Sterne-Dschungel Sterne-Bewertungen können täuschen

Berlin · Die Verbraucherzentrale Bayern erklärt, wie seriöse Portale von unseriösen unterschieden werden können.

 Bei Sterne-Bewertungen im Internet ist Vorsicht geboten.

Bei Sterne-Bewertungen im Internet ist Vorsicht geboten.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/marchmeena29

() Nur zwei von fünf möglichen Sternen auf der Plattform Yelp erhielt Renate Holland, Besitzerin mehrerer Fitnessstudios. Und das trotz vieler überwiegend positiver Rezensionen. Sie klagte deshalb vor dem Oberlandesgericht München. Der Grund für die schlechte Bewertung? Der Algorithmus des Bewertungsportal für Restaurants, Dienstleister und Geschäfte stufte nur zwei von 76 Beiträgen als hilfreich oder authentisch ein. Nutzer sahen erst auf den zweiten Blick, dass es noch mehr als die zwei mittelmäßigen Meinungen gab. Die vermeintliche Durchschnittsbewertung ist also trügerisch. Renate Holland verlor in letzter Instanz vor dem Bundesgerichtshof (BGH). Beispiele wie dieses zeigen: „Es ist für den Verbraucher sehr schwierig zu entscheiden, welche Bewertungen echt sind und welche nicht“, erklärt Tatjana Halm von der Verbraucherzentrale Bayern. Es gebe aber Strategien, sich im Sterne-Dschungel zurechtzufinden.

Vertrauenswürdige Portale und Händler haben kein Interesse daran, Fake-Bewertungen zu veröffentlichen, denn das schädigt den Ruf. Sie sind nach Angaben von Halm an klaren Informationen darüber zu erkennen, wer eine Bewertung abgeben darf und wie sie zustande kommt. Für die Seriosität eines Angebots sprächen sogenannte verifizierte Bewertungen, die eindeutig nachvollziehbar sind. Unseriöse Portale fördern hingegen positive Bewertungen, um bei ihren Werbepartnern relevant zu wirken oder das eigene Image aufzubessern. „Wer Nutzer mit Gutscheinen für positive Bewertungen belohnt, verhält sich manipulativ“, sagt Tatjana Halm.

Der Blick hinter die Sterne- und Punkteskala lohnt. Wichtig sei es, einzelne Bewerter genau unter die Lupe zu nehmen, rät Halm. Es gebe Menschen, die sehr viel bewerten. Wenn jemand im kurzen Abstand viele Geschäfte und Restaurants an unterschiedlichen Orten bewertet, gebe das zu Zweifeln Anlass. Gleiches gelte für sehr viele Negativbewertungen, gefolgt von mehreren positiven. In so einem Fall dränge sich der Verdacht auf, dass jemand aktiv versuche, die schlechten Urteile auszugleichen, erklärt die Verbraucherschützerin. Halm hält es für fraglich, ob Online-Bewertungen überhaupt ein repräsentatives Bild der Realität geben. Tatsächlich kam eine Studie der Technischen Universität Dortmund im vergangenen Jahr zum Ergebnis, dass Kundenbewertungen die Qualität von Elektroprodukten nicht gut widerspiegeln. Fazit von Studienautor Sören Köcher: „Man sollte sich nicht auf die durchschnittlichen Bewertungen als Qualitätsindikator verlassen.“ Bei den etwa 1300 verglichenen Elektroprodukten fanden sich kaum Übereinstimmungen zwischen professionellen Urteilen der Stiftung Warentest und Kundenwertungen von Amazon.

Kunden tendierten dazu, nur besonders positive oder negative Reaktionen mitzuteilen. „Deshalb finden wir recht selten mittlere Bewertungen mit drei oder zwei Sternen“, sagt Köcher. Nutzer hätten in diesem Fall schlicht keine Motivation, zu schreiben. Er empfiehlt, sich Einzelbewertungen durchzulesen und nicht auf die berechnete Gesamtwertung zu schauen. „Möglicherweise sind das Sachen, die überhaupt nichts mit dem Produkt zu tun haben, wie Verpackungsschäden oder eine verspätete Lieferung.“

Neben Yelp bedienen sich unter anderem auch Amazon und das Hotel-Portal Holidaycheck automatischen Methoden, um Werbung von echten Rezensionen zu unterscheiden. Das ist nach Angaben der Verbraucherzentrale ein Qualitätsmerkmal. Besser sei aber, wenn zusätzlich Menschen Einzelbewertungen prüften und es eine Meldefunktion für falsche Einträge für Nutzer gebe. Letztere Möglichkeit bieten alle drei genannten Unternehmen. Amazon und Holidaycheck setzen zudem Prüfteams ein.

Renate Hollands Fall zeigt, dass Algorithmen auch nicht immer richtig liegen. Auch wenn sich Yelp laut des BGH-Urteils auf eine automatisierte Auswahl stützen darf, hatte das Oberlandesgericht München zuerst geurteilt: Durch das Aussortieren so vieler Bewertungen entstehe „kein hilfreiches, sondern ein verzerrtes Gesamtbild“.

(dpa)
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