Smartphone ersetzt Geldbeutel

Saarbrücken · Smartphones ersetzen mit ihren zahlreichen Apps die alltäglichsten Dinge. Warum also nicht auch Geldbeutel und Kreditkarte, dachten sich Telekom und Co. Verbraucherschützer haben allerdings Sicherheitsbedenken.

. Die Frau an der Supermarktkasse kramt in ihrer Handtasche nach dem Geldbeutel, zückt nach einer halben Ewigkeit ihre Bankkarte, die sie dann auch noch falsch ins Lesegerät steckt: Wer nach Feierabend in der Warteschlange schon einmal genervt eine vergleichbare Szene beobachtet hat, dem mag der Sinn vom Bezahlen übers Mobiltelefon einleuchten.

Lange Zukunftsmusik, drücken die großen Mobilfunkanbieter seit kurzem mit viel Werbegetöse digitale Geldbörsen für Smartphones auf den europäischen Markt. Im Januar stellte Vodafone sein Handy-Programm Wallet und E-Plus seine App Mobile Wallet vor. Kunden der Telekom können seit Mai mit MyWallet quasi im Vorbeigehen an entsprechend ausgerüsteten Kassen zahlen, etwa an Aral-Tankstellen, bei Kaufhof oder Douglas. Auch O2-Telefónica steht kurz vor dem Start eines eigenen Dienstes.

Die Konzerne werben mit der Sicherheit ihrer Systeme, Frank-Christian Pauli vom Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) erklärt dagegen: "Wir wissen noch nicht, wie sicher die digitalen Brieftaschen wirklich sind. Das Zahlen übers Smartphone verknüpft nicht nur die Vorteile von herkömmlichen Bankkarten und dem Online-Einkauf, sondern bringt auch Datenschutz- und Sicherheitsprobleme aus beiden Welten mit sich." Eine unabhängige Beurteilung steht laut Pauli noch aus.

Vereinfacht gesagt, stellen die digitalen Geldbörsen eine ins Telefon eingebaute, aufladbare Kreditkarte dar. Eine App liefert dabei den Überblick über die Abbuchungen. Weil die Anbieter die Zahlungsdaten auf speziellen SIM-Karten speichern, ist kein Online-Speicherplatz und auch keine Internetverbindung nötig. Die Telekom und E-Plus verwenden das sogenannte Mypass-System von Mastercard. Vodafone-Kunden können zusätzlich über Visa zahlen. Grundlage des mobilen Zahlens ist NFC-Funk, eine Technik, mit dem kompatible Kassen und Smartphones über eine Strecke von wenigen Zentimetern Daten austauschen können. Nutzer halten ihr Telefon dazu an der Kasse an ein graues Kästchen. Einen Pincode müssen sie erst ab Beträgen von 25 Euro eingeben. Noch nicht in allen, aber in vielen neuen Modellen der großen Smartphone-Hersteller sitzt bereits ein entsprechender NFC-Chip.

Im deutschen Einzelhandel sind der Telekom zufolge derzeit etwa 35 000 Kassen für das mobile Bezahlen gerüstet - vier Prozent aller Kassensysteme. Schon im kommenden Jahr sollen es nach Schätzung des Konzerns bereits 25 Prozent sein.

Nutzer sind noch skeptisch

Wie die digitalen Geldbörsen im Alltag der Deutschen ankommen ist bislang unklar, über genaue Nutzerzahlen schweigen die Anbieter. "Die einen werden es bequem und übersichtlich finden, die anderen eher nicht gutheißen, dass ihr Anbieter über alle ihre Einkäufe Bescheid weiß", meint Verbraucherschützer Pauli. Nach Angaben der Telekom besitzen erst zwei von 40 Millionen der eigenen Kunden NFC-taugliche Telefone. Im Sommer 2013 konnten sich zudem nur 17 Prozent von rund 1000 Befragten vorstellen, ihr Portmonnaie durchs Handy zu ersetzen, wie eine Studie des IT-Branchenverbands Bitkom ergab.

Dass Smartphones den Gang zur Kasse künftig stressfreier machen, bezweifelt Frank-Christian Pauli: "Es klingt banal, aber beim Handy kann an der Kasse der Akku kaputt gehen, Empfang, Apps und Display spinnen. Sie können angerufen werden. All das passiert mit dem Geldbeutel nicht."

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