Sexismus-Vorwürfe Sexismus ist Alltag in der Spiele-Szene

Berlin · Vom Profi bis zum Freizeitspieler: Immer wieder werden Frauen in der Gaming-Branche von Männern belästigt und beleidigt.

 Beim Spielen am Computer sind sexuelle Belästigungen für viele Frauen an der Tagesordnung – nicht nur im Profibereich.

Beim Spielen am Computer sind sexuelle Belästigungen für viele Frauen an der Tagesordnung – nicht nur im Profibereich.

Foto: dpa/Christophe Gateau

In der Spiele-Branche brodelt es gewaltig. Einem Protagonisten der Szene wurde vorgeworfen, Frauen sexuell belästigt zu haben. Daraufhin berichteten Hunderte Menschen über ihre Erfahrungen. Es geht um Sexismus, Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und Nötigung. #MeToo ist auch im E-Sport angekommen.

In einem Dokument der Spiele-Community wurden die Vorwürfe gesammelt, deren Zahl mittlerweile bei fast 200 Einträgen liegt. Mehrere große Persönlichkeiten haben sich in Folge dessen aus der Szene zurückgezogen. Diverse Unternehmen kündigten Untersuchungen und Konsequenzen an.

Wie weitreichend die sein, können zeigt der Fall eines Spielers des beliebten Online-Games „World-of-Warcraft“. Sein Team gilt als eines der fünf besten der Welt. Ihm wird von mehreren Spielerinnen vorgeworfen, sie sexuell belästigt und sogar vergewaltigt zu haben.

Diese Vorwürfe schaden derzeit nicht nur dem Spieler, MethodJosh, selbst, sondern auch seiner kompletten Mannschaft. Sponsoren wie der Computerhersteller Corsair haben über den Kurznachrichtendienst Twitter angekündigt, dass sie das Team nicht weiter finanziell unterstützen würden. Auch Partner und Mitglieder wendeten sich von ihm ab. Zwar hat Method-Gründer Scott McMillan über Twitter mittlerweile Fehler eingeräumt, doch für viele Sponsoren und Partner kam dieser Schritt zu spät.

Unter den jüngst Beschuldigten sind auch weitere, bekannte Persönlichkeiten aus dem E-Sport. Dem Dota-2-Kommentator Grant „GranDGranT“ Harris beispielsweise warfen mehrere Frauen sexuelle Übergriffe vor. Er entschuldigte sich über Twitter und kündigte seinen Rückzug aus der Szene an.

Für Kristin Banse, die sich seit Juni beim E-Sport-Bund Deutschland (ESBD) als Präsidiumsmitglied für Diversität auch für die Sichtbarkeit von Frauen in der Szene einsetzt, sind die Vorwürfe keine große Überraschung: „Für viele Frauen im E-Sport sind Sexismus und Übergriffigkeiten leider trauriger Alltag.“ Dass nun so viele Fälle an die Öffentlichkeit kommen, liege eher daran, dass einige in der Szene lange weggeschaut und Probleme ignoriert hätten: „Viele Akteurinnen sprechen bereits seit Jahren darüber und machen auf die Thematik aufmerksam.“

Doch das Problem beschränkt sich nicht auf die Profi-Szene. Auch Frauen, die in ihrer Freizeit Games spielen, sind von Sexismus betroffen. In vielen Mehrspieler-Spielen werden Teams zufällig gebildet, für die Kommunikation gibt es integrierte Sprachchats. Immer wieder berichten Spielerinnen davon, dass Belästigungen und Beleidigungen hier alltäglich sind.

Auch Twitch, die mit Abstand größte Streamingplattform im Videospielmarkt, ist zunehmend in die Kritik geraten. Twitch gab auf Twitter bekannt, zu verschiedenen Fällen interne Ermittlungen einzuleiten. Wie genau diese aussehen und gegen wen ermittelt wird, verrät die Amazon-Tochter allerdings nicht. Geschäftsführer Emmett Shear schrieb in einer öffentlichen Stellungnahme, dass das Unternehmen sich bessern müsse. „Obwohl das Problem die ganze Szene betrifft, erkennen wir an, dass die Erfahrungen vieler Leute auf unserer Plattform nicht das waren, was wir anstreben.“ Twitch müsse sich dazu ernster mit dem Thema beschäftigen. Auf konkrete Vorwürfe ging er jedoch nicht ein.

Eine Studie der Universität Indiana in den USA belegte schon 2017, dass Frauen, die auf Plattformen wie Twitch ihre Spielefähigkeiten präsentieren, häufig auf ihr Aussehen und ihren Körper reduziert werden und wenige Kommentare zu ihrem spielerischen Können bekommen – anders als Männer. Für die Untersuchung wurden Chatkommentare auf 400 Twitch-Kanälen ausgewertet.

Doch die Spieleentwickler machten Fortschritte, sagt Banse: „Kluge Maßnahmen sind zum Beispiel non-verbale Kommunikationsmöglichkeiten, die das Spiel für Frauen zugänglicher machen.“ Auch Schulungen und Workshops für die Entwickler sollen helfen, das Problem anzugehen.

Banse ist der Meinung, dass sich in der E-Sport-Szene etwas tun muss: „Grundlegend hat jeder im E-Sport unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder körperlichen Gegebenheiten dieselben Chancen. Wir müssen uns aber stärker dafür einsetzen und Diskriminierungen entgegentreten – im Text- und Sprachchat sowie im analogen Leben.“

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