Romance-Scamming Vermeintlicher Romeo sucht Julia mit Geld

Saarbrücken · Betrüger durchforsten das Internet nach Menschen, die sich über Online-Bekanntschaften freuen und bereitwillig finanziell aushelfen.

 Im Internet suchen viele Menschen nach der großen Liebe. Das nutzen Betrüger aus und bringen ihre Opfer um hohe Geldsummen.

Im Internet suchen viele Menschen nach der großen Liebe. Das nutzen Betrüger aus und bringen ihre Opfer um hohe Geldsummen.

Foto: dpa-tmn/Franziska Koark

Viele Menschen suchen im Internet nach einem Partner. Das nutzen Betrüger häufig aus, um Geld von ihren ahnungslosen Opfern zu erbeuten. Dagmar Obarowski weiß noch genau, wie alles anfing. Kaum hatte sie an ihrem Computer ein Skype-Konto eingerichtet, um mit ihrem Bruder in Spanien in Kontakt zu bleiben, kam eine nette Nachricht von einem Unbekannten. „Dein Bild spricht mich an“, schrieb er auf Englisch, und dass er sie gerne näher kennenlernen würde. Die 66-jährige alleinstehende Frau aus Rheinland-Pfalz fühlte sich geschmeichelt. Und der Mann, angeblich ein Arzt namens Jude Ford aus Kabul, tat aus der Ferne alles, damit es ihr gut ging.

„Er hat mich aufgebaut“, blickt sie zurück, „er war ein lustiger Typ.“ Ständig habe er sie angerufen, sich erkundigt, ob es ihr gut gehe, ob sie auch auf sich achte und genug esse. Als er dann irgendwann zu ihr nach Deutschland fliegen wollte, war klar, dass sie ihm Geld überwies, um sich an den Kosten zu beteiligen. Doch als sie am Frankfurter Flughafen stand, wartete sie vergebens: Ford rief an, weil er in Frankreich festsaß, er habe kein Geld mehr für ein Zugticket. Und sein Arztkoffer sei beschlagnahmt worden, den gäbe es nur gegen eine Gebühr zurück.

Die gelernte Fotografin half auch dieses Mal aus, doch Jude Ford kam trotzdem nicht in Deutschland an. Er berichtete, dass er krank geworden sei, wenig später meldete er sich aus Dubai, dann aus England. Und immer wieder überwies Dagmar Obarowski ihm Geld. Bis er irgendwann nachts anrief und anfing zu weinen. „Da habe ich ihn überall geblockt“, berichtet sie. Als er es mit Telefon-Terror versuchte, ging sie schließlich zur Polizei und erstattete Anzeige. Doch es brauchte Zeit, bis sie sich eingestand, dass ihr angeblicher Traummann in Wirklichkeit ein Betrüger war, ein Heiratsschwindler aus dem Internet, ein sogenannter Romance Scammer.

In Gruppen von Betroffenen entdeckte sie 28 Bilder mit verschiedenen Namen von ihm. „Jude Ford“ war ein Fake-Profil, nur dazu angelegt, von einsamen Frauen, die auf der Suche nach einem Partner und Aufmerksamkeit sind, Geld zu erhalten. So, wie von Dagmar Obarowski. „Ich hatte Glück und habe in einem dreiviertel Jahr nur rund 2000 Euro überwiesen“, zieht sie Bilanz, „aber ich weiß von Opfern, die haben für solche Scammer bis zu 200 000 Euro gezahlt und dafür alles verkauft, was sie hatten oder sogar Schulden gemacht.“

Das kann auch Joachim Schneider, Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes in Stuttgart, bestätigen. „Wir haben aktuelle Fälle, die gehen in den sechsstelligen Bereich“, sagt er. Wie viele Opfer es überhaupt gibt, lässt sich nicht sagen. Zum einen, weil solche Beispiele in der Statistik unter Betrug zusammengefasst und nicht gesondert mit Fallzahlen und Schadenssummern ausgewiesen werden, zum anderen, weil es eine hohe Dunkelziffer gibt. „Manchmal wissen die Opfer auch gar nicht, dass sie betrogen worden sind“, sagt Schneider. „Bei vielen überwiegt auch der Scham-Aspekt. Weil sie auf der emotionalen Ebene solch einem Betrüger auf den Leim gegangen sind und weil sie ihm vielleicht sogar Geld überwiesen haben.“

Denn die Täter gehen sehr geschickt vor. Sie haben eine besondere Fragetechnik, beherrschen eine clevere Gesprächsführung, bleiben mit ihren Opfern immer wieder durch romantische Mails und Telefonate in Kontakt. „Nach zwei Tagen wissen Sie alles von ihnen und reden schon von Liebe und von Heirat“, sagt Dagmar Obarowski, die sich mittlerweile dafür einsetzt, dass anderen nicht dasselbe passiert wie ihr.

So genannte Scam-Männer geben sich oft als Ingenieure, Architekten, Soziologen, Konstrukteure in der Ölindustrie oder als Tierärzte und Computerspezialisten aus. Auf ihren Fotos bekommen weibliche Opfer eine attraktive weiße Person präsentiert, weiß Schneider. Doch die Bilder seien gestohlen. Auch wenn der Mann vorgebe, in den USA oder im Europäischen Ausland zu leben, sitze er wahrscheinlich in Westafrika. Davon merken die Opfer allerdings nichts, denn die Chat-Bekanntschaften sprechen perfektes Englisch oder benutzen Übersetzungshilfsmittel für ihre Mails. Auch Männer können zum Opfer werden: Laut Polizeilicher Kriminalprävention geben sich Scam-Frauen bevorzugt als Krankenschwestern, Ärztinnen, Mitarbeiterinnen im Waisenhaus oder als Lehrerinnen, Schauspielerinnen oder Geschäftsfrauen aus.

Das Vorgehen dieser Betrüger, die so gut wie nie belangt werden können, ist immer dasselbe: Sie schaffen es, sich im täglichen Leben ihrer Opfer unverzichtbar zu machen, ohne ein einziges Treffen. Bei den Gesprächen geht es zu Beginn keinewegs um Geld, eher um Beruf, Familie und eine gemeinsame Zukunft. Und immer, wenn sie ihre neue Liebe besuchen wollen, gibt es kurz vor oder nach dem Buchen des Tickets Schwierigkeiten: Mal wurden Pässe gestohlen, mal gab es einen Krankenhausaufenthalt oder Probleme mit Kreditkarten. Die Opfer werden gebeten, per Bargeldtransfer auszuhelfen. Darüber hinaus, so die Polizei-Beratung, hätten es die Betrüger zurzeit auch auf ausländische Ausweispapiere abgesehen. Oft bitten sie ihre Opfer, ihnen Kopien eines Passes zu schicken. Angeblich, damit sie damit ein gemeinsames Konto eröffnen können. „Seien Sie bei Gefälligkeiten, die Sie erweisen sollen, äußerst vorsichtig und überweisen Sie niemals Geld an Menschen, die Sie nicht persönlich kennen!“ rät Joachim Schneider.

Er empfiehlt Internet-Nutzern, die im Kontakt mit neuen Flirt-Partnern sind und misstrauisch werden, den Namen desjenigen zusammen mit dem Suchwort „Betrug“ oder „Scamming“ in einer Suchmaschine einzugeben. Oft finde man dann den Namen in einschlägigen Gruppen, in denen andere schon negative Erfahrungen gemacht haben. Nicht zuletzt könne jeder auch die nächste Polizeidienststelle aufsuchen, wo sich Kollegen speziell um den Bereich Prävention kümmern. Man solle nicht erst warten, bis das Kind in den Brunnen gefallen sei, betont der Polizeioberrat.

Dagmar Obarowski befürchtet, dass die Betrüger gerade in der Weihnachtszeit leichtes Spiel haben werden, wenn sich viele Menschen besonders einsam fühlen und dann einen scheinbar verständnisvollen Partner finden. Sie selbst hat es nach ihren negativen Erfahrungen aufgegeben, im Internet den Mann fürs Leben zu suchen. Gemeinsam mit einem weiteren Opfer eines Online-Betrügers hat sie im Internet eine Gruppe gegründet, wo sie Tipps gibt, wie man vermeintliche Betrüger identifizieren kann. Und wo sie Betroffenen zuhört und ihnen zeigt, dass sie in ihrer Verzweiflung und ihrer Scham nicht alleine sind.

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