Gegen Smartphone-Sucht Wenn das Smartphone krank macht

Hameln/Bonn · Aus Angst, etwas zu verpassen, sehen viele Menschen ständig auf ihr Handy. Das kann gesundheitliche Folgen haben.

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Foto: SZ

Schnell vor dem Schlafengehen noch E-Mails zu lesen oder das Instagram-Profil aufzurufen, gehört für viele zum Alltag. Ein Leben ohne Smartphone können sich die meisten Menschen nicht mehr vorstellen. Doch die ständige digitale Dauerbeschallung hat einen Preis. Professor Peter Schulte von der Hochschule Weserbergland beschäftigt sich in seiner Arbeit mit den Folgen exzessiver Smartphone-Nutzung.

Schulte, der als Verhaltenstherapeut arbeitet, verweist auf die Ergebnisse eines Forschungsprojektes der Uni Bonn. Den Ergebnissen zufolge sehen Menschen im Durchschnitt mehr als 80-mal pro Tag auf ihr Smartphone. Im Schnitt unterbrechen Nutzer alle 18 Minuten das, was sie gerade tun, um einen Blick aufs Handy zu werfen, erläutert Schulte. Andere Studien zeigen sogar, dass die Zahl unter Umständen noch viel höher sein könne. Zwischen 140- und 214-mal haben Menschen Untersuchungen zufolge auf das Gerät geschaut. Schulte erklärt, dass der Grund für dieses Verhalten im Gehirn zu suchen sei. „Immer wenn das Smartphone sich meldet, springt unser Belohnungssystem an. Daher ist es für die Nutzer so verlockend, darauf zu achten, was das Gerät macht.“

Untersuchungen aus Texas haben laut Schulte gezeigt, dass die Konzentrationsfähigkeit von Menschen sinke, sobald das Smartphone in der Nähe sei. Selbst dann, wenn es aus- oder stummgeschaltet sei. Die Teilnehmer an der Studie seien vorher überzeugt gewesen, dass das Smartphone sie nicht beeinträchtige. Die Fähigkeit zum Multitasking, also zum Erledigen mehrerer Aufgaben gleichzeitig, sei nicht mehr als ein Mythos, erklärt Schulte. Das Gehirn sei nicht in der Lage, mehrere komplexe Aufgaben gleichzeitig zu erledigen. Vielmehr wechsele es zwischen den Aufgaben schnell hin und her. Das führe zu Stress, die Menschen seien bei ihrer Arbeit dann nicht mehr so produktiv. Das Smartphone lasse den Nutzer oft nicht zur Ruhe kommen, was letztlich zu psychischen Probleme führen könne.

Vor allem Burnout, das Gefühl, körperlich wie geistig ausgebrannt zu sein, sei eine häufige Folge, so Schulte. Burnout gelte bisher jedoch nicht als eigenständige Diagnose. Dass das Syndrom medizinisch kaum anerkannt sei, bedauert Schulte sehr. Denn dadurch können die Menschen, die darunter leiden, nur schwer versorgt werden. Überwältigende Erschöpfung und das Gefühl, völlig neben sich zu stehen, seien die Hauptsymptome eines Burnouts, so Schulte. „Menschen, die darunter leiden, befinden sich in einer schweren Lebenskrise, die nicht unterschätzt werden darf“, sagt der Verhaltenstherapeut. Der ständige Umgang mit dem Smartphone, die Anforderung, immer erreichbar sein zu müssen, spielen seinen Worten nach zumindest immer mit eine Rolle. Einschlägige Untersuchungen, die beweisen, dass die vermehrte Nutzung des Smartphones zu Depressionen oder Burnout führe, gebe es bisher allerdings nicht, so Schulte.

2014 haben Informatiker und Psychologen der Universität Bonn die App Menthal entwickelt. Die Anwendung soll Menschen helfen, einen Überblick über ihr Smartphone-Nutzungsverhalten zu bekommen. Welche Programme wie lange genutzt werden, schlüsselt die App genau auf. Hinter dem Namen Menthal verbirgt sich aber nicht nur eine App, sondern auch eine großangelegte Studie. Schon 2015 nutzten laut Auskunft des Informatikers und Medienwissenschaftlers Alexander Markowetz, der am Menthal-Projekt beteiligt ist, rund 300 000 Menschen die App. Auch Markowetz sieht in der dauernden Smartphone-Nutzung ein Risiko für die Gesundheit.

Wie können Smartphone-Nutzer den Stress durch die digitale Technologie mindern? „Die direkte Kommunikation suchen, Leute persönlich treffen, statt nur Nachrichten zu schreiben, und sich manchmal die Zeit nehmen, sich selbst zuzuhören“, schlägt Schulte vor. „Man soll sich fragen: Wie geht es mir eigentlich? Was brauche ich gerade? Das wäre ein Anfang“, erläutert der Verhaltenstherapeut. Er rät auch dazu, das Smartphone nicht für alles zu nutzen. Zum Beispiel können Nutzer sich wieder einen Wecker anschaffen, anstatt schon morgens mit dem Smartphone aufzuwachen und die ersten Nachrichten zu lesen, schlägt Schulte vor.

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