Virtual Reality Virtuelle Welten werden Wirklichkeit

Immenstadt · Mit Virtual-Reality-Brillen können Nutzer in computersimulierte Umgebungen eintauchen. Doch das ist kein reines Freizeitvergnügen: Auch in Forschung, Industrie und bei der Therapie von Angststörungen kommen die Brillen ins Spiel.

 Die Virtual-Reality-Brille „Vive“ vom taiwanesischen Hersteller HTC lässt simulierte Welten echt erscheinen. Hier entwirft ein Nutzer in einer dreidimensionalen Umgebung ein Smartphone-Design. Der Bildschirm im Hintergrund zeigt, was er dabei sieht.

Die Virtual-Reality-Brille „Vive“ vom taiwanesischen Hersteller HTC lässt simulierte Welten echt erscheinen. Hier entwirft ein Nutzer in einer dreidimensionalen Umgebung ein Smartphone-Design. Der Bildschirm im Hintergrund zeigt, was er dabei sieht.

Foto: dpa-tmn/Andrea Warnecke

Der Angstschweiß ist echt. Eigentlich steht Moritz Kuhn in einem Keller im beschaulichen Immenstadt im Allgäu. Doch wenn der 20-Jährige nach vorne schaut, blickt er aus 160 Metern Höhe in eine Häuserschlucht – denn er trägt eine Virtual-Reality-Brille. Mit einem solchen Gerät können sich Nutzer in von Computern simulierten, virtuellen Welten bewegen. Moritz hat spürbare Angst, nach unten zu fallen, dabei sieht er nur eine Simulation.

Rund 30 Prozent der Besucher trauen sich nicht, den Schritt in den virtuellen Abgrund zu machen, sagt Christian Bendlin. Seit März betreibt der IT-Berater in Immenstadt einen Virtual-Reality-Erlebnisraum. Moritz springt am Ende doch. „Ich war richtig zittrig in den Beinen“, sagt er.

Seit im vergangenen Jahr bezahlbare Virtual-Reality-Brillen auf den Markt gekommen sind, wächst das Geschäft mit der virtuellen Realität. Und davon profitiert nicht nur die Unterhaltungsbranche, sondern auch Forschung und Industrie.

In Erlebnisräumen wie in Immenstadt müssen Spieler sich nur eine Brille aufsetzen, und schon sehen sie etwa Filmaufnahmen, die sie vollständig umgeben. Bewegungen werden von Sensoren erfasst und in die virtuelle Welt übertragen. Das wird durch zwei Steuerungsgeräte, die die Nutzer in den Händen halten, ermöglicht. Damit können sie sich zum Beispiel mit einem Seil an einem Klettersteig auf dem Mount Everest sichern.

Noch ist die virtuelle Realität in der Unterhaltungsindustrie eher eine Nische. Bis Mai dieses Jahres wurden laut Michael Guthe von der Universität Bayreuth weltweit etwa zwei Millionen Virtual-Reality-Brillen verkauft. Das sei, beispielsweise im Vergleich zu den Absatzzahlen von Spielekonsolen, eine verschwindend geringe Zahl, sagt er. „Der echte Boom wird aber sicher in den nächsten Jahren kommen, wenn die Technik noch etwas besser und vor allem der Preis niedriger sein wird.“

Davon können auch ganz andere Bereiche profitieren – etwa die Psychologie. Andreas Mühlberger forscht an der Universität Regensburg zu Virtual Reality. Vor allem in der Angsttherapie sei die Technologie vielversprechend. Bei der Behandlung von Spinnen-, Höhen- oder Flugangst seien mit virtuellen Realitäten schon Erfolge erzielt worden, erklärt er. Auch in der Simulation könnten Angstgefühle verändert und eine Phobie geheilt werden. Die Erfolgsquoten seien dabei genauso hoch wie bei einer Therapie in realer Umgebung.

Auch in der Neurologie wird zu dem Thema geforscht. Schlaganfall-Patienten etwa kann die Technik helfen. Werden Bewegungen virtuell gezeigt, steuert das Gehirn die echten Muskelpartien an. „Es ist nachgewiesen, dass dadurch die Regionen, die geschädigt sind, wieder aufgebaut werden können“, sagt Mathias Müller.

Er ist Geschäftsführer einer Firma, die virtuelle Systeme entwickelt, und kooperiert mit dem psychologischen Institut der Uni Würzburg. Dort arbeitet Lehrstuhlleiter Paul Pauli daran, dass Virtual Reality auch an Patienten eigesetzt werden darf. Denn in den Arztpraxen sei die Technologie noch nicht angekommen, sagt Pauli.

In die Industrie hat die virtuelle Realität hingegen schon Einzug gehalten. BASF etwa plant seine Chemieanlagen seit 2000 mit Virtual Reality. Die Lagepläne sind virtuell begehbar und können so besser nachvollzogen werden. Fehler könnten so frühzeitig und nicht erst in der Montage erkannt werden, sagt eine Sprecherin. In Immenstadt arbeitet Christian Bendlin gerade an einem virtuell begehbaren Windpark-Lageplan.

Spielebetreiber wie Forscher gehen davon aus, dass die Technologie immer wichtiger wird. Doch warum wirkt sie so echt? Virtuelle Situation seien zwar nicht real, hätten aber echte Auswirkungen auf das Gehirn, erklärt Tobias Holischka von der Uni Eichstätt-Ingolstadt. Das liege daran, dass Störeinflüsse von außen reduziert seien und die virtuelle Realität den Spielern ermögliche, sich in der dargestellten Welt zu bewegen und damit zu interagieren.

Oft werde vor der Gefahr gewarnt, dass der Unterschied zwischen virtueller und Alltagswelt verschwimme und sich Spieler in der virtuellen Realität verlieren könnten, meint der Wissenschaftler. Das hält er aber für übertrieben. „Wenn der Magen knurrt oder die Blase drückt, ist sehr schnell klar, in welcher Welt wir zu Hause sind.“

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