Spielwiese für Heiratsschwindler

Berlin · Nicht nur einsame Herzen, auch Kriminelle tummeln sich auf Webseiten zur Partner-Suche. Die Täter täuschen ihren Opfern die große Liebe vor, wollen aber nur an deren Geld. Immer wieder fallen leichtgläubige Menschen auf diese Masche hinein.

Im Nachhinein fragt sie sich, wie sie so naiv sein konnte. Renate aus Bayern, 58 Jahre alt. Ihren Nachnamen und genauen Wohnort möchte sie lieber nicht verraten. Sie ist im Internet auf einen Kriminellen hereingefallen. Ein vermeintlicher UN-Soldat aus Libyen hatte die unglücklich verheiratete Frau über Facebook kontaktiert, ihr Gefühle vorgetäuscht und sie schließlich zu Geldzahlungen bewegt. "Insgesamt sind ungefähr 10 000 Euro geflossen, in einzelnen kleinen Beträgen", erzählt Renate, die im einer Bank arbeitet. Das Geld ist weg.

"Romance Scam" oder "Love Scam" - auf Deutsch etwa Liebesbetrug - nennt sich die Masche, die vor allem auf Portalen zur Partner-Suche verbreitet ist. Sie kann aber auch in sozialen Netzwerken wie Facebook vorkommen. Vereinfachend gesagt ist es eine Form von Heiratsschwindel im digitalen Zeitalter. "Die Betrüger stürzen sich auf die großen Portale, sie fallen wie die Heuschrecken über sie her", hat Henning Wiechers beobachtet - er ist Betreiber des Portals Singleboersen-Vergleich.de, das den Markt unabhängig durchleuchten will.

In Berlin werden jährlich etwa 70 bis 80 derartige Fälle angezeigt, berichtet Kriminalhauptkommissar Dirk Hoffmann, der beim Landeskriminalamt (LKA) für das Thema "Romance Scam" zuständig ist. Allerdings erstatteten nur wenige Opfer Strafanzeige. "Ein Delikt wird angezeigt, zwanzig nicht", schätzt der Polizist. Bundesweite Zahlen haben die Ermittler nicht.

Die meisten Strafanzeigen stammen von Frauen, wie Hoffmann erzählt. Die Täter erstellen bei den Dating-Portalen falsche Profile. Sie kopieren fremde Fotos aus dem Internet und rücken sich in ein gutes Licht. "Man nimmt gerne Berufe wie Bauingenieur", sagt Hoffmann. Dann suchen die Täter den Kontakt zu ihren Opfern, bauen Vertrauen auf, wobei sie sich durchaus Zeit lassen - möglichst bis sich das Opfer in den Unbekannten verliebt. "Verliebtheit bedeutet eben, dass die Menschen nicht mehr so rational handeln wie sonst", sagt Hoffmann.

So lief es auch bei Renate. Der Kontakt zu dem angeblichen UN-Soldaten lief über Monate. Anfang Oktober 2014 erhielt sie auf Facebook eine Freundschaftsanfrage, die sie nach eigener Darstellung wegen einer Namensverwechslung "leichtsinnig" annahm. "Er hat angefangen zu flirten, er hat behauptet, er habe sich so sehr in mich verliebt", erzählt Renate. In den auf Englisch gehaltenen Chat-Gesprächen tischte er ihr Lügengeschichten auf - etwa, dass er 100 Euro für seinen Sohn brauche, der in Ghana im Krankenhaus sei und dort eine Zusatzkost brauche. Sie ging darauf ein und zahlte über einen Anbieter für weltweiten Bargeldtransfer. "Ich weiß nicht, wie es mir passiert ist, aber es ist passiert."

Die Täter sitzen oft in Nigeria , wie Dirk Hoffmann sagt. Sie seien häufig gut ausgebildet, hätten in dem Land aber keine adäquate Arbeit und gerieten so auf die schiefe Bahn. Die Täter seien in Gruppen organisiert, ähnlich wie in Call-Centern.

Die Polizei konnte Renate nicht helfen, wie sie selbst sagt. In ihrem Fall liege eine Bargeldübertragung vor, da sei nichts zu machen. Die Chancen, Täter aus Nigeria oder Ghana fassen zu können, sind gering, wie LKA-Experte Hoffmann einräumt. Manchmal komme es aber in Deutschland zu Treffen mit Kontaktleuten. In Berlin gelinge es drei- bis fünfmal im Jahr, dabei Verdächtige festzunehmen.

Renate hat Hilfe über Martina Zielke aus Hamburg gefunden - sie betreibt im Internet die Seite Romantikbetrug.com, ein Angebot für Opfer. Zielke registriert dort nach eigenen Worten durchschnittlich 500 Besucher am Tag. Sie hatte einst selbst im Internet die Bekanntschaft mit einem Liebesbetrüger gemacht und dann zu dem Thema recherchiert und ein privates Informationsangebot aufgebaut. "Ich habe mich sehr dumm gefühlt", sagt Renate über die Zeit, als ihr der Betrug dämmerte. "Es gibt viele, viele Frauen, die sich ködern lassen."

Beim Verdacht, an einen Heiratsschwindler geraten zu sein, sollte man den Namen der Internetbekanntschaft mit dem Zusatz "Scammer" - zu Deutsch Betrüger - in eine Suchmaschine eingeben. Wenn der Nutzer einen Betrüger ausgemacht hat, rät die Kriminalprävention der Länder und des Bundes, jeglichen Kontakt sofort abzubrechen. Nutzer sollten sich dann eine neue E-Mailadresse und Telefonnummer zulegen. Grundfalsch sei es, auf Forderungen des Betrügers einzugehen und zu Geld überweisen, Schecks einzulösen oder Briefe weiterzuleiten. Wenn schon Geld überwiesen wurde, sollte das sofort rückgängig gemacht werden. Des Weiteren sollte der Betrogene, bei der Polizei Anzeige erstatten. Besonders dann, wenn er Ausweiskopien an den Schwindler verschickt hat.

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