Schwerer Abschied von Baikonur

Eigentlich wollte die russische Raumfahrtagentur im Dezember den neuen Weltraumbahnhof Wostochni in Betrieb nehmen. Doch wegen technischer Probleme muss die Eröffnung auf 2016 verschoben werden. Wostochni soll den Startkomplex Baikonur ablösen, der aus russischer Sicht einen großen Nachteil hat. Er liegt nach dem Zerfall der Sowjetunion in der unabhängigen Republik Kasachstan.

Moskau. Russlands Raumfahrt hat ein Problem. Und das liegt am Boden. Eigentlich sollte zum Jahresende der erste zivile Weltraumbahnhof des Landes mit dem Start einer Sojus-2-Rakete eingeweiht werden. Doch das neue Wostochni-Raumfahrtzentrum im Fernen Osten wird nicht rechtzeitig fertig. Über 5000 Arbeiter, Ingenieure und Wissenschaftler arbeiten seit fünf Jahren rund 120 Kilometer nördlich der Stadt Blagoweschensk am neuen Kosmodrom. Allerdings machte das Prestigeprojekt in der Vergangenheit immer wieder durch Korruptionsfälle und wegen der aktuellen Wirtschaftskrise von sich reden.

Seit Juli steht der erste Startkomplex, dessen Bau die russische Regierung vorangetrieben hat, weil der bisherige Weltraumbahnhof Baikonur nach dem Zerfall der Sowjetunion mitten in der nun unabhängigen Republik Kasachstan liegt. Für die Nutzung dieses Areals muss Russland jährlich 115 Millionen Dollar (gut 100 Millionen Euro) Miete überweisen. Das neue Raumfahrtzentrum Wostochni liegt auf russischem Territorium, fast auf demselben Breitengrad wie Baikonur und nicht weit vom Pazifik entfernt.

300 Milliarden Rubel

Der Grundstein des Baus wurde 2010 gelegt. Für 300 Milliarden Rubel (vier Milliarden Euro) soll der weltweit modernste zivile Weltraumbahnhof entstehen. Mit einer Fläche von 700 Quadratkilometern ist der neue Weltraumbahnhof allerdings fast zehnmal kleiner als Baikonur. Zwei Startrampen sind geplant - eine für die Sojus und eine für verschiedene Varianten der neuen russischen Angara-Rakete. Drumherum entstehen eine Forschungsstadt für bis zu 30 000 Einwohner, ein moderner Flughafen, rund 115 Kilometer Straßen und ein Anschluss an die Transsibirische Eisenbahn .

Von Wostochni soll eine Sojus-2-Rakete die Weltraum sternwarte Lomonossow ins All bringen. Seinen Namen verdankt der astronomische Forschungssatellit dem Entdecker der Venus-Atmosphäre, Michail Lomonossow, dessen 250. Todestag in diesem Jahr gedacht wird. In drei Jahren soll dann erstmals eine der neuen Angara-Raketen vom zweiten Startkomplex abheben. Die Angara ist in Modulbauweise konstruiert. Sie kann je nach Auslegung ihrer Triebwerke von 1,5 bis zu 35 Tonnen Nutzlast in einen niedrigen Erdorbit bringen. Dieser Raketentyp soll die alten Proton-, Kosmos- und Zenit-Raketen ablösen. Mit der Angara sollen im kommenden Jahrzehnt auch Raumfahrer zur Internationalen Raumstation und zu anderen Zielen fliegen - vorausgesetzt, die geplante neue russische Raumkapsel, die bis zu sechs Kosmonauten aufnehmen kann, wird rechtzeitig fertig.

Vollkommen ungeklärt ist bislang, was in der Zukunft aus Baikonur werden wird, sobald Wostochni seinen Routinebetrieb einmal vollständig aufgenommen hat. Das ehemalige Startgelände hat die dreifache Größe des Saarlandes. Baikonur könnte zukünftig mitsamt seinen über zwei Dutzend größtenteils schrottreifen Abschussrampen und Raketensilos zum weltgrößten Raumfahrtmuseum unter freiem Himmel werden.

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