Schöne neue Wohnwelt

Saarbrücken · Im vernetzten Heim meldet der Kühlschrank, dass die Milch alle ist und bestellt Nachschub im Internet, die Heizung lässt sich vom Büro aus per Smartphone steuern, die Fensterläden gehen online. Doch wie sicher sind die Daten, die dabei anfallen?

Bei einem unerwarteten Gewitter wird das Dachfenster vom Büro aus geschlossen, die Heizung schaltet ab, wenn ein Fenster offen steht, der Nutzer wird per Smartphone informiert, wenn zu Hause etwas nicht in Ordnung ist. Was bisher Smartphones , Tablets und Computern vorbehalten war, wird im sogenannten Internet der Dinge ausgeweitet: Waschmaschinen , Pillenschachteln oder Fensterläden gehen online und tauschen Informationen aus. Im sogenannten Smart Home, dem intelligenten Zuhause, können Nutzer alle technischen Geräte im Haus miteinander verknüpfen und per Smartphone bedienen - auch von unterwegs. Die Anbieter versprechen mehr Komfort, mehr Sicherheit und Energieersparnis.

Von der ferngesteuerten Steckdose bis hin zur kompletten Haussteuerung - Lösungen für das vernetzte Zuhause gibt es viele. Doch obwohl das intelligente Heim bereits seit Jahren auf dem Markt ist, lässt der Durchbruch auf sich warten. Nur ein Prozent der deutschen Haushalte ist nach Schätzungen des Branchenverbands Bitkom bisher mit Heimautomatisierungstechniken ausgestattet.

Laut einer aktuellen Studie des Marktforschungsunternehmens GMI bangen die Verbraucher vor allem um die Sicherheit ihrer Daten. 69 Prozent der Deutschen haben beim vernetzten Heim kein Vertrauen in den Datenschutz, nur 17 Prozent wären überhaupt bereit, den Herstellern Daten über ihr Zuhause zur Verfügung zu stellen.

"Das vernetzte Zuhause ist eine Datenschleuder", meint IT-Experte und Chaos-Computerclub-Mitglied Karsten Nohl. "Da fallen unzählige Informationen an - darüber, wie lange das Licht brennt, wie oft wir duschen oder Kaffee kochen."

Auch Kriminelle könnten diese Daten für ihre Zwecke nutzen. "Kann der Nutzer unterwegs per Smartphone ein Fenster schließen, können natürlich potenziell auch Hacker darauf zugreifen", erklärt Nohl.

Solchen Vorbehalten will der Verband der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik (VDE) nun vorbeugen. Eine eigens für das vernetzte Zuhause ins Leben gerufene Sicherheits-Zertifizierung soll den Verbrauchern mehr Vertrauen in die Systeme geben. Die erste VDE-Zertifizierung wurde im Juli für das System des Anbieters RWE durchgeführt. Dessen Intelligenz steckt in einem kleinen Kästchen, das alle Komponenten über ein firmeneigenes Funkprotokoll ansteuert. In Kombination mit einem zusätzlichen Fenstersensor kann es beispielsweise dafür sorgen, dass die Heizung bei offenem Fenster automatisch heruntergeregelt wird.

Beim RWE-Smart-Home schütze ein sogenanntes Gateway das System vor unerwünschten Zugriffen, erklärt der IT-Fachmann Siegfried Pongratz vom VDE. Ein Gateway ist eine Schnittstelle, durch die alle Datenpakete laufen. Es funktioniert ähnlich wie eine Firewall: Das Gateway überwacht den Datenverkehr, der durch es hindurch fließt, und entscheidet anhand festgelegter Regeln, ob bestimmte Netzwerkpakete durchgelassen werden oder nicht. "So haben nur der Nutzer selbst und der Anbieter Zugriff auf die Daten", erklärt Pongratz. Mit "allen Hackermethoden" hätten die Prüfer versucht, in dieses System einzudringen, so Pongratz. Dabei befand der VDE das System als sicher. Allerdings: "Eine endgültige Gewährleistung für die Sicherheit eines Systems gibt es natürlich nie", erklärt der VDE-Prüfer.

IT-Experte Nohl schätzt Gateways dagegen als eher unsicher ein. "Gateways sind vergleichbar mit einfachen Routern wie dem DSL Speed Port oder der Easy Box. Die stellen derzeit das größte Sicherheitsrisiko im Internet dar", erklärt Nohl. Trotz der Sicherheitsbedenken beurteilt Nohl das Risiko, dass Hacker in das intelligente Zuhause einbrechen könnten, als äußerst gering. "Es hat einfach niemand Interesse an solchen Daten", meint Nohl. "Kein Mensch will wissen, wie schnell meine Wäsche schleudert." Um zu wissen, ob jemand zu Hause sei, gebe es "seit der Erfindung der Kerze andere Möglichkeiten", meint Nohl.

Während sich die Verbraucher in Zurückhaltung üben, wird das vernetzte Heim von vielen Unternehmen als die Technologie der Zukunft gehandelt. In einer gemeinsamen Erklärung forderten der VDE, der Bitkom und weitere Verbände im März von der Regierung durchgängige Normen für alle intelligenten Geräte. "Das Ziel ist, Deutschland zum Leitmarkt für vernetztes Wohnen machen", erklärt Pongratz vom VDE. Tatsächlich könnten die Mobilfunk- und die Energieindustrie vom Markt mit dem vernetzten Heim profitieren. Vor allem aber die, die heute schon aus Daten Gold machen, so Nohl: "Kein Hacker will wissen, ob es bei mir kalt ist. Um passgenaue Werbung zu liefern, ist das für Unternehmen wie Google aber durchaus interessant."

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