Viel Freiheit, wenig Sicherheit

Berlin · Crowdworking – mit diesem Stichwort wird ein Arbeitsmodell bezeichnet, bei dem der Arbeitnehmer im Internet seine Dienste anbietet. Der Markt wächst, die Konkurrenz auch. Eine Studie hat nun erstmals die Arbeitsbedingungen von Crowdworkern untersucht.

 Entspannt arbeiten in angenehmer Umgebung statt im sterilen Büro. So sieht die Theorie der neuen digitalen Arbeitswelt aus. In der Praxis können viele nicht von selbstständiger Arbeit im Internet leben. Foto: Heinl/dpa

Entspannt arbeiten in angenehmer Umgebung statt im sterilen Büro. So sieht die Theorie der neuen digitalen Arbeitswelt aus. In der Praxis können viele nicht von selbstständiger Arbeit im Internet leben. Foto: Heinl/dpa

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Es klingt eigentlich ganz toll. Unternehmen vergeben über Online-Plattformen Hilfsarbeiten oder kreative Projekte an Freiberufler, und diese suchen sich dann aus, worauf sie Lust haben. Dieses Arbeitsmodell wird als Crowdworking bezeichnet. Ob sich davon wirklich leben lässt, haben nun Wissenschaftler der Uni Kassel im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht.

Der überwiegende Teil der Crowdworker ist laut der Studie gut ausgebildet. Knapp die Hälfte habe einen Hochschulabschluss. Der Anteil der Männer sei geringfügig höher als der der Frauen. Gut die Hälfte der Befragten gebe an, dass sie zu unterschiedlichen Tageszeiten arbeiten, häufig abends oder nachts. Die durchschnittliche Arbeitszeit betrage knapp 14 Stunden pro Woche.

Die Bandbreite der Jobs im Internet reiche von einfachsten Tätigkeiten zum schnellen Nebenverdienst bis hin zu komplexen Projekten. Bei den einfachen Arbeiten könne es zum Beispiel um die Recherche von Adressen oder die Verschlagwortung von Texten und Bildern gehen. Etwas anspruchsvoller werde es beim Testen von Produkten und Apps. Sehr hoch seien die Anforderungen in der Regel in den Bereichen Design und Programmierung.

Entsprechend unterschiedlich seien die Einkommen: Etwa 70 Prozent verdienen laut Studie weniger als 500 Euro im Monat als effektives Einkommen nach Abzug der Gebühren der Plattformen, aber vor Steuern. Dabei handele es sich häufig um Nebenverdienste. Insgesamt liege das mittlere Einkommen derjenigen, die nebenberuflich als Crowdworker tätig sind, bei 326 Euro pro Monat. Bei den Crowdworkern im Hauptberuf - dies seien rund 20 Prozent der Befragten - betrage das mittlere effektive Einkommen rund 1500 Euro. Etwas mehr als die Hälfte derjenigen, die ihr Haupteinkommen aus der digitalen Erwerbsarbeit erzielen, sorgt der Studie zufolge nicht für das Alter vor.

Insgesamt sei diese Arbeitsform noch eine Nische, aber die Teilnehmerzahlen stiegen. "Crowdwork hat in den vergangenen Jahren ein erstaunliches Wachstum verzeichnet", schreiben die Forscher. Hinweise darauf, wie viele Klickarbeiter in Deutschland tätig sind, liefern ihnen die Nutzerzahlen einzelner Online-Marktplätze. Eine der größten Plattformen ist Clickworker, ein Viertel der mehr als 700 000 Mitglieder stammt nach Angaben des Anbieters aus Deutschland. Auch auf internationalen Marktplätzen wie Freelancer, Upwork oder 99Designs sind mehrere Tausend Mitglieder aus dem deutschsprachigen Raum registriert. Bislang nutzten vor allem kleine und mittelständische Unternehmen die Dienste von Crowdworkern, aber auch Konzerne wie die Telekom.

Diese neue Form der digitalen Erwerbsarbeit hat Kritiker. Der Vorwurf: Firmen zögen sich damit aus ihrer Verantwortung zurück, lagern Arbeit an Selbstständige aus, die im Internet ums Überleben kämpfen. "Die soziale Absicherung wird einseitig von den Crowdworkern bestritten", kritisiert Nadine Müller von der Gewerkschaft Verdi. Mindestlohn, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Kündigungsschutz, all das gebe es für die Crowdworker nicht.

Wenn sich jemand freiwillig für die Selbstständigkeit entscheidet, ist das eine Sache, sagt Müller. "Doch wenn Menschen dazu getrieben werden, weil Unternehmen Kosten sparen wollen, ist das ein Problem." Problematisch sei es auch, wenn die Konkurrenz global ausgeweitet und bei Lebens- und Sozialstandards eine Abwärtsspirale in Gang gesetzt werde. "Dann wird über den Preis konkurriert."

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Hintergrund Wer sich auf einer Crowdworking-Plattform anmelden möchte, muss genau deren Geschäftsbedingungen prüfen. Nutzer müssen unter anderem darauf achten, dass die Geschäftsbedingungen nicht nach Vertragsschluss einseitig geändert werden können, erläutert der Arbeitsrechtler Thomas Klebe. Er warnt zum Beispiel vor einer Formulierung wie "Es gelten die Geschäftsbedingungen , die aktuell auf der Homepage der Plattform veröffentlicht sind." Außerdem sei es wichtig, dass die Plattform-Nutzer die Rechte an ihrer eigenen Arbeit nicht ohne Bezahlung abtreten. Auf Bewertungsportale für Crowdworking-Plattformen wie faircrowdwork.org teilen Nutzer ihre Erfahrungen. dpa faircrowdwork.org

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