WLAN-Router werden zum Raumüberwacher
Saarbrücken · Wenn ein Mensch sich in einem Raum bewegt, hinterlässt das Spuren, aber nicht nur auf dem Wohnzimmerteppich. Einem deutschen Forscher ist es gelungen, mithilfe von WLAN-Routern festzustellen, ob eine Person beispielsweise in einem Zimmer liegt oder steht.
Der deutsche Informatiker Stephan Sigg erforscht seit Jahren, welche Spuren verschiedene Bewegungsabläufe und Gesten auf elek-tromagnetischen Wellen hinterlassen. Dafür nutzt Sigg die Funksignale von Routern, Smartphones oder Radios. Anhand der Schwingung der WLAN- oder Radiowellen, die diese Geräte aussenden, kann der Informatiker relativ sicher sagen, was eine Person in einem Raum gerade tut.
"Wenn sich ein Mensch bewegt, verändert dies das Funksignal, macht es schwächer, reflektiert oder bricht es", erklärt Sigg, der seit fast vier Jahren mit der Wissenschaftlerin Shuyu Shi vom National Institute of Informatics in Tokio die Möglichkeit der Bewegungserkennung anhand von WLAN-Wellen erforscht. "Klar denkt man da zuerst an Überwachung im negativen Sinne", sagt Sigg. Doch Einsatzbereiche für die neue Technologie sieht er viele: "Im vernetzten Zuhause könnte das Messen von Funksignalen die Rolle von Sensoren übernehmen. So ließen sich durch Bewegungen Geräte steuern, etwa wenn Nutzer das Rollo hochfahren oder das Licht einschalten möchten", erklärt Sigg.
WLAN-Wellen haben den klaren Vorteil, dass sie nahezu allgegenwärtig sind. Zudem sind sie mit relativ geringem Aufwand messbar. Um das Funksignal in einem Raum abzubilden, verwendet Sigg ein sogenanntes Softwareradio, das per USB an den PC angeschlossen wird. Es bildet die Schnittstelle zum Funkkanal und macht die Funksignale in einem Raum auf dem Bildschirm sichtbar. Je nachdem, ob jemand telefoniert, eine Tür schließt oder herumläuft, verändert sich das Signal.
Bei Versuchen am Karlsruher Institut für Technologie fand Sigg gemeinsam mit anderen Forschern heraus: Jede Bewegung hinterlässt auf den WLAN-Wellen eine charakteristische Amplitude. Diese konnten die Forscher auch unter anderen Messbedingungen, etwa in einem anderen Raum mit anderen Funksignalen, wiedererkennen. Anhand dieser konnten sie für jeden Bewegungsablauf eine Art Fingerabdruck einer menschlichen Handlung erzeugen.
Nur anhand der WLAN-Wellen kann Sigg mit einer Genauigkeit von 70 bis 90 Prozent sagen, was ein Mensch in einem Raum gerade tut. "Klar, zeichne ich die Bewegungen mit einer Kamera auf, erziele ich natürlich genauere Ergebnisse", räumt Sigg ein. Doch läge hier auch der klare Vorteil seiner Methode: "Viele Menschen hätten sicher Bedenken, sich eine Kamera ins Bad oder Schlafzimmer zu stellen. Für ein Messgerät, dass schlicht die WLAN-Wellen im Raum misst, ist die Hemmschwelle dagegen viel geringer", meint der Forscher. Ebenfalls aus diesem Grund wäre ein mögliches Einsatzgebiet die Überwachung pflegebedürftiger Menschen. "Anders als bei Kameras verletzt man bei der Messung von Funksignalen nicht die Privatsphäre im engeren Sinne", erklärt Sigg.
Hier könnte die Technik etwa dazu eingesetzt werden, dass bei körperlicher Inaktivität automatisch der Rettungsdienst informiert werde. US-Forscher der University of Utah in Salt Lake City konnten in einer 2011 veröffentlichten Studie sogar anhand der Signalstärke eines Drahtlosnetzwerks feststellen, ob ein Mensch im Raum atmet oder nicht. Allerdings: "Um Leben zu retten, ist auch eine 90- prozentige Messgenauigkeit noch ziemlich schlecht", erklärt Sigg. Um punktgenaue Ergebnisse zu erzielen, müsse die Grundlagenforschung zur Bewegungserkennung durch WLAN-Wellen allerdings noch einige Probleme lösen, so Stephan Sigg.