Der Trend zur Retro-Hardware Der Wunsch nach Pixeln statt Perfektion

Saarbrücken · Viele Spielefans suchen nicht den Grafik-Bombast der neuen Konsolengeneration, sie spielen pixelig auf Retro-Hardware. Viele Hersteller bieten sie wieder zum Kauf an.

 Die pixelige Grafik von Videospielen wie Super Mario ist bei vielen Spielern sehr beliebt.

Die pixelige Grafik von Videospielen wie Super Mario ist bei vielen Spielern sehr beliebt.

Foto: Getty Images/ilbusca

Die neue Konsolengeneration der Hersteller Sony und Microsoft steht in den Startlöchern. Was die Hardware der Playstation 5 und der neuesten Xbox betrifft, warten die Konsolen mit modernstem Innenleben auf: von schnellen SSD-Festplatten bis zu Grafikkarten, die 4K-Videoausgabe unterstützen.

Doch im Schatten der neuen „Giganten“ auf dem Spielemarkt wächst der Trend zum Alten. Stichwort Retro. Statt hochauflösendem Grafik-Realismus wollen viele Spielefans die Pixel früherer Konsolengenerationen wiedererleben. Diesen Wunsch haben die Hersteller der Branche wahrgenommen. Sie produzieren Hardware neu, die ursprünglich vor Jahren auf den Markt kam.

Beispiel Nintendo. Der japanische Unterhaltungskonzern brachte 2016 seine erste Heimkonsole, das „Nintendo Entertainment System“ (NES) in einer Neuauflage in den Handel. Im Vergleich zum 1986 in Europa erschienen NES ist das sogenannte NES Classic Mini technisch aber leicht aufpoliert worden: Das NES Classic Mini kann etwa per HDMI-Kabel an den Fernseher angeschlossen werden. 30 Spiele sind auf der Konsole bereits vorinstalliert.

Das aufpolierte Remake verkauft sich gut. 2017 legt Nintendo nach, bringt die Neuauflage der Nachfolgekonsole Super Nintendo Entertainment System (SNES) aus den 1990er-Jahren in den Handel. Das SNES Classic Mini verkaufte sich über fünf Millionen Mal. Für diesen November hat Nintendo die Neuauflage seines ersten Spiele-Handhelds „Game & Watch“ angekündigt.

Der japanische Hersteller Sega hat 2019 seine 1990 in Europa erschienene Konsole Sega Megadrive als Neuauflage veröffentlicht. Das Sega Megadrive Mini wurde technisch aktualisiert und wird mit 42 vorinstallierten Spielen ausgeliefert.

Und auch Hersteller Sony mischt im Retro-Geschäft mit. 2018 veröffentlichte der Branchenriese seine erste Spielekonsole Playstation von 1994 als Playstation Classic erneut und erneuert: Die Controller werden nun beispielsweise per USB angeschlossen und die Konsole über einen HDMI-Anschluss mit dem heimischen Fernseher verbunden.

Die amerikanische Firma Analogue hat sich ganz dem Nachbau altgedienter Konsolenhardware verschrieben. Über die Replika der angesprochenen Konsolen hinaus will die Firma demnächst eine zeitgemäße Neuauflage des „Gameboy“ auf den Markt bringen, den sogenannten Analogue Pocket. Mit über 118 Millionen verkauften Geräten ist der ursprünglich 1990 in Europa erschienene Gameboy eine der meist verkauften Konsolen der Welt.

Wer nach technisch aktuellen Controllern für Retro-Konsolen sucht, kann sie etwa bei der Firma 8bitDo finden. Das Unternehmen hat sich auf die Herstellung passender Eingabegeräte für ältere Hardware spezialisiert.

Die Retro-Welle hat auch den PC-Markt erfasst. Neuauflagen alter Computer haben Konjunktur. Vom Commodore 64, der in Form des C64 und des C64 Mini wieder geordert werden kann, über die Neuauflage des ZX Spectrum – ZX Spectrum Next – oder den seit Kurzem wieder produzierten Commodore Vic-20 bis hin zum voraussichtlich 2021 wieder erhältlichen Amiga 500. Und auch Hybridmodelle aus Computer und Konsole sind angekündigt, etwa der Atari VCS. Äußerlich auf alt getrimmt, hat der VCS ein modernes Innenleben. Auf ihm soll entwickelt und gespielt werden können.

Ihre große Zeit hatten sogenannte Arcade-Automaten, noch bevor es Heimkonsolen oder erschwingliche Heimcomputer zu kaufen gab, in den 1970er- und frühen 1980er-Jahren. Die klobigen Automaten gelten als Vorgänger der Heimkonsolen. Trotz ihrer für die Wohnung ungünstigen Größe hat sie die Retro-Welle erfasst. Nur eben im jetzt kleineren Format. Das US-Unternehmen MyArcade bietet etwa eine Vielzahl solcher Mini-Versionen zum Kauf an. Auch Traditionsfirmen wie die japanischen Hersteller SNK beispielsweise Neogeo Mini oder Sega (beispielsweise Sega Astro City Mini) bieten Automaten-Nachbauten im Kleinformat zum Kauf an.

Um Retro-Hardware haben sich im Internet zahlreiche Fangemeinschaften gebildet. Auf dem Youtube-Kanal Retro Dodo werden beispielsweise allerlei Retro-Geräte, Nachbauten und Spiele vergangener Konsolengenerationen gezeigt. Was es Neues in Sachen Retro gibt, zeigt unter anderem die deutschsprachige Seite retromagazine.eu. SNES-Fans kommen beim englischsprachigen Youtube-Kanal SNES drunk voll auf ihre Kosten. Dort werden humorvolle Kritiken von SNES-Spielen gezeigt. Commodore-Liebhaber können einen Blick auf die englische Seite vintageisthenewold.com wagen, die sich mit verschiedensten Retro-Themen auseinandersetzt. Die Seite
worldofspectrum.org bietet Programme für den ZX Spectrum zum Herunterladen an und hält ein Forum für Spectrum-Enthusiasten bereit.

Insgesamt bieten Neuauflagen älterer Hardware Spielefans von heute die Möglichkeit, die Faszination von damals zu erleben, eben Pixel statt Perfektion.

 Zwei Jungen (11) mit Gameboy  Foto: Michael Seifert

Zwei Jungen (11) mit Gameboy Foto: Michael Seifert

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