Geschichte Opa und sein Tanz mit einem Drachen

Pias und Pits Opa hat als kleiner Junge etwas Merkwürdiges erlebt. Er ist mit einem Drachen einfach davon geflogen.

Pia und Pit freuen sich. Morgen soll es windig werden. Opa will mit ihnen zum Drachensteigen fahren. „Es sieht toll aus, wenn der Drache in den Himmel steigt“, sagt Pia. „Mindestens hundert Meter hoch.“ Pit kichert. „So hoch fliegt kein Drache. Deiner schon gar nicht. Ihn zum Fliegen zu bringen ist gar nicht so einfach.“ Ihr Opa nickt. „Gab es in deiner Kindheit denn schon Drachen?“, fragen Pia und Pit erstaunt. Opa lacht. „Natürlich habe ich einen Drachen gehabt. Er war aus Holzstäben, Papier und einem langen Drachenschwanz gebastelt.“

„Dieses komische Ding konnte fliegen?“, zweifelt Pit. „Er ist wie eine kleine Rakete durch die Luft gesaust. Ich hatte Mühe, die Schnur festzuhalten.“, Opas Stimme wird geheimnisvoll: „Einmal ist mir etwas sehr Merkwürdiges passiert.“

„Was denn?“, fragen Pia und Pit. „Ich wartete auf eine Windböe, nahm Anlauf und ließ meinen Drachen los. Der Wind packte ihn, und ehe ich mich versah, schaukelte mein Drache in der Luft“, erzählt Opa. „Ich hatte Mühe, die Schnur nicht zu verlieren. Krampfhaft hielt ich mich an ihr fest. Der Drache jagte mich über die Wiese. Ich rannte und rannte, doch der Wind tobte so wild mit mir und meinem Drachen herum, dass ich irgendwann keine Kraft mehr hatte und erschöpft stehen blieb. Der Drache zerrte weiter an meinen Armen. Ich wollte die Schnur loslassen, doch sie blieb wie fest geklebt in meinen Händen. Es ruckte und zuckte durch meinen Körper. Auf einmal spürte ich, wie ich den Boden unter den Füßen verlor und über der Wiese schwebte. Hoch ging es, dem Drachen hinterher. Zuerst fürchtete ich mich, dann ließ der Schmerz in meinen Armen nach. Die Angst war wie weggeblasen. Vorsichtig sah ich mich um. Die Welt unter mir wurde immer kleiner. Bald konnte ich die Wiese und das Dorf nicht mehr erkennen. Mein Drache tanzte weiter durch die Luft. Es schien, als lachte er mir zu. Ich lachte zurück. Bald tanzte ich so elegant am Himmel wie ein Drache. Es war herrlich. ‚Ich kann fliegen!’ rief ich.“ Opa macht eine Pause. Er schließt die Augen, lächelt und sieht aus, als würde er gerade mit seinem Drachen über den Himmel tanzen. Pia und Pit staunen. „Das möchte ich auch!“, sagt Pit. „Ich auch“, ruft Pia. „Aber man kann doch nicht einfach losfliegen. Hast du wirklich mit dem Drachen getanzt?“ Opa lächelt: „Darüber habe ich oft nachgedacht.“

„Wie ging die Geschichte denn aus? Bist du irgendwann wieder auf den Boden geplumpst?“, fragte Pit. „Das war ja das Merkwürdige“, sagt Opa. „Wir sind in die Wolken eingetaucht. Alles war hell, warm und weich um mich herum. Das war so schön, dass ich für einen Moment die Augen schloss. Als ich sie wieder öffnete, lag ich doch mitten am Tage in meinem Bett.“ Opa schüttelte den Kopf. „Bis heute verstehe ich das nicht.“

„Du hast das alles nur geträumt!“, murrt Pia. Auch Pit ist enttäuscht: „So eine Schummelgeschichte! Schade! Ich habe es mir schon so schön vorgestellt, mit meinem Drachen über das Land zu schweben.“

„Es war kein Traum“, versichert Opa. „Nie hätte es meine Mutter erlaubt, dass ich am Tag im Bett liege.“

„Was war es dann? Ein Zauber?“, fragt Pia. „Hat dich eine Drachenhexe verhext?“, schlägt Pit vor. „War dein Drache verzaubert?“ Pia und Pit überlegen noch lange, und sie freuen sich noch mehr auf morgen. Vielleicht würde ihnen auch so etwas Merkwürdiges passieren.

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