Twitter als Nachrichtenportal Mit Twitter schnell zu aktuellen Infos

Berlin · Im internationalen Vergleich ist der Kurznachrichtendienst in Deutschland vergleichsweise klein. Doch der Einfluss des sozialen Netzwerks ist groß und soll mit neuen Funktionen weiter ausgebaut werden.

  Im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken ist ein Twitter-Profil schnell eingerichtet. Beiträge können auch unterwegs schnell veröffentlicht werden.

Im Vergleich zu anderen sozialen Netzwerken ist ein Twitter-Profil schnell eingerichtet. Beiträge können auch unterwegs schnell veröffentlicht werden.

Foto: dpa-tmn/Fabian Sommer

15 Jahre ist Twitter mittlerweile alt. Und der Kurznachrichtendienst ist in aller Munde, obwohl ihn 2020 laut ARD-ZDF-Onlinestudie nur zwei Prozent aller ab 14-Jährigen täglich und nur fünf Prozent wöchentlich nutzten. Laut Twitter waren im ersten Quartal 199 Millionen Nutzer weltweit auf der Plattform aktiv. Aus Deutschland sind nach Angaben des Wirtschaftsmagazins Wirtschaftswoche monatlich zwölf Millionen Nutzer aus Deutschland aktiv. Zum Vergleich: 32 Millionen Bundesbürger sind nach eigenen Angaben bei Facebook angemeldet.

Den Zahlen zum Trotz: Wer bei aktuellen Themen mitreden möchte, sei beim Kurznachrichtendienst richtig, sagt Medienwissenschaftlerin Barbara Ward. Darüber hinaus sei Twitter auch das richtige Portal für Menschen, die sich über ein spezielles Thema informieren wollen. „Twitter funktioniert über Nischen und Themenfelder. Nutzer landen über Suchwörter schnell in einer Filterblase, die den eigenen Interessen entspricht“, sagt Ward. „Sind sie dort erstmal angelangt, werden sie via Twitter fix mit Nachrichten und neuen Informationen versorgt.“

Das Ganze funktioniert auch international, sagt Matthias Kettemann vom Leibniz-Institut für Medienforschung in Hamburg: „Twitter ist für mich ein gutes Werkzeug, um wissenschaftliche Kontakte in der ganzen Welt zu knüpfen und mit meiner Wissenschaftsgemeinschaft im Austausch zu bleiben“, sagt der Jurist. „Wenn ein spannendes Urteil in den USA fällt, wird es gleich auf Twitter kommentiert.“ Der Kurznachrichtendienst sei zu einem ernstzunehmenden Wissenschafts- und Politikmedium geworden, erklärt Kettemann.

Im Vergleich zu anderen Netzwerken ist ein Twitter-Profil schnell eingerichtet. Es wird nur eine E-Mail-Adresse und ein eindeutiger Nutzername (Twitter-Handle) benötigt. Zudem kann das Mitglied in bis zu 160 Zeichen etwas über sich schreiben. Diese Kurzbiografie, erklärt Ward, helfe, neue Abonnenten, sogenannte Follower, zu gewinnen.

Es gelte zu skizzieren, wer man ist und was man auf Twitter tut. „Am besten konzentriert sich der Nutzer auf wenige Schlüsselbegriffe, die die eigenen Themenfelder und Interessen abstecken“, sagt Ward.

Eine wichtige Möglichkeit sind die Listen, denen der Nutzer bestimmte Twitter-Accounts zuteilt. Damit lasse sich die eigene Beitragsliste, der sogenannte Newsfeed, sortieren, sagt Ward. Mit den Listen hat er statt eines überlaufenden Newsfeeds viele kleine, thematisch sortierte Beiträge.

Und dann ist da noch der sogenannte Hashtag – ein mit einem Doppelkreuz hervorgehobenes Schlagwort. Er sei nicht mehr von Twitter wegzudenken, werde aber häufig zu inflationär eingesetzt, sagt Ward: „Studien sagen, dass Tweets mit mehr als zwei bis drei Hashtags sogar weniger Aufmerksamkeit erhalten.“ Deswegen sollte man Hashtags nur gezielt einsetzen, etwa bei Tweets von einer Veranstaltung, zu einem Event oder wenn der Text ohne Kontext-Hashtag nicht zu versehen wäre.

Natürlich versucht Twitter, sich technisch weiterzuentwickeln und Innovationen anderer sozialer Netwerke aufzugreifen. Ende 2020 hat Twitter etwa weltweit sogenannte Fleets ausgerollt. Dabei handelt es sich um Tweets, die nach 24 Stunden automatisch verschwinden, ähnlich wie bei den Stories auf Facebook und Instagram.

Bald könnte es auch in Deutschland bezahlte Twitter-Konten geben. Für rund drei Euro im Monat lassen sich dann Beiträge noch verändern oder das Aussehen der App anpassen. Erste Versuche mit dem Twitter Blue genannten Dienst laufen bereits in Kanada und Australien.

„Die Twitter-Gemeinde ist aber grundsätzlich weniger verspielt, sondern eher auf Nachrichten und Information aus“, sagt Ward. Sie erachtet die neue Twitter-Funktion Spaces, eine Imitation der Audio-App Clubhouse, deshalb langfristig als wichtiger. Hier können Nutzer sich in Gruppen wie bei einer moderierten Telefonkonferenz über Themen austauschen.

Soziale Netzwerke und damit auch Twitter ernten immer wieder Kritik für Filterblasen, in denen sich Nutzer angeblich wiederfinden. In der Medienforschung sind Filterblasen als solche aber umstritten, sagt Medienforscher Matthias Kettemann. Einerseits spiegele das Phänomen ein typisch menschliches Bedürfnis: „Kleinere Gruppen, die sich ähneln, bleiben gerne zusammen, auch bei dem Kurznachrichtendienst Twitter.“

Sich mit Gleichgesinnten zu unterhalten und in Meinungen bestätigt zu werden, sei ein urmenschliches Bedürfnis. Das könne natürlich zur Abschottung nach außen führen. Anderseits gebe es aber gute Studien, die zeigten, dass Filterblasen in ihrer Wirkung überschätzt werden, sagt Kettemann. Auf Twitter seien Radikalisierungstendenzen und Extremismusneigung aber leichter sichtbar als in anderen Netzwerken wie etwa Telegram.

Positiv bewertet Kettemann den Umgang von Twitter, wenn Nutzer sich nicht an die Regeln halten. „Natürlich unterlaufen hier auch Fehler, wenn zum Beispiel Humor und Satire nicht erkannt wird“, sagt der Medienforscher. Grundsätzlich erfolgten Kontosperren bei Twitter erst dann, wenn die Twitter-Regeln oder Nutzungsbedingungen verletzt werden. „Allerdings stimmt es auch, dass sie zu lange – zumindest bei wichtigen Politikern – nicht immer konsequent angewandt wurden“, sagt Kettemann. Hier müsse nachgebessert werden.

Normale Nutzer müssten zwar in der Regel keine Account-Sperrung fürchten. Falls es aber doch einmal geschehen sollte, könne der Betroffene bei Twitter Einspruch einlegen oder sogar vor Gericht ziehen, sagt Kettemann. Deutsche Gerichte entschieden, dass sich Plattformen an Grundrechte halten müssen und nicht willkürlich löschen dürfen.

(dpa)
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