finanzielle Hilfen usw. Das alles leistet die Saarländische Krebsgesellschaft e.V. mit ihren hochqualifizierten Psychologen und Sozialarbeitern.

Kommen die seelischen und sozialen Aspekte im Medizinbetrieb zu kurz?
Wagner: Leider ja, zumindest meistens. Als Arzt ist es häufig sehr schwer, neben den medizinischen Erfordernissen auch auf die seelischen und sozialen Bedürfnisse ausreichend einzugehen. Auf Tumorerkankungen spezialisierte Kliniken bieten deshalb erfolgreich Beratung durch speziell geschulte Mitarbeiter.

Onkologisches Zentrum
Foto: Saarländische Krebsgesellschaft e.V.

Aber nach der Behandlung in der Klinik stehen viele Betroffenen häufig wieder alleine da, wobei viele Hausund Fachärzte hier eine sehr wichtige Funktion übernehmen. Da die Krebspatienten heute viel länger leben als früher, ergeben sich daraus auch neue Anforderungen beispielsweise bei der Berufstätigkeit durch alltagsrelevante Langzeitschäden. Leider berücksichtigt der Medizinbetrieb diese Aspekte nicht ausreichend, hier fehlen die Zeit und das Geld an der richtigen Stelle. Das alles macht deutlich, wie wichtig das Angebot der Saarländischen Krebsgesellschaft e.V. für die Lebensqualität von Krebspatienten und ihren Familien ist.

Was versteht man unter „Komplementärmedizin“ in der Krebsbehandlung?
Wagner: Das sind ergänzende Behandlungsmethoden bei Krebspatienten, die häufig aus der Naturheilkunde stammen. Ein bekanntes Beispiel ist die Therapie mit Mistelextrakten. Ein weiterer Begriff dafür ist die „Integrative Medizin“. Wir wissen, dass beispielsweise knapp 80 Prozent aller Brustkrebspatientinnen irgendwann eine komplementäre Therapie anwenden. Man sieht also, es besteht ein großer Bedarf.

Warum wünschen sich viele Menschen „sanfte“ komplementäre Therapien?
Wagner: Man versetze sich nur einmal selbst in die Situation eines Menschen mit Krebsdiagnose hinein. Auf den ersten Blick fürchtet man sich natürlich vor Operationen, Chemo- oder Strahlentherapie. Es liegt auf der Hand, dass man da nach „schonenden“ Behandlungsalternativen oder -ergänzungen sucht.

Warum empfehlen Sie komplementärmedizinische Behandlungen?
Wagner: Wir wissen, dass eine Krebserkankung häufig eine große Stressbelastung bedeutet. Durch die lang andauernde Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol leidet der gesamte Organismus und es kommt zu einer Schwächung des Immunsystems. Man hat beispielsweise in Studien herausgefunden, dass es unter diesen Umständen den Krebszellen leichter fällt, sich im Körper zu verbreiten und festzusetzen. Auch die Infektion mit potenziell krebsbildenden Viren verläuft schwerer. Viele komplementärmedizinischen Behandlungen können das Stressniveau senken. Ich denke hier vor allem auch an Entspannungsverfahren oder sogenannte Mind-Body-Techniken wie Yoga und sportliche Aktivität im Allgemeinen.

Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von wirksamen pflanzlichen Therapien wie zum Beispiel Mistel, Ingwer, Ginseng, Medizinalpilze und andere. Sehr wichtig ist auch eine Kontrolle und Einstellung eines zu niedrigen Vitamin-D-Spiegels und eine Ernährungsberatung.

Kann Komplementärmedizin Krebs heilen?
Wagner: Alleine sicher überhaupt nicht. Sie wird hauptsächlich eingesetzt, um die Beschwerden der Tumorerkrankung und der Tumorbehandlung selbst, beispielsweise der Chemotherapie, zu lindern. Davon abgrenzen muss man die sogenannte Alternativmedizin, die die schulmedizinische Behandlung ablehnt und deshalb häufig ein Risiko für die Patienten darstellt. Eine 2018 veröffentlichte Studie konnte nachweisen, dass Krebspatienten, die auf die Schulmedizin verzichteten und ausschließlich auf alternative Therapien vertrauten, ein 6-fach erhöhtes Sterberisiko hatten. Für den medizinischen Laien ist es oft sehr schwer, unseriöse, wirkungslose oder sogar schädliche Behandlungsmethoden zu erkennen. Das finanzielle Interesse von entsprechenden Therapeuten tut da ein Übriges.

Wer berät Krebserkankte über sinnvolle komplementärmedizinische Behandlungen?
Wagner: Am besten der Arzt selbst. Eine wertvolle Entscheidungshilfe wird die Leitlinie der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. sein, an der ich aktiv mitarbeite. Als Vorsitzender der NATUM (Komplementärmedizinische AG der Dt. Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) bilde ich seit Jahren an der Uni Essen und Leipzig Frauenärzte weiter aus. Die NATUM sichtet und bewertet komplementäre Therapien. So fällt es den Ärzten leichter, die sinnvollen von den überflüssigen oder gar schädlichen Methoden zu unterscheiden. Es kommt auch immer darauf an, die Behandlungen auf den Patienten und seine Erkrankung individuell abzustimmen. Im Saarland haben bereits viele niedergelassene Ärzte und Klinikärzte die Kurse absolviert, z.B. aus der Caritasklinik in Saarbrücken, der DRK-Klinik Saarlouis und der Universitätsfrauenklinik Homburg. In letzterer war die Nachfrage so groß, dass dort eine spezielle NATUM-zertifizierte Sprechstunde für Integrative Medizin eingerichtet wurde. Viele Hausärzte verfügen zudem über großes Wissen und Erfahrungen und beraten und behandeln ihre Patienten mit großem Erfolg.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Onkologie?
Wagner: Für mich als Schulmediziner, der in erster Linie die modernsten Therapien anwendet, ist es kein Widerspruch, sich auch mit Naturheilverfahren und Randgebieten zu beschäftigen.

Wir sollten die Kluft zwischen der modernen Schulmedizin und sinnvoller komplementärer Medizin überwinden und uns zudem mehr um die die seelischen und sozialen Bedürfnisse der Krebspatienten kümmern. Im Zentrum allen ärztlichen Handelns sollte immer der kranke Mensch stehen.

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