Brandanschläge Verschwörungstheorien um Mobilfunk

London · Die 5G-Technologie dient in der Corona-Krise radikalen Kritikern als Feindbild. Folge ist eine Welle von Brandstiftungen.

 Um den neuen Mobilfunkstandard 5G ranken sich verschiedene Verschwörungstheorien. Durch die Corona-Pandemie treiben sie neue Blüten und nehmen auch gewalttätige Züge an.

Um den neuen Mobilfunkstandard 5G ranken sich verschiedene Verschwörungstheorien. Durch die Corona-Pandemie treiben sie neue Blüten und nehmen auch gewalttätige Züge an.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Eine Überwachungskamera zeigt einen Mann mit einer schwarzen Mütze in einem niederländischen Gewerbegebiet, der am Fuß eines Mobilfunkmasten einen Behälter leert. Flammen flackern auf, der Unbekannte rennt zurück zu seinem Auto und flüchtet. Ähnliche Szenen haben sich in den vergangenen Wochen Dutzende Male in Europa abgespielt. Verschwörungstheorien, nach denen es eine Verbindung zwischen neuen 5G-Mobilnetzwerken und der Corona-Pandemie gibt, haben eine Welle von Brandstiftungen an Funkmasten ausgelöst.

Behörden in Europa und auch in den USA verfolgen die Entwicklung mit Besorgnis. Sie befürchten, dass die Attacken Telekommunikationsverbindungen lahmlegen könnten, die gerade in dieser Krisenzeit lebenswichtig sein können. „Ich bin total empört, angewidert, dass Leute ausgerechnet gegen die Infrastruktur vorgehen, die wir benötigen, um mit diesem Gesundheitsnotstand umzugehen“, machte Stephen Powis, medizinischer Direktor des nationalen Gesundheitsdienstes in England, Anfang April seinem Zorn Luft.

Nun ist der Glaube, dass drahtlose Verbindungen eine Bedrohung darstellen, schon seit langem verbreitet und Gegenstand von Verschwörungstheorien. Aber die neuen 5G-Netzwerke, Mobilfunktechnologien der jüngsten Generation, die etwa ein superschnelles Internet ermöglichen,haben in Corona-Zeiten offenbar den Produzenten von Verschwörungstheorien frischen Auftrieb gegeben. Falsche Darstellungen zu diesem Thema sind Hunderttausende Male in sozialen Medien verbreitet worden. Etwa die Behauptungen, dass die Installation der neuen Sendemasten das Virus geschaffen habe oder der Coronavirus-Ausbruch ein Ablenkungsmanöver sei, um den flächendeckenden Aufbau von 5G zu verschleiern.

Zentrum der Brandattacken gegen Mobilfunkmasten und andere Ausrüstung ist Großbritannien. Hier hat es in diesem Monat schon etwa 50 solcher Fälle und drei Festnahmen gegeben. 80 Mal ist es auch vorgekommen, dass Telekommunikationsmechaniker bei ihrer Arbeit beschimpft wurden, wie das Telekommunikationsunternehmen Mobile UK berichtet. Fotos und Videos, die die Angriffe dokumentieren, sind oft von falschen Behauptungen zu Covid-19 begleitet. Zwölf Brandstiftungen wurden in den Niederlanden registriert, weitere in Irland, Belgien und auf Zypern.

In einem Fall in Großbritannien wurde ein Funkmast ins Visier genommen, der Sprech-und Datenverkehr zu einem Krankenhaus sicherstellte, in dem Corona-Patienten behandelt werden. Dieser Angriff löste besondere Empörung aus.

Drohungen mit Angriffen haben „Likes“ auf Facebook geerntet. In einem Fall wurde in einer Gruppe, die gegen Impfungen eintritt, ein Foto von einem verbrannten Mast verbreitet, versehen mit dem Text „Niemand will Krebs & Covid19. Hört auf zu versuchen, sie zu ermöglichen, oder jedem Masten und Mobilfunkladen wird es so ergehen wie diesem.“

Die Annahme, dass 5G die Pandemie irgendwie antreibe, sei grundfalsch, sagt Jonathan Samet von der Colorado School of Public Health. Er weiß, wovon er redet: Er war Leiter einer Arbeitsgruppe der Weltgesundheitsorganisation, die nach möglichen Zusammenhängen zwischen Mobiltelefon-Strahlung und Krebs geforscht hat. Es gebe hier keinen plausiblen Zusammenhang, sagt der Mediziner.

Auch Myrtill Simko vom Beratungsunternehmen SciProof International in Schweden hat nach eigenen Angaben in jahrelangen Untersuchungen keinen Beweis dafür gefunden, dass Funknetzwerke, ob 5G oder frühere Versionen, etwa das Immunsystem schädigen.

Anti-5G-Aktivisten kümmert das jedoch nicht. So Susan Brinchman, Leiterin des Center for Electrosmog Prevention, einer gemeinnützigen Organisation zur Bekämpfung „elektromagnetischer Umweltverschmutzung“. Jeder Bürger habe das Recht, besorgt über 5G und Verbindungen zu Covid-19 zu sein, schrieb sie. „Die gesamte 5G-Infrastruktur sollte demontiert und abgeschaltet werden.“

Die derzeitige Welle von 5G-Verschwörungstheorien reicht in den Januar zurück, als ein belgischer Arzt nahelegte, dass es eine Verbindung zu Covid-19 gebe. Davor hatten sich die Theorien hauptsächlich um einen Zusammenhang zwischen Mobiltelefon-Strahlen und Krebs gerankt, verbreitet in Foren der Plattform Reddit, auf Facebook-Seiten und YouTube-Kanälen.

Die Theorien um Gesundheitsschäden durch 5G hatten bereits 2019 an Schwung gewonnen, ausgehend von Russland. Die russischen Medien hätten zumeist über Ängste um die neuen Technologien berichtet, so etwa die Frage, ob 5G Krebs erzeugen könne. Und das alles „lautstark“ genug, um zu helfen, die Verschwörungstheorien zu einem Langzeiterfolg zu machen, wie Ryan Fox vom US-Unternehmen Yonder sagt. Die Firma untersucht die Verbreitung von Falschinformationen im Internet.

Brandanschläge auf Mobilfunkmasten nehmen zu.

Brandanschläge auf Mobilfunkmasten nehmen zu.

Foto: picture alliance / empics/dpa Picture-Alliance / Stefan Rousseau

Mit dem Niederbrennen von Mobilfunkmasten haben die Verschwörungstheorien eine neue gefährliche Stufe erreicht. „Ich will das hier ganz klarmachen“, betonte der Sprecher der Europäischen Kommission, Johannes Bahrke. „Es gibt keine geografische oder jedwede andere Beziehung zwischen der Einrichtung von 5G und dem Ausbruch des Virus.“

(dpa)
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