Rüssel-Roboter auf Staubsauger-Mission

Alle Welt redet von der Kometenmission der Sonde Rosetta und ihres Landeroboters Philae. Doch das Projekt Hayabusa eines Teams deutscher, französischer und japanischer Forscher geht noch einen Schritt weiter. Die Raumfahrtingenieure wollen Bodenproben eines kleinen Himmelskörpers zur Erde holen. Ihre Raumsonde soll in der kommenden Woche in Japan starten.

 Die Sonde Hayabusa 2, die in der kommenden Woche startet, soll Bodenproben eines Asteroiden zur Erde bringen. Grafik: JAXA/Ikeshita

Die Sonde Hayabusa 2, die in der kommenden Woche startet, soll Bodenproben eines Asteroiden zur Erde bringen. Grafik: JAXA/Ikeshita

Tokio. Am 15. Februar 2013 raste ein zehn Tonnen schwerer Gesteinsbrocken aus dem All mit einer Geschwindigkeit von rund 64 000 Kilometern pro Stunde in die Erdatmosphäre. 20 Kilometer über der sibirischen Stadt Tscheljabinsk zerplatzte er in einem Feuerball. Obwohl dieser Meteorit weniger als 20 Meter groß war, war seine Detonation 40-mal so stark wie die der Atombombe, die im Jahr 1945 Hiroshima zerstörte.

Nicht auszudenken, was geschehen wäre, wenn an diesem Tag ein zehnmal größerer Himmelskörper heruntergekommen wäre. "Doch Größe allein ist nicht entscheidend für die Zerstörungskraft. Auch die Zusammensetzung ist von Bedeutung", sagt Hitoshi Kuninaka, Projektmanager der japanisch-deutschen Raumfahrtmission Hayabusa 2. Ein Objekt aus Eis- und Gesteinspartikeln zerlegt sich beim Eintritt in die Hochatmosphäre schnell und richtet weniger Schaden am Boden an als ein ähnlich großer, fester Körper aus metallischen Verbindungen.

Sollte eines Tages ein großes Objekt auf Kollisionskurs mit der Erde entdeckt werden, ist es deshalb wichtig, seine Zusammensetzung zu kennen, so Alan Harris vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin. Harris leitet das Projekt NEO-Shield, das Studien zu einem Abwehrsystem umfasst. Das Problem: Derzeit kennen die Astronomen zwar fast alle erdnahen Objekte über 300 Meter Durchmesser. Doch sie wissen nur sehr wenig über deren Aufbau. Vor vier Jahren versuchte die japanische Raumfahrtagentur erstmals mit einer Sonde Bodenmaterial von einem Weltraumbrocken zur Erde zu bringen. Doch die Mission der Hayabusa (Falke) genannten Sonde zum 600 Meter langen Kleinplaneten Itokawa war von Pannen überschattet und brachte nur wenige Silikat-Partikel von mikroskopischer Größe zurück.

Nun soll die Mission Hayabusa 2 die Wissenslücken schließen. Sie hat einen deutlich kleineren Weltraumbrocken zum Ziel, der bislang nur eine Katalog-Nummer (1999 JU3) trägt. Die Forscher gehen davon aus, dass seine Oberfläche aus asphaltähnlichen Substanzen und vermutlich auch Wassereis besteht. Möglicherweise ist das Objekt der Rest eines sehr alten Kometen, der alle flüchtigen Substanzen verloren hat.

Hayabusa besteht wie die Rosetta-Sonde aus zwei Teilen. Die Muttersonde soll sich im Jahr 2018 der Oberfläche ihres 900 Meter großen Ziels bis auf Tuchfühlung nähern und dann mit einer Art Rüssel Bodenproben aufnehmen. Hayabusa 2 wird auf dem Himmelskörper ein von Forschern des Deutschen Zentrums für Luft-und Raumfahrt (DLR) gebautes Landegerät von der Größe eines Schuhkartons absetzen.

Der Mascot genannte Roboter ("Mobile Asteroid Surface Scout") soll Daten über Temperatur, Dichte, Struktur und Zusammensetzung des Bodens sammeln. Die Forscher hoffen auch, etwas über das Innere des kosmischen Kleinkörpers zu erfahren. Wie kann sich ein Roboter auf einem Asteroiden fortbewegen, der beinahe keine Schwerkraft hat? Mit Federbeinen, lautet die Antwort der DLR. Mascot wird hüpfen. Weil er so klein ist, hat er ein aufs Nötigste reduziertes Energieversorgungssystem, das ihm maximal 16 Stunden lang Messungen ermöglicht. In dieser Zeit wird er wie ein Känguru von Ort zu Ort springen. "Wegen der sehr geringen Schwerkraft haben Räder keinen Sinn", erläutert Raumfahrtingenieur Tra-Mi Ho, Projektmanager am Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt in Köln. Bereits die Kraft eines Fingerschnippens genügt, um Mascot 70 Meter weit hüpfen zu lassen. Die Energie dafür liefert eine Lithium-Ionen-Batterie. Wenigstens drei dieser Hopser sind geplant. Die Batterie kann nicht aufgeladen werden, denn das kleine Gerät hat keine Solarzellen.

Die zweite Hayabusa-Mission soll wie ihre Vorgänger zu einem besseren Verständnis der Objekte in unserer kosmischen Nachbarschaft führen. Wissenschaftler arbeiten bereits an Plänen für eine Nachfolge. Sie wollen zum Beispiel Weltraumbrocken umleiten, die eine mögliche Bedrohung für der Erde sein könnten. So analysieren Forscher im Auftrag der europäischen Weltraumorganisation Esa Pläne für die Kleinplaneten-Abwehrmission Aida ("Asteroid Impact and Deflation Assessment"), die im kommenden Jahrzehnt starten soll.

Die US-Luft- und Raumfahrtbehörde Nasa will im Jahr 2022 erstmals versuchen, den Kurs eines gefährlichen Kleinplaneten zu verändern. Noch ist allerdings vollkommen unklar, ob Roboter diese Aufgabe tatsächlich bewältigen könnten. In Frage käme theoretisch auch eine bemannte Mission mit der bereits im Bau befindlichen neuen US-Raumkapsel Orion. Deren unbemannter Erstflug ist ebenfalls noch in diesem Jahr vorgesehen.

 So sieht das Computermodell des Landegeräts Mascot aus. Der Roboter von der Größe eines Schuhkartons soll Bodenproben auf dem Kleinstplaneten „1999 JU3“ analysieren. Grafik: CNES

So sieht das Computermodell des Landegeräts Mascot aus. Der Roboter von der Größe eines Schuhkartons soll Bodenproben auf dem Kleinstplaneten „1999 JU3“ analysieren. Grafik: CNES

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Auf einen BlickDer Miniaturplanet 1999 JU3 umrundet die Sonne zwischen der Mars- und der Venusbahn und kreuzt auch die Erdbahn. Sein geschätzter Durchmesser beträgt 900 Meter, seine Oberfläche ist pechschwarz. Die Raumsonde Hayabusa 2 soll diesen Asteroiden im Juni des Jahres 2018 erreichen und Bodenproben sammeln. Sie bleibt bis Ende 2019. Im Dezember 2020 soll sie zur Erde zurückkehren. US

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