Fazit zu Sharm el Sheihk Saarländischer Experte zur Weltklimakonferenz: „Ich hatte geringe Erwartungen, die erfüllt wurden“

Saarbrücken/Sharm El Sheihk · Nachhaltigkeitsexperte Maximilian Jungmann aus Fischbach bewertet für die SZ die Ergebnisse der Weltklimakonferenz – und kommt zu einem weitestgehend negativen Fazit.

 „Don’t fail us“, zu deutsch: „Enttäuscht uns nicht“ – das forderten Teilnehmer einer Demonstration rund um den Weltklimagipfel im ägyptischen Sharm El Sheihk. Diese Hoffnung wurde allerdings nicht erfüllt, berichtet der Saarbrücker Politikwissenschaftler Maximilian Jungmann.

„Don’t fail us“, zu deutsch: „Enttäuscht uns nicht“ – das forderten Teilnehmer einer Demonstration rund um den Weltklimagipfel im ägyptischen Sharm El Sheihk. Diese Hoffnung wurde allerdings nicht erfüllt, berichtet der Saarbrücker Politikwissenschaftler Maximilian Jungmann.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Zwei Tage später als geplant ging die 27. Weltklimakonferenz (Cop) im ägyptischen Sharm el Sheihk am vergangenen Sonntag zu Ende. Bis zum Schluss wurde erbittert verhandelt – die mageren Ergebnisse wurden dagegen auf der ganzen Welt mit großer Enttäuschung aufgenommen. Maximilian Jungmann bildet da keine Ausnahme: Der Politikwissenschaftler und Nachhaltigkeitsexperte aus Fischbach, der als Beobachter teilnahm, findet die Beschlüsse „nicht unbedingt ermutigend“.

Mehr noch: „Teilweise wurden Dinge, die bei der letzten Cop in Glasgow beschlossen wurden, wieder in Frage gestellt“, schildert Jungmann. Dazu gehöre der weltweite Ausstieg aus der Kohle, was sich allerdings glücklicherweise nicht durchgesetzt habe. Ein anderer Energieträger schaffte es aber noch kurz vor Ende ins Abschlussdokument: Erdgas. Jungmann ist von dieser Entscheidung bestürzt: „Ursprünglich sollte ganz klar festgehalten werden, dass der Ausbau erneuerbarer Energien vorangetrieben werden soll.“ Nun sei daneben auch von „emissionsarmen Energien“ die Rede – auf Betreiben einiger Nationen mit Erdgasvorkommen. Jungmanns Beobachtung: Vordergründig sei das Thema Klimaschutz allen Nationen zwar sehr wichtig, im Hintergrund dagegen werde weiterhin versucht, mit fossiler Energie Geld zu verdienen und die Verhandlungen entsprechend zu beeinflussen.

Reiche Länder wollen für Klima-Schäden zahlen – irgendwann

Breit diskutiert wurde während der Konferenz das Thema „Loss and Damage“, zu deutsch: „Schäden und Verluste“. Mit dem Abschlussdokument versprachen die Industrienationen, einen Hilfsfond für besonders von den Auswirkungen der Klimakrise betroffene, ärmere Länder einzurichten. „Dass diese Verantwortung so klar benannt wurde, ist neu und grundsätzlich begrüßenswert“, erklärt Jungmann. Allerdings: Die konkrete Umsetzung wurde erst einmal verschoben. „Es wurde praktisch ein Bankkonto eingerichtet, auf das die Länder einzahlen können. Bisher ist das aber noch nicht passiert.“ Geklärt sei ebenfalls noch nicht, welche Nationen zu den Nehmer- und welche zu den Geberstaaten gehören werden. „China beschreibt sich in diesem Zusammenhang immer als Entwicklungsland“, erklärt Jungmann – dabei gehört das Land weltweit zu den größten Emittenten. „Daran sieht man, wie schwierig die Verhandlungen sind.“

 Jungmann nahm nicht zum ersten Mal als Beobachter an einer Weltklimakonferenz teil.

Jungmann nahm nicht zum ersten Mal als Beobachter an einer Weltklimakonferenz teil.

Foto: Maximilian Jungmann

Die Hoffnung, die viele in die diesjährige Cop setzten, nämlich „von der Zielsetzung zum Handeln“ zu kommen, sei klar enttäuscht worden. Was fehle, seien verbindliche Klimaschutz-Zwischenziele der einzelnen Länder – kleine Schritte, die schon zur nächsten Cop überprüft werden könnten statt großer Versprechen für die ferne Zukunft. Das Pariser Klimaabkommen lasse den einzelnen Staaten freie Hand bei der Frage, wie sie ihre Treibhausgase reduzieren möchten, erklärt Jungmann. In Deutschland gibt es immerhin schon Ziele für einzelne Sektoren wie Verkehr oder Landwirtschaft. Besonders gut funktioniere das zwar hierzulande bisher nicht, dennoch „baut das natürlich viel mehr Druck auf“. Daher habe sich die Bundesrepublik in den Verhandlungen dafür eingesetzt, dass auch andere Länder dieses Verfahren übernehmen – erfolglos.

„Koalition der Willigen“ soll Vorreiter sein

Wie geht es weiter? Aufgrund des enttäuschenden Verlaufs fordern manche bereits die Abschaffung der Cop. Jungmann sieht das allerdings anders: „Die internationale Abstimmung ist extrem wichtig, auch in Hinblick auf das Konfliktpotenzial, das dahinter steht“, betont er. „Wenn jeder Staat sein eigenes Ding macht, lässt sich nicht mehr nachvollziehen, auf welchen Weg wir uns befinden.“ Er plädiert eher für zusätzliche Maßnahmen – beispielsweise eine „Koalition der Willigen“. Gemeint ist eine Zusammenarbeit von Ländern, die sich besonders ambitionierte Ziele setzen und damit mit guten Beispiel voran gehen. Außerdem: „Selbst mit diesem sehr schwachen Abschlussdokument werden Signale an die Wirtschaft gesendet.“ So sollen die Zentralbanken klare Nachhaltigkeitskriterien etablieren, mit denen klimaschädliche Investitionen kaum noch möglich sein werden. Es werde damit immer mehr offensichtlich, dass Geschäftsmodelle, die nicht auf Nachhaltigkeit achten, keine Zukunft mehr haben.

Nötig sei außerdem eine Plattform, um Investoren mit der Forschung zu vernetzen: „Wer sich auskennt weiß, wie weit wir bei manchen Technologien eigentlich schon sind“, erklärt Jungmann. „Aber sie werden einfach nicht umgesetzt.“

Starkes Auftreten der Bundesregierung

Positiv bewertet Jungmann dagegen das Auftreten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihres Stabs: Beispielsweise sei Anna Lührmann, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, „sehr offen und bemüht“ gewesen, die Haltung der anwesenden Wissenschaftler und NGOs zu verstehen. Baerbock selbst sei „professionell und engagiert“ gewesen – „gar nicht naiv, wie man es ihr vor ihrem Amtsantritt vorwarf“, lobt Jungmann. „Insgesamt ist die Bundesregierung sehr stark aufgetreten. Ich habe mich als Bürger gut vertreten gefühlt.“

Ermutigend sei auch, dass Lula da Silva, Brasiliens neu gewählter Präsident, angekündigt habe, die Abforstung des Regenwalds radikal zu stoppen. Damit endet Jungmanns positives Fazit allerdings. „Ich hatte sehr geringe Erwartungen an die Konferenz. Die wurden erfüllt“, fasst er seine Beobachtungen zusammen. „Ich muss leider sagen: Mit dieser Konferenz rückt das 1,5-Grad-Ziel in sehr weite Ferne.“ Es sei enttäuschend, dass die Weltgemeinschaft nicht imstande ist, mehr zu leisten für den Klimaschutz. „Wer immer noch nicht begriffen hat, dass jetzt die Zeit zum Handeln ist“, betont Jungmann, „dem kann man nicht mehr helfen.“