Tatort Facebook: Anwalt verklagt das Netzwerk

Würzburg · Die Staatsanwaltschaft Hamburg ermittelt gegen drei Manager von Facebook in Deutschland. Ins Rollen gebracht hat das der Würzburger Anwalt Chan-jo Jun. Er wirft ihnen vor, nichts gegen Hass und Hetze auf Facebook unternommen zu haben. dpa-Mitarbeiterin Christiane Gläser hat mit Jun über die Hintergründe seiner Strafanzeige gesprochen.

Die Zahl der fremdenfeindlichen Straftaten in Deutschland nimmt zu, gerade erst warnte das BKA vor einer weiteren Verschärfung der Gewalt. Häufig nimmt sie mit rassistischer Hetze in Online-Netzwerken ihren Ausgang. Der Anwalt Chan-jo Jun hat Strafanzeige gegen drei Facebook-Manager wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gestellt. Seine Würzburger Kanzlei, in der sechs Anwälte arbeiten, ist auf IT-Recht spezialisiert. Sie werfen Facebook vor, dass es eine Vielzahl von gemeldeten Gewaltaufrufen nicht gelöscht haben soll. Was war für Sie der Auslöser dafür, dass Sie die Anzeigen gegen die Facebook-Verantwortlichen gestellt haben?

Jun: Es gab eine Vielzahl von rechtswidrigen Inhalten und wir haben gesehen, dass Facebook nach Mitteilung nicht bereit ist, diese Inhalte zu löschen. Wir haben den Eindruck gewonnen, dass Facebook glaubt, dass die Facebook-Community-Standards über dem deutschen Recht und dem Grundgesetz stehen.

Volksverhetzende Inhalte gibt es schon länger auf Facebook . Warum haben Sie oder auch andere nicht früher Anzeige erstattet?

Jun: Das haben wir uns auch gefragt und konnten gar nicht glauben, dass es bisher noch kein Ermittlungsverfahren gibt. Ein Grund könnte vielleicht sein, dass es recht aufwendig ist, Einzelfälle auch konkret zur Kenntnis zu geben. Wir haben viele Wochen recherchiert, um ausreichende Fälle zu sammeln.

Können Sie Beispiele nennen für die Fälle, die Sie gefunden haben?

Jun: Ein Großteil ist Volksverhetzung, Aufrufe dazu, Flüchtlinge zu vergasen, mit Bomben zu ermorden oder mit Maschinengewehren niederzumähen. Viele NS-Zeichen, Hakenkreuze, SS-Runen, Flaggen. Und was ich persönlich am schlimmsten finde, Gewaltdarstellungen wie enthauptete Kinder, aufgespießte Köpfe und abgeschlachtete Körper. Diese Sachen stehen im Internet und Facebook hat sie als Gewaltdarstellungen auch gemeldet bekommen, aber lässt sie weiter online stehen.

Haben Sie das in öffentlich zugänglichen Facebook-Bereichen gefunden?

Jun: Ja, wir haben nur Beiträge genommen, die von jedem Nutzer in Deutschland gesehen werden können. Da geht es nicht um eine Fehlerquote von 20 oder 30 Prozent, sondern von 104 Beiträgen wurde nichts gelöscht. Das hat Methode. Das muss auf Anweisungen basieren. Und ist nicht einmal mit den Facebook-eigenen Community-Standards vereinbar.

Und es kann auch nicht damit zusammenhängen, dass Facebook zur Zeit nicht mit dem Löschen der fragwürdigen Inhalte hinterherkommt?

Jun: Das wäre dann der Fall, wenn sie es nicht prüfen würden. Aber wir bekommen ja Antworten. Facebook sagt ja ausdrücklich, "dein abgeschlachtetes Kind verstößt nicht gegen unseren Gemeinschaftsstandard". Das finde ich so empörend. Denn sie können es offensichtlich prüfen und entscheiden sich dafür, die rechtswidrigen Inhalte im Netz stehen zu lassen und so weiter zu verbreiten.

Gegen wen genau haben Sie warum Anzeige gestellt?

Jun: Wir haben Mitte September Strafanzeige gegen drei Facebook-Geschäftsführer der Facebook Germany GmbH wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gestellt. Da war der Ansatz, dass die GmbH durch ihre Finanzierung das Portal unterstützt. Die zweite Strafanzeige richtet sich gegen den Nordeuropa-Chef von Facebook , Martin Ott, weil er aufgrund seiner hierarchischen Stellung die Möglichkeit hätte, auf Inhalte Einfluss zu nehmen.

Was erhoffen Sie sich, was Facebook künftig anders macht?

Jun: Facebook muss anerkennen, dass deutsches Recht in Deutschland gilt. Und dazu müssen sie volksverhetzende Gewaltaufrufe ab Kenntnisnahme entfernen.

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