Sozialleben im Web 2.0

Saarbrücken · Auf Partys einladen, das Neueste aus dem Privatleben mitteilen: Soziale Netzwerke wollen ihren Mitgliedern Freundschaften erleichtern. Doch helfen sie dem Sozialleben damit tatsächlich auf die Sprünge?

Freunde sind Menschen, die uns nahe stehen, mit denen wir gern gemeinsam Zeit verbringen, denen wir unser Vertrauen schenken. Noch vor zehn Jahren bestimmten persönliche Treffen, Anrufe und Briefe die Kommunikation im Bekanntenkreis. Doch das Netz verändert das Sozialleben: "Das Internet hat zu einer enormen Beschleunigung der Kommunikation geführt", erklärt Philipp Bode, Medienphilosoph an der Universität Hannover. Es sei einfacher geworden, Kontakte zu pflegen. Wenn Freunde sich selten sehen, könnten sie dennoch über das Netz am Leben des anderen teilhaben.

Informatikstudent Florian Haupenthal aus Saarbrücken fällt es online leichter, neue Menschen kennenzulernen: "Wenn ich eine Frau von Angesicht zu Angesicht nach ihrer Nummer frage, hat das bereits das Stigma eines Flirtversuchs. Die Hemmschwelle, sich über Facebook zu verbinden, ist deutlich niedriger."

Die Kontaktpflege übers Netz hat allerdings auch Nachteile: "Es ist erschreckend mit welcher Unbekümmertheit viele Nutzer Privates über soziale Netzwerke preisgeben. Dinge, die sie offline niemandem so unverblümt mitteilen würden", erläutert Philosoph Bode. Dem widerspricht wiederum Anna Kiefer aus Germersheim. Die angehende Sprachwissenschaftlerin verzichtet bewusst auf soziale Netzwerke: "Ausgeschlossen fühle ich mich nicht. Ich habe das Gefühl, dass der Austausch, der bei Facebook stattfindet, sowieso nur oberflächlich ist." Ohne Facebook widme sie sich nur den Menschen, die ihr wirklich etwas bedeuten. Experten sind uneins, ob soziale Netzwerke Freundschaften fördern. Medienexperte Bode zufolge erhält der Begriff Freundschaft durch die sozialen Medien eine neue Dimension. Dies sei unter anderem auf seine Verwendung durch Facebook zurückzuführen. Jeder Kontakt - auch die flüchtige Diskobekanntschaft - werde dort automatisch als Freund bezeichnet. "Dadurch wird der Begriff enorm erweitert und zugleich aufgeweicht. Denn plötzlich nennen wir Personen unsere Freunde, die wir im realen Leben nicht dazu zählen würden", sagt Bode.

Weniger skeptisch bewertet Gerald Fricke von der Uni Braunschweig die zunehmende Verlagerung der sozialen Kontakte ins Netz: "Es sind nicht die Freundschaften die sich durch das Internet verändern, sondern die Kommunikationsformen", meint der Dozent für Informationsmanagement. Gerade wenn man ein ausgefallenes Hobby habe, sei es doch fantastisch, im Netz auf Gleichgesinnte zu treffen und hunderte Online-Freundschaften zu besitzen.

Mit echter Freundschaft haben solche Kontakte trotzdem nicht viel gemeint, findet Philosoph Bode: "Erst durch den persönlichen Kontakt kann eine tiefere soziale Ebene erreicht werden, die auf gegenseitigem Vertrauen basiert." Ein persönlich geführtes Gespräch sei für eine gute Freundschaft bis heute unerlässlich.

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