Wenn die Webcam zum Spion wird

Saarbrücken · Auch wenn die Vorhänge zugezogen sind, ist es nicht sicher, dass niemand Fremdes einen Blick ins Schlafzimmer erhaschen kann. Möglicherweise läuft die Webcam mit. Nutzer bekommen davon häufig nichts mit.

 Kriminelle können mit Hilfe von Internet-Kameras ahnungslose Nutzer ausspionieren. Foto: Daisy/Fotolia

Kriminelle können mit Hilfe von Internet-Kameras ahnungslose Nutzer ausspionieren. Foto: Daisy/Fotolia

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Ein Mädchen aus Aachen hat sich vor fünf Jahren darüber gewundert, dass ihr Computer seit einiger Zeit langsamer lief als sonst. Sie holte ihren Vater zur Hilfe und der einen befreundeten Computerexperten , der eine folgenschwere Entdeckung machte: Auf dem Rechner des Mädchens hatte sich ein Trojaner festgesetzt, der auf ihre Internet-Kamera zugriff. Die Recherchen der Polizei führten daraufhin zu einem 44-jährigen Mann, der sich mit Hilfe seines Trojaners Einblick in die Intimsphäre vieler Mädchen und junger Frauen verschafft hatte.

Dieser Fall machte damals bundesweit Schlagzeilen, weitere sind bekannt. Und die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen, vermutet Frank Spaeing, Sprecher der Initiative "Datenschutz geht zur Schule" im Berufsverband der Datenschutzbeauftragten in Deutschland mit Sitz in Berlin. Die Initiative geht in Schulen, um Kinder unter anderem für dieses Thema zu sensibilisieren. Über 60 000 Jungen und Mädchen habe man so schon erreicht.

Der Voyeur aus dem Aachener Fall hatte sich nach Erkenntnissen der Polizei zunächst in sozialen Netzwerken Mädchen ausgesucht, die ihm gefielen, um dann auf deren PCs seinen Trojaner zu platzieren. Hier spricht man von einem "gezielten Angriff", wie Marc Fliehe, Bereichsleiter Sicherheit beim Branchenverband Bitkom, erklärt. Häufiger seien aber ungezielte Angriffe, bei denen die Kriminellen Links in Kommentaren mit leeren Verprechungen unter Youtube-Videos oder Blogeinträgen hinterlassen. Doch statt durch einen Klick auf die gewünschte Seite zu gelangen, fangen sich die Rechner auf der Zielseite den Trojaner ein, nach denen die Hacker im sogenannten Darknet nicht lange hatten suchen müssen. Als Darknet werden verschlüsselte Internet-Netzwerke bezeichnet. Dort gibt es für wenige Euro komplette Viren-Bausätze zu kaufen. Und wenn diese nicht funktionieren, könne der Hacker beim Verkäufer sogar Garantieansprüche geltend machen. "Als Dienstleistung liefern manche technischen Support", erklärt Marc Fliehe.

Auf den Rechnern öffnen die Trojaner ihrem Absender den Zugang zum System. Jetzt kann er alles das tun, was der Nutzer auch kann: Er kann Einstellungen ändern, Passwörter beim Online-Banking ausspähen oder eben die Webcam einschalten, von deren Existenz manch unbedarfter Nutzer bisher nicht einmal Notiz genommen hat: Bei einem Laptop schaut die kleine Linse ihm von oben in der Mitte aus entgegen. Abkleben macht sie blind, lässt aber nicht den Hacker verschwinden, der sich aus sämtlichen vorstellbaren Gründen auf die Webcam eingeschossen hat: Macht demonstrieren, Nutzerausspionieren, entblößte Menschen beobachten und Aufnahmen von ihnen vertreiben. "Die Fantasie der Angreifer ist in der Regel größer als das Vorstellungsvermögen der Sicherheitsexperten", sagt Fliehe.

Die Palette der Motive ist lang und macht eines deutlich: Es lohnt sich, Vorkehrungen zu treffen. Das gilt auch dann, wenn jemand glaubt, nichts zu verbergen zu haben. Denn das Gefühl der Sicherheit in den eigenen vier Wänden geht schnell verloren. Regelmäßige Aktualisierungen der Sicherheitssoftware helfen. Sie machen Trojaner schnell ausfindig und werfen sie raus. Leuchtet das Lämpchen von externen Webcams, wenn es nicht sollte: Obacht, hier stimmt vielleicht etwas nicht, mahnt Spaeing. Und Marc Fliehe empfiehlt dringend, fragwürdige Links unangetastet zu lassen.

Zum Thema:

HINTERGRUNDDie Initiative "Datenschutz geht zur Schule" im Berufsverband der Datenschutzbeauftragten in Deutschland (BVD) e.V. rät Schülern, die den Verdacht haben, von ihrem PC aus beobachtet zu werden, die Kamera abzukleben, mit den Eltern darüber zu sprechen, PC oder Smartphone von einem IT-Experten untersuchen zu lassen und gegebenenfalls die Polizei zu informieren. Die Initiative ist deutschlandweit aktiv. Schulen, die einen Mitarbeiter für einen Vortrag einladen möchten, können sich auf der Homepage des Verbandes anmelden. avmbvdnet.de

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