Strategiewechsel bei Microsoft

San Francisco · Microsofts Entwicklerkonferenz „Build“ markiert eine Zäsur. Jetzt schweift der Blick über eine offene Welt vernetzter Plattformen, in der Microsoft wieder werden will, was es schon mal war: Alleinherrscher.

 Bei der Entwicklerkonferenz Build kündigte Softwarehersteller Microsoft einen Strategieschwenk an. Foto: Microsoft/Brian Smale/dpa

Bei der Entwicklerkonferenz Build kündigte Softwarehersteller Microsoft einen Strategieschwenk an. Foto: Microsoft/Brian Smale/dpa

Foto: Microsoft/Brian Smale/dpa

Es war eine Szene mit Symbolkraft. Bekannte Microsoft-Spezialisten saßen bei Microsofts Entwicklerkonferenz Build feixend in der vorderen Reihe und trugen Mützen mit einem grinsenden Pinguin. Das ist das unverkennbare Markenzeichen des freien Betriebssystems Linux . Microsofts damaliger Vorstandschef Steve Ballmer hatte sogenannte Open-Source-Software wie Linux , bei der jeder Anwender das Recht hat, das Programm zu benutzen und weiterzuverarbeiten, 2001 noch als "Krebsgeschwür" bezeichnet. Bill Gates hasste sie.

Jetzt stand Ballmers Nachfolger Satya Nadella vor Pinguin-Mützen auf der Bühne und stellte "Bash" für Windows vor. Das ist eine Software-Umgebung, auf der echte Linux-Programmbefehle auf Windows-PCs laufen sollen.

Mit Charme, Geduld und Hartnäckigkeit erklärt der 48-jährige Satya Nadella mit indischen Wurzeln, der seit 2014 an der Spitze steht, wie sich die Welt auf dem Campus in Redmond im Bundesstaat Washington gewandelt hat.

Alter Gigant ganz innovativ

Schätzungsweise 70 Prozent aller Webseiten, die die Menschen heute aufrufen, laufen auf Servern mit Open-Source-Software wie Linux , und Nadellas Botschaft ist klar: Ich will sie alle haben - ihre Entwickler, ihre Daten, ihr Geschäft. Windows hin oder her. Bislang haben sich Linux-Entwickler lieber einen Mac von Apple gekauft. Das soll jetzt der Vergangenheit angehören. Vergessen sind die Jahre mit den Zweifeln, was aus Microsoft wird. Der alte Gigant gilt auf einmal wieder als cool und innovativ.

Zu "Bash", mit dem jetzt Open-Source-Entwicklung auf PCs so einfach wie nie werden soll, kommt das nun kostenlose "Xamarin". Damit lassen sich im Handumdrehen Apps für Windows-Smartphones und Android-Telefone sowie bald auch Apples iPhones erstellen und testen.

Hinter allem steht nicht mehr zwingend Windows, sondern die Microsoft-Variante der Internet-Wolke. Das neue Rückgrat ist "Azure", eine gigantische Computer-Infrastruktur im Internet mit unbegrenzter Rechenleistung. Dieser Weltcomputer Azure, vollgestopft mit künstlicher Intelligenz und Daten, soll die Basis bilden, um Chatprogramme wie Skype oder Konkurrenten wie Wechat oder Whatsapp von Facebook intelligent zu machen.

Das Gesicht zum Kunden soll statt Windows "Cortana" werden, die digitale Assistentin, auf die Nadella seine Zukunft verwettet. Losgelöst vom PC soll sie auf allen Plattformen präsent sein. Cortana soll überall auf der Welt auf Fragen antworten, beraten, suchen, finden, kaufen, bestellen, planen und Termine notieren. Cortana muss aber auch die größte gescheiterte Hoffnung von Microsoft ablösen: Windows Phone 10. Die Betriebssystem-Variante für Smartphones fand bei der Build keinerlei Erwähnung in den großen Strategiereden. Während sich das Surface-Tablet nach zähem Kampf doch noch zum Milliarden-Geschäft gemausert hat, sind Microsofts Smartphones nur noch ein Schatten ihrer selbst. Anders bei Apple : iPhones bringen rund zwei Drittel der Erlöse.

Künstliche Intelligenz

Wie schwierig es ist, die Welt von künstlicher Intelligenz zu überzeugen, hat Microsoft jüngst erleben müssen. Der durch künstliche Intelligenz gesteuerte Chatbot Tay, mit dem Microsoft auf Twitter mehr über Gespräche zwischen Mensch und Maschine herausfinden wollte, verwandelte sich nach wenigen Stunden in einen "Hassbot", der antifeministische, rassistische und hetzerische Tweets von sich gab - weil Twitter-Nutzer das Projekt gekapert hatten.

Bill Gates träumte 1975 bei der Gründung von Microsoft von einem PC auf jedem Schreibtisch, in jedem Haushalt. Nadella will Microsoft dort haben, wo immer sich der Mensch aufhält. Selbst wenn der es am Ende gar nicht mehr wahrnimmt.

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