Wer spricht mit wem?

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen um das Thema in Deutschland hat die Bundesregierung nun eine Neuregelung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung auf den Weg gebracht. Doch die massenhafte Erfassung von Telekommunikationsdaten ist mittlerweile derart in Verruf geraten, dass die Regierung in diesem Zusammenhang lieber von einer „Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“ spricht. Einige der Details der geplanten Neuregelung haben es trotzdem in sich.



In welchem Maße sind Internet- und Telefonnutzer betroffen?

Zehn Wochen lang soll gespeichert werden, wer wann mit wem wie lange telefoniert, SMS verschickt, und wie sich jemand im Internet bewegt. Vier Wochen sollen die Standortdaten von Handy-Gesprächen aufbewahrt werden. Daten zum E-Mail-Verkehr werden nicht erfasst, Kommunikationsinhalte ohnehin nicht. Die Sicherheitsbehörden bekommen nur in bestimmten Fällen Zugriff auf die Daten. Doch die Erfassung trifft nicht nur verdächtige Schwerverbrecher, sondern sämtliche - auch völlig unbescholtene - Bürger. Das sorgt für heftige Proteste.

Können Nutzer die Datenspeicherung umgehen?

Ja, wer will, hat etliche Möglichkeiten, beim mobilen Telefonieren oder im Internet seine Spuren zu verwischen - etwa mit freigeschalteten Prepaid-Handys, die keiner bestimmten Person mehr zuzuordnen sind, oder mit Krypto-Telefonen, die Kommunikation sicher verschlüsseln und auch die Verbindungsdaten verschleiern. Im Internet können Nutzer ihre Verbindungsdaten unter anderem durch das Anonymisierungsnetzwerk TOR verbergen und unkenntlich machen.

Was bringt dieses Instrument überhaupt Ermittlern?

Kritiker zweifeln wegen der Umgehungsmöglichkeiten am Nutzen der Vorratsdatenspeicherung zur Verbrecherjagd. Niemand habe bislang die Notwendigkeit dieses Instruments belegen können, argumentieren sie. In Frankreich etwa, wo es die Vorratsdatenspeicherung bereits gibt, schützte diese nicht vor den Terroranschlägen von Paris. Deutsche Ermittler selbst halten die Speicherfristen für zu kurz.

Können Berufsgeheimnisträger wirksam geschützt werden?

Die Daten von Seelsorgern, Rechtsanwälten, Ärzten, Apothekern, Abgeordneten oder Journalisten sollen tabu sein. Die Anrufe bei Seelsorge-Hotlines werden grundsätzlich nicht erfasst. In allen anderen Fällen werden die Daten von Berufsgeheimnisträgern zwar mitgespeichert, aber die Sicherheitsbehörden dürfen diese nicht auswerten.

Was kommt auf die Telekommunikationsunternehmen zu?

Unternehmen müssen eine bestimmte Infrastruktur zur Datenspeicherung aufbauen und dabei vorgeschriebene Sicherheitsvorkehrungen einhalten. Laut Justizressort sind etwa 1000 Firmen betroffen. Branchenverbände rechnen mit Kosten in dreistelliger Millionenhöhe. "Wenn wir das technisch sicher realisieren wollen, wird das unfassbar teuer", heißt es beim Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco).

Meinung:

Gelungene Balance

Von SZ-Korrespondent Werner Kolhoff

Das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung schafft ein zusätzliches Instrument für die Ermittler. Es ist notwendig, weil die Verbrecher heutzutage auch über elektronische Medien miteinander kommunizieren und zunehmend international vernetzt sind. Das gilt für die Bandenkriminalität, das gilt für den Terrorismus. Es wäre grob fahrlässig, so zu tun, als gäbe es das alles nicht. Doch dieser Gesetzentwurf ist eine Vorratsdatenspeicherung light. Gespeichert werden nur die Verbindungsdaten, nicht die Inhalte, und das nur zehn Wochen lang. Und der Zugriff ist streng reglementiert - nur nach richterlicher Anordnung, nur bei besonders schweren Straftaten. Das sind erhebliche Einschränkungen, doch sie waren notwendig, um die Freiheitsrechte der Bürger nicht über Gebühr zu strapazieren. Schließlich erfolgt die Speicherung tatsächlich ohne Anlass. Eine Demokratie muss stets die Balance zwischen Sicherheit und Freiheit halten, auch in der Bedrohung. Hier scheint sie gelungen.

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