Geschichte Der unheimliche Schulbusfahrer Egon Riese

Die älteren Kinder im Dorf haben den Erstklässlern Maja, Timo und Lutz Schauergeschichten vom Busfahrer erzählt.

Maja, Timo und Lutz wohnen in einem kleinen Walddorf auf dem Land. Das Dorf ist so klein, dass es hier nur Häuser, Bauernhöfe, eine Kirche, ein Gemeinschaftshaus und eine Kneipe, den Dorfkrug, gibt. Zum Einkaufen müssen die Bewohner in die Nachbardörfer fahren oder gleich ein paar Kilometer weiter in die Kleinstadt am Rande des großen Waldes. Aber die Einwohner haben sich daran gewöhnt.

Eine Schule gibt es auch nicht, denn die wenigen Dorfkinder können schlecht eine ganze Schule mit allen Klassen füllen. Das ist aber nicht schlimm. Zur Schule geht es mit dem Bus über die Dörfer in das kleine Städtchen. Unterwegs sammelt der Bus in jedem Dorf die Schüler ein. Busfahren ist toll. Man trifft hier viele nette Leute, man kann spielen, quatschen, blödeln. Man kann auch heimlich noch schnell ein paar Hausaufgaben im Bus machen. Das ist praktisch.

Seit heute sind auch die Erstklässler Maja, Timo und Lutz mit von der Partie. Auf die Fahrt mit dem Bus freuen sie sich mehr als auf die Schule. Wenn nur Egon Riese, der Busfahrer, nicht wäre. Der nämlich soll, sagen die älteren Kinder, ein gemeiner Kerl sein. Laut soll er sein, streng, unheimlich, ernst und mächtig. Wie ein schauriger Riese sieht er aus, wenn er mit böser Miene den Bus stoppt, die Tür öffnet und den Kindern beim Einsteigen zusieht. „Vor dem müsst ihr aufpassen“, hatten die anderen Kinder Maja, Timo und Lutz gewarnt. „Kinder, die nicht auf ihn hören oder die er nicht leiden kann, schmeißt er einfach aus dem Bus.“ Fast können die drei Erstklässler am Abend vor der ersten Schulbusfahrt nicht schlafen. Was, wenn der Riese Egon sie unterwegs mitten im Wald aussetzt? Daran möchten die drei gar nicht denken.

Angstameisen tanzten in ihren Bäuchen und ihre Beine fühlen sich zittrig an, als sie am nächsten Morgen hinter den älteren Kindern in den Bus einsteigen. „Guten Morgen, die Herrschaften!“, begrüßt Egon die Kinder mit donnernder Riesenstimme. „Morgen“, rufen die Kinder und Maja sagt vorsichtig: „Guten Morgen, Herr Riese.“ Busfahrer Egon stutzt, dann lacht er ein lautes dröhnendes Lachen, das gar nicht schaurig, sondern sehr nett klingt. „Hahaha! Haben sie euch wieder ihr Schauermärchen vom fiesen Riesen erzählt, diese Teufelsgören? Das machen sie doch jedes Jahr wieder mit den Neuen.“ Er greift in seine Tasche und zieht drei bunte Bücher hervor. Die drückt er Maja, Timo und Lutz in die Hände. „Mein Geschenk für alle Neulinge. Ein Buch, das ich geschrieben habe.“ Er lachte wieder. „Und Riese heiße ich auch nicht. Ich sehe nur so aus. Gestatten, mein Name ist Klein. Egon Klein.“

‚Die Geschichte vom Riesen, der sich vor einem Bus fürchtet‘ steht in Großbuchstaben auf dem Buchdeckel. ‚Von Egon Klein‘. Klein? Nicht Riese. Und überhaupt: Schulbusfahrer Egon ist sehr nett und hasst Kinder nicht, wie die anderen erzählt haben. Maja, Timo und Lutz atmen auf. Sie freuen sich. Wie toll es sich doch anfühlt, mit Busfahrer Egon zur Schule fahren zu dürfen.

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