Urteil gegen Online-Dating-Betrüger Das abgekartete Spiel mit der Sehnsucht

München · Ein vermeintlicher US-Soldat versprach Frauen im Internet die große Liebe – und zog ihnen viel Geld aus der Tasche. Dahinter stand ein Betrügertrio, das jetzt vor dem Landgericht München zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurde.

 Online-Dating wird immer beliebter. Damit nimmt auch die Zahl der Betrüger zu, die aus der Hoffnung der Menschen Profit schlagen wollen.

Online-Dating wird immer beliebter. Damit nimmt auch die Zahl der Betrüger zu, die aus der Hoffnung der Menschen Profit schlagen wollen.

Foto: dpa/Sven Hoppe

Ingrid kann selbst nicht glauben, was ihr da passiert ist. „Es ist natürlich alles total peinlich.“ Knapp zwei Jahre, nachdem sie im Internet einen Mann kennengelernt hat, sitzt die Rentnerin aus Berlin in einem Gerichtssaal des Landgerichts München I und muss manchmal fast lachen über sich selbst. „Ich habe mich einwickeln lassen“, sagt sie. Und dass sie die Online-Gespräche mit Thomas Fischer genossen, ihm vieles erzählt hat. „Ich dachte, bei ihm war es auch so.“

Heute weiß die 70-Jährige, dass es ihren Thomas Fischer nie gegeben hat. Sie ist hereingefallen auf ein von Betrügern angelegtes Fake-Profil in einer Partnerbörse und hat dabei nicht nur ihren Glauben an die Liebe im Netz verloren, sondern auch viel Geld.

Zwei Monate lang schreiben sich Ingrid und Thomas Fischer Nachrichten („im Nachhinein betrachtet hat er natürlich den größten Mist erzählt“) – dann fragt er zum ersten Mal nach Geld. Er stecke in China fest und müsse Zollgebühren zahlen. Ingrid überweist erst 5000 Euro, dann 10 000 – zum Schluss sind es 35 000. „Naiverweise – und weil der Mann wirklich gut aussah auf dem Foto“, erzählt sie. Ihr Verhalten macht sie heute noch fassungslos. „Ich habe noch nie in meinem Leben so einen Fehler gemacht. Ich habe keine Erklärung dafür. Fakt ist: Es ist meine Schuld.“

Hinter dem Profil von Thomas Fischer steckten Betrüger, die Ingrid und andere arglose Opfer mit dieser Masche um viel Geld gebracht haben – insgesamt um eine Million Euro. Drei von ihnen – ein Deutscher, ein Nigerianer und ein Ghanaer – wurden jetzt in München zu Haftstrafen zwischen zweieinhalb Jahren und drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Insgesamt 270 000 Euro müssen sie als Entschädigung an die Opfer zahlen.

Ihre fiese Masche hat einen Namen: „Love Scamming“. Vor allem ältere Internetnutzer gehören zu den Opfern. Eine Untersuchung der Universitäten Leicester und Westminster aus dem Jahr 2013 hat herausgefunden, dass schon seit 2007 insgesamt 230 000 Menschen in Großbritannien Opfer derartiger Machenschaften wurden. Und das war noch vor dem Online-Dating-Boom dank Apps wie Tinder und Co.

Wie viele Frauen und Männer bundesweit zu Opfern dieser Betrugsmasche werden, ist unklar. Das Bundeskriminalamt und das bayerische Landeskriminalamt erheben nur Zahlen zum Online-Betrug allgemein. In Sachsen hat das LKA dagegen gezählt und kommt im vergangenen Jahr auf 181 Fälle. Nach Meinung der bayerischen Polizei dürfte die Dunkelziffer sehr viel höher sein, da viele Opfer aus Scham keine Anzeige erstatteten.

Dieses Gefühl bestimmt vor Gericht in München auch die Aussage einer 62-Jährigen aus Sachsen-Anhalt, die wie Ingrid auf Thomas Fischer hereingefallen ist und ihre Tränen vor Gericht nicht zurückhalten kann. 20 000 Euro hat sie an die vermeintliche Internet-Liebe überwiesen, für 15 000 davon hat sie einen Kredit aufgenommen – gegen den Rat ihrer Bank, gegen den Rat von Freunden. „Man wollte das eben nicht glauben“, sagt sie. „Naja, wie man so dumm ist. Man hat eine rosarote Brille auf.“

60 Geschädigte haben die Ermittler allein in dem Verfahren in München ermittelt, 18 Fälle – auch aus den USA, Großbritannien, Schweden, der Schweiz und Österreich – kamen zur Anklage. Darunter ist auch der Fall eines älteren Herren aus Stuttgart, der nach eigenen Angaben um die 150 000 Euro an eine Frau aus Ghana überwies, die es nicht gab. Sie hatte ihm erzählt, sie müsse heiraten, damit ihr eine Erbschaft ausgezahlt werde – und sie brauche bis dahin Geld. Der Mann, seit fünf Jahren Witwer, wollte helfen.

Den größten Teil der Million, um die es im Prozess geht, zahlte laut Anklage eine Frau aus Starnberg, die auf einer Plattform einen vermeintlichen US-Soldaten namens Thomas Stabler kennenlernte. Sie überwies 380 900 Euro, einem angeblichen Anwalt gab sie in einem Münchener Hotel weitere 128 000 Euro in bar.

„Die spielen mit der Sehnsucht nach Partnerschaft und Liebe“, sagt Alexandra Langbein, Sprecherin des Internet-Portals ­singleboersenvergleich.de. Die Vorgehensweise sei immer gleich, die Fake-Profile ähnelten sich. „Es ist immer jemand von Rang und Namen, ein Offizier der US-Armee zum Beispiel.“ Vor allem Frauen „ab 40 aufwärts“ fielen auf die Masche herein, so Langbein. Oft gehe es um Schmuck oder Geld, das angeblich für den Zoll benötigt werde. Die Frauen würden über Wochen und Monate in Gespräche verwickelt, bis sie schließlich Geld an jemanden überwiesen, den sie noch nie gesehen hätten, so Langbein. „Der Schreiberling, der dahintersteckt, kennt viele psychologische Kniffe, macht Komplimente. Er appelliert an das Grundbedürfnis des Menschen, geliebt zu werden.“

„Das Phänomen gibt es schon seit langem in verschiedenen Vari­anten“, so ein Polizeibeamter vor Gericht. Es gebe regelrechte Zentralen, in denen hunderte Menschen die Dating-Portale nach gut situierten potenziellen Opfern durchsuchten.

Größere Anbieter wie ­lovescout24.de, die Geld von ihren Mitgliedern nehmen, haben inzwischen Mitarbeiter darauf angesetzt, gefälschte Profile zu enttarnen, um ihre Kunden zu schützen. 100-prozentige Sicherheit könne es dennoch nicht geben, betont eine Sprecherin des Portals.

(dpa)
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