Störsender oder Bereicherung

Saarbrücken · Fast jeder Schüler hat im Unterricht sein Mobiltelefon dabei und nutzt es auch. Etwa zur Unterhaltung oder um Zusatzinformationen zu suchen. Die neue Technik bringt aber nicht nur positive Aspekte mit sich.

Sie hören im Schulflur Musik, chatten mit Mitschülern oder recherchieren Unterrichtsthemen im Internet. Fast alle deutschen Schüler nehmen ihre Handys und Smartphones mit in die Schule. Das hat eine Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom unter 512 Jugendlichen ergeben. Demnach haben 92 Prozent der Schüler weiterführender Schulen ihre Mobiltelefone stets dabei und nutzen sie auch während der Unterrichtszeit. Bemerkenswert, denn zwei Drittel aller Schüler gaben in der Studie auch an, dass die Nutzung von Handys und Smartphones während des Unterrichts untersagt ist. Fast jeder fünfte Schüler berichtet sogar von einem Handy-Verbot an seiner Schule. Zwar gibt es in Deutschland außer in Bayern kein generelles Handyverbot, die Schulen können aber die Nutzung oder auch das Mitbringen von Mobiltelefonen über ihre Hausordnungen einschränken. Diese Diskrepanz zwischen Verboten und dem offensichtlichen Treiben der Schüler führt zwangsläufig zu Konflikten, eingezogenen Handys und der Debatte, ob Smartphones den Unterricht ausschließlich stören oder ihn auch bereichern können.

Ablenkung durch Smartphones

"Für guten Unterricht brauche ich Google und das Internet nicht", ist Josef Kraus überzeugt. "Dafür reichen Bücher oder Zeitungen vollkommen aus", sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes. Durch Smartphones in der Schule sieht er die Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit der Schüler gefährdet. Und tatsächlich stützt die aktuelle Bitkom-Studie diese Aussage. Die Schüler setzen ihre Telefone laut Studie nämlich hauptsächlich zu Unterhaltungszwecken ein. So nutzen 87 Prozent der befragten Schüler ihr Gerät, um Musik zu hören, 70 Prozent chatten mit Mitschülern und 45 Prozent surfen in sozialen Netzwerken. Zehn Prozent der Schüler gaben sogar an, dass sie ihr Smartphone nutzen, um bei Klassenarbeiten zu schummeln. "Smartphones stören den Unterricht massiv, daher sind die Verbote vernünftig", sagt Josef Kraus mit Überzeugung. "Schule sollte auch eine intellektuelle Ruheoase sein und darf die Hektik und Flüchtigkeit der neuen Kommunikation nicht mitmachen."

Recherchieren mit dem Handy

Die Bitkom-Studie hat aber auch noch andere Ergebnisse zutage gebracht. Über die Hälfte (56 Prozent) der befragten Schüler gab zum Beispiel an, Smartphones während der Unterrichtszeit zu verwenden, um im Internet nach relevanten Informationen für den Unterricht zu recherchieren. 74 Prozent der Schüler nutzen das Gerät auch, um Tafelbilder abzufotografieren.

"Es gibt viele Einsatzmöglichkeiten für Smartphones , die den Unterricht bereichern können", sagt Stefan Aufenanger, Professor für Erziehungswissenschaft und Medienpädagogik an der Universität Mainz. Anwendungsmöglichkeiten gebe es zum Beispiel im naturwissenschaftlichen Unterricht. "In Chemie oder Physik könnten Schüler Experimente auf Video aufnehmen und diese dann für Präsentationen nutzen", erklärt Aufenanger und nennt weitere Beispiele aus der Praxis. So habe kürzlich eine Schulklasse im Geographieunterricht mithilfe der GPS-Funktionen ihrer Smartphones einen Ort kartiert. Auch in den Nachbarstaaten wie in den Niederlanden oder der Schweiz würden private Handys verstärkt im Schulunterricht eingesetzt. Dabei leugnet der Medienpädagoge nicht, dass Smartphones den Unterricht auch stören können. Es sei daher wichtig, gemeinsam Regeln für den Einsatz festzulegen. "Wenn es klare Regeln gibt, lässt die Ablenkung schnell nach. Das pendelt sich nach vier bis fünf Wochen ein", ist Aufenanger überzeugt.

Zu diesem Ergebnis kommt auch der IT-Branchenverband Bitkom: "Richtig eingesetzt können die Geräte den Unterricht bereichern."

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