Standortüberwachung per Smartwatch Wie Eltern Spionen in die Hände spielen

Saarbrücken · Mit sogenannten Tracking-Uhren können Erwachsene den Standort ihres Kindes abfragen. Im schlimmsten Fall gelangen die Daten aber noch an andere. Unbefugte Dritte können sich unbemerkt Zugang zu ihnen verschaffen.

 Eltern, die ihren Nachwuchs mit speziellen Uhren zur Standortabfrage ausstatten, sollten Vorsicht walten lassen.

Eltern, die ihren Nachwuchs mit speziellen Uhren zur Standortabfrage ausstatten, sollten Vorsicht walten lassen.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Eltern können ihren Nachwuchs mittlerweile problemlos auf Schritt und Tritt verfolgen, indem sie ihren Aufenthaltsort digital abfragen – ob mit Hilfe spezieller Apps auf dem Smartphone oder Kinderuhren, die mit einer SIM-Karte ausgestattet sind und über eine GPS-Funktion verfügen, sogenannten Smartwatches. Aktuell nutzen 92 Prozent der Eltern diese Überwachungstechnik zwar nicht, 46 Prozent könnten es sich in Zukunft jedoch vorstellen. Das geht aus einer Befragung des Marktwächter-Teams der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hervor. Die Marktwächter sind ein gemeinsames Projekt der Verbraucherzentralen, das Internetnutzer vor den Risiken und Gefahren in der digitalen Welt warnen und so dagegen schützen will. Befragt wurden 1048 Eltern, die Kinder im Alter von drei bis 14 Jahren haben. Für 37 Prozent der Teilnehmer wäre die Ortung über eine Smartphone-App demnach denkbar, 19 Prozent tendieren zum Einsatz einer GPS-fähigen Smartwatch.

Etwas mehr als die Hälfte der Eltern empfindet es als nicht notwendig, den Standort ihrer Kinder zu verfolgen. Dies hat unterschiedliche Gründe. Fast alle der Befragten (91 Prozent) sind der Ansicht, man müsse seinen Kindern vertrauen können. Für 74 Prozent dringen diese Kontrolltechniken zu stark in die Privatsphäre des Kindes ein. Knapp die Hälfte geht davon aus, dass ihr Kind auch ohne Standortverfolgung sicher sei. Zuletzt befürchten die Eltern, Dritte könnten unbefugten Zugriff auf die übermittelten Daten erhalten.

Smartwatches dienen nicht nur dazu, den Standort des Kindes zu überwachen, sondern können auch als Abhörgerät fungieren. Nach Angaben der Bundesnetzagentur sind diese Uhren mit einer SIM-Karte, einem GPS-Sensor und eingeschränkten Telefoniefunktionen ausgestattet. Letztere können über eine App installiert und bedient werden. Auf diesem Weg können Eltern die Uhr steuern, sie eine beliebige Telefonnummer wählen lassen und so den Gesprächen ihres Kindes und seiner Umgebung lauschen. In Deutschland bieten immer mehr Online-Händler solche Smartwatches an. Diese werden unter der verharmlosenden Bezeichnung „Babyphone“ oder „Monitorfunktion“ verkauft und sind nach Angaben der Hersteller am besten für Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren geeignet.

Doch ist diese Überwachung tatsächlich eine sinnvolle Möglichkeit der Vorsorge? Tracking sei eine drastische Maßnahme, die das Vertrauensverhältnis massiv belaste, meint die Diplom-Psychologin Dr. Antonia Baumeister. „Eltern sollten weder sich selbst damit verrückt machen, ihr Kind in jedem Augenblick kontrollieren zu wollen, noch sollten sie ihrem Kind vermitteln, dass die Welt gefährlich und feindselig ist. Für die Entwicklung des Selbstbewusstseins von Kindern ist es hilfreicher, wenn sie lernen, dass sie ihre Umgebung durch ihr eigenes Verhalten kontrollieren können.“

Baumeister rät Eltern, die eine Überwachung per Smartwatch in Erwägung ziehen, ihrem Nachwuchs stattdessen so früh wie möglich Verhaltensregeln beizubringen und einzuüben. „Eltern mit einem Kind im Schulalter sollten zum Beispiel für die Freizeit vereinbaren, wann sich das Kind an welchem Ort mit welcher Person aufhalten wird und dass es telefonisch erreichbar ist.“ Weiterhin sollten Eltern täglich mit ihrem Kind besprechen, was es an dem Tag erlebt hat und wem es begegnet ist.

Unklar bleibt auch, was mit den Tracking-Daten geschieht. Mit der Nutzung dieser Überwachungs-Technologie gehen hohe Sicherheitsrisiken einher, mahnt Ricarda Moll von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. So könnten die durch die Uhr abgefragten Standortdaten von Dritten abgegriffen und manipuliert werden. Im schlimmsten Fall könne auch eine völlig fremde Person erfahren, wo sich das Kind gerade aufhalte – oder dafür sorgen, dass den Eltern ein falscher Standort in der App angezeigt werde, erklärt Moll. Eingespeicherte Daten wie ein festgelegter Bewegungsradius oder Telefonnummern, über die das Kind erreichbar ist, könnten ebenso verändert werden.

Aus diesem Grund stehen die Smartwatches auch bei Datenschützern unter massiver Kritik. Laut Jochen Homann, Präsident der Bundesnetzagentur, sind sie als unerlaubte Sendeanlage anzusehen. So haben die Experten herausgefunden, dass diese Uhren von Eltern unter anderem zum Abhören von Lehrern im Unterricht genutzt werden. Das sei in Deutschland strafbar. Eltern, die ihren Kinder eine solche Uhr gekauft haben, müssten sie auf der Stelle unschädlich machen und einen Vernichtungsnachweis aufbewahren, fordert die Behörde. Dazu sei auch die Hilfe der Schulen gefragt: Lehrer müssten verstärkt darauf achten, ob nicht einer ihrer Schüler eine Uhr mit Abhörfunktion am Handgelenk trage. Das Formular für einen Vernichtungsnachweis finden Verbraucher auf der Internetseite der Bundesnetzagentur.

www.bundesnetzagentur.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort