Tödlicher Kampf der Geschlechter

Greifswald · Die Männchen der Radnetzspinne haben einen einfachen und zugleich sehr groben Weg gefunden, die eigene Nachkommenschaft zu sichern. Wie Biologen der Uni Greifswald berichten, verstümmeln sie nach dem Sex die äußeren Geschlechtsorgane der Weibchen, so dass die sich nicht mehr mit anderen Männchen paaren können.

 Radnetzspinnen-Männchen sichern ihre Vaterschaft durch die Zerstörung der äußeren Genitalorgane der Weibchen. Foto: Uni Greifswald/ Uhl

Radnetzspinnen-Männchen sichern ihre Vaterschaft durch die Zerstörung der äußeren Genitalorgane der Weibchen. Foto: Uni Greifswald/ Uhl

Foto: Uni Greifswald/ Uhl

Spinnen können ihren Artgenossen richtig gefährlich werden. Für die Männchen ist zum Beispiel die Paarung lebensgefährlich. Kreuz- und Wespenspinnenweibchen fressen ihren Sexualpartner während oder kurz nach der Paarung gerne auf. Biologen sprechen von sexuellem Kannibalismus . Für dieses Benehmen gibt es in der Wissenschaft mehrere Erklärungsansätze: Manche Forscher meinen, dass die Männchen für die Spinnendamen eine willkommene Nahrungsreserve seien, die sie für die Zeit nach der anstrengenden Paarung gut gebrauchen können. Andere gehen davon aus, dass die Weibchen von Natur aus aggressiv sind. Es gibt auch die Ansicht, dass diese Form des Kannibalismus verhindern soll, dass sich das Männchen weiteren Nachwuchs zeugen kann.

Auf den ersten Blick hat das Spinnenweibchen bei der Paarung alle Vorteile auf seiner Seite. Es wählt seinen Partner aus. Und diese Wahl ist nur aus Sicht des Männchens wirklich endgültig, denn das Weibchen kann die Befruchtung seiner Eier noch verhindern. Spermienübertragung und Befruchtung können bei diesen Tieren Stunden, Tage und sogar Monate auseinander liegen, besonders bei Tieren, bei denen die Weibchen die Spermien in besonderen Behältern, den Spermatheken, speichern.

Es kann im Spinnenreich vorkommen, dass ein Weibchen versucht, sich mit einem oder mehreren Männchen zu paaren, bevor es Eier legt. Die Spermien verschiedener Männchen konkurrieren dann um die Befruchtung der Eier. Welchen biologischen Sinn hätte es da, sein Leben zu opfern, um vielleicht Nachwuchs zeugen zu können? Es gibt aus diesem Grund im Spinnenreich raffinierte Gegenstrategien, um im Kampf der Geschlechter wieder Waffengleichheit zu erlangen. Spinnenmännchen ergreifen Gegenmaßnahmen, um Nebenbuhlern die Chance zu nehmen, mit ihrem Weibchen Nachwuchs zu zeugen.

Forscher der Uni Greifswald haben jetzt entdeckt, dass Spinnenmännchen ihre Vaterschaft durch die Verstümmelung oder komplette Zerstörung der äußeren Genitalorgane der Weibchen sichern. Konkret wurde das bei der Radnetzspinne Larinia jeskovi nachgewiesen. Die Männchen dieser Spinnenart zwicken eine äußere Struktur der weiblichen Genitalregion, den Scapus, mit ihren Kopulationsorganen ab. Ohne diese Struktur ist danach eine Kopplung der Genitalien und somit eine weitere Befruchtung für das weibliche Tier nicht möglich.

Für ihre Analyse haben die Forscher Spinnenpaare während der nur wenige Sekunden dauernden Kopulation mit Hilfe eines hochauflösenden Röntgen-Computertomographen beobachtet. Das Phänomen untersuchten die Forscher auch im Freiland. "Bei allen Weibchen, die am Ende der Paarungssaison in den Sümpfen des Biebrza Nationalparks in Polen gesammelt wurden, fehlte der Scapus", erklärt die Greifswalder Zoologieprofessorin Gabriele Uhl.

Spinnenmännchen nutzen umgewandelte Beine als Kopulationsorgane. An ihnen lagern sie ihr Sperma und übertragen es ins Weibchen. Die Greifswalder Forscher haben entdeckt, dass es neben der spermienübertragenen Struktur weitere Fortsätze an diesen männlichen Kopulationsorganen gibt, die sowohl die Verhakung als auch die Entfernung des Scapus gewährleisten. Hinweise auf eine äußere Genitalverstümmelung fanden die Biologen bisher bei weiteren 80 Spinnenarten. Sie schließen daraus, dass das Phänomen bei diesen Tieren weit verbreitet ist.

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Hintergrund Zu den Spinnentieren zählen Wissenschaftler Webspinnen, Weberknechte, Milben und Skorpione. Die größte Gruppe bilden mit 50 000 Arten die Milben, gefolgt von den Webspinnen mit 46 000 Arten, zu denen auch die Radnetzspinne gehört. mgs

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