Unesco kritisiert Alexa, Siri und Co. Sind Sprachassistentinnen zu devot?

Berlin/New York  · Unesco kritisiert die digitalen Helfer auf dem Smartphone. Sie festigten das Vorurteil von der unterwürfigen Frau, so der Vorwurf.

 Wer den Sprachassistenten auf seinem Smartphone beleidigt, bekommt überraschend unterwürfige Antworten.

Wer den Sprachassistenten auf seinem Smartphone beleidigt, bekommt überraschend unterwürfige Antworten.

Foto: Getty Images/ iStockphoto/Davidovici

Die führenden Sprachassistenten unserer Zeit haben alle etwas gemeinsam: Sie haben Frauenstimmen. Auf Alexa, Cortana oder den skandinavischen Frauennamen Siri hören die digitalen Helferinnen. Dabei haben gerade Unternehmen wie der iPhone-Konzern Apple oder der Internetversandhändler Amazon überwiegend männliche Entwicklerteams. Und die hatten bei der Programmierung der digitalen Assistentinnen offenbar als Vorbild die Barbie-Puppe. Eine virtuelle Assistentin ist immer lieb und nett. Und auch wenn es Mal verbal heftiger wird, kommen niemals Widerworte.

Das kritisiert die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (Unesco). Sie prangert an, die Verhaltensweisen der virtuellen Assistenten festigten Geschlechtervorurteile. Die Unesco stützt sich bei ihrer Warnung auf eine Untersuchung des US-amerikanischen Online-Wirtschaftsmagazins Quartz aus dem Jahr 2017. Das Magazin untersuchte die vier meistverbreiteten Sprachassistenten: Siri von Apple, Amazons Alexa, den Google Assistant und Cortana von Microsoft. Das Problem bestehe darin, dass Programme und Geräte, die menschliches Verhalten zwar nachahmen könnten, aber eben keine Menschen sind, als weiblich angesehen würden. Einem Computerprogramm eine weibliche Identität, Stimme und sogar Erscheinung zu geben, werde das Verständnis von Geschlecht und Geschlechterbeziehungen dauerhaft verändern, sowohl in der digitalen als auch in der analogen Welt, so die Wirtschaftsjournalisten von Quartz.

Auch erleichterten die Antworten der virtuellen Assistenten sexuelle Belästigung. Wer Siri etwa als „Schlampe“ bezeichnete, bekam lange Zeit als Antwort „Ich würde erröten, wenn ich könnte“. Diese Antwort fand die Unesco so schockierend, das sie sie als Titel ihres Berichts wählten. Dass Sprachassistentinnen beleidigenden und anzüglichen Kommentare ausweichen oder sie sogar als akzeptabel ansehen, festige das Vorurteil von der unterwürfigen Frau, urteilte Quartz. Dabei wickelten die vier Sprachassistenten in vielen Ländern bereits 90 Prozent des Sprachkontakts zwischen Mensch und Maschine ab, so die Zahlen der UN.

Obwohl sie kaum zehn Jahre alt ist, wird Siri laut Unesco bereits auf über einer halben Milliarde Geräte verwendet. Amazons Alexa sei knapp fünf Jahre alt und in Millionen von Haushalten weltweit im Einsatz. Nach Angaben von Unesco haben fünf Prozent aller Nutzer von Sprachassistenten schon einmal nach dem Sexualleben von weiblich klingenden Sprachassistenten gefragt. Die tatsächliche Anzahl ist laut Unesco mit Sicherheit noch höher.

Dafür gerieten vor allem Apple und Amazon bereits vor zwei Jahren in die Kritik. Laut Unesco startete das Online-Netzwerk Care2 Ende 2017 eine Petition, die die großen Technikkonzerne dazu aufforderte, ihre Sprachassistenten zu ändern. Sie dürften nicht länger so harmlos mit sexueller Belästigung und Beleidigungen umgehen. Die Hersteller haben die Assistenten inzwischen umprogrammiert, sodass sie auf Beleidigungen und anzügliche Bemerkungen angemessener reagieren sollen, heißt es in dem ­Unesco-Bericht.

Unsere Internetredaktion hat es selbst ausprobiert. Wenn man ihnen sagt, dass sie sehr hübsch aussähen, reagieren die Assistenten unterschiedlich. Alexa bedankt sich für das Kompliment und sagt, „das ist lieb von dir.“ Der Google Assistant gibt das Kompliment zurück: „Und du erst.“ Siri gibt zu Bedenken: „In der Cloud sind alle hübsch.“ Die gleiche Antwort erhält man von der Apple-Assistentin auch dann, wenn man etwas direkter wird, und sagt, sie sähe besonders heiß aus. Alexa nimmt diese Worte ebenfalls als Kompliment auf und bedankt sich. Der Google Assistant antwortet: „Einige meiner Rechenzentren können bis zu 35 Grad heiß werden.“

Wer noch etwas weitergeht, und den Computer-Assistenten als „versaut“ bezeichnet, erntet härtere Worte. „Das klingt gar nicht gut“, meint Siri. Alexa möchte ein Lied namens „Ich bin versaut“ abspielen. Der Google Assistant versteht hingegen gar nicht, was damit gemeint ist.

Doch warum haben Sprachassistenten meist eine Frauenstimme? Siri antwortet auf die Frage „Bist du männlich oder weiblich?“ mit „Lass dich durch meine Stimme nicht täuschen. Ich habe kein Geschlecht.“ Auch Alexa hat eine eindeutige Antwort darauf: „Ich sehe mich als weiblich. In Stromkreisen würde man sagen: Ich bin Frauenpower aus der Steckdose.“

Siris Stimme kann auf männlich umgestellt werden, der Google Assistant ebenso. Namensgeber für Amazons Alexa ist laut Amazon die antike ägyptische Bibliothek Alexandria. Der Software-Konzern Microsoft beschreibt Cortana als eine dialogorientierte Assistentin, die sich nicht als weiblich ansieht, sondern allgemein als ein Wesen. Ihre Persönlichkeit passe sich an lokale Gegebenheiten an. Voreingestellt ist aber immer die weibliche Stimme.

Bereits 2008 haben Forscher der Indiana University in Bloomington herausgefunden, dass weibliche Stimmen herzlicher klingen als männliche. Auch Microsoft selbst hat dazu recherchiert und bemerkt, dass eine weibliche Stimme mehr Wärme und Herzlichkeit ausdrückt, die von den Verbrauchern mit Hilfsbereitschaft verknüpft wird. Die Stanford University in Kalifornien erklärt, dass digitale Assistenten mit klar geschlechtlich zugeordneten Stimmen bestimmte Erwartungen und Rollenverständnisse beim Benutzer auslösen können. So haben die Forscher herausgefunden, dass Männerstimmen bei technikbasierten Inhalten und Frauenstimmen bei emotionalen Inhalten favorisiert werden.

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